„Ich spiele nicht besonders technisch, aber eine wiedererkennbare musikalische Handschrift zu haben ist mir lieber.“
(Bild: Jackson Guitars / FMIC)
Die Alternative-Metal-Band Tetrarch wurde 2007 in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia gegründet und lebt mittlerweile in Los Angeles. Mittlerweile blickt das Quartett auf drei EPs und zwei Alben zurück, die mit für dieses Genre ausgesprochen abwechslungsreichem und virtuosem Gitarrenspiel aufhorchen lassen.
Verantwortlich dafür zeichnet sich mit Diamond Rowe eine junge Afroamerikanerin, die allerdings wenig Interesse daran hat, über die Rolle von Frauen und Schwarzen im Musikbusiness zu diskutieren. Stattdessen entpuppt sie sich als Kennerin ihres Instruments, bei der nicht nur die Musik heavy sein muss.
INTERVIEW
Diamond, wie bist du Musikerin geworden?
Mein Vater ist Konzertveranstalter und meine Mutter war lange Zeit Visagistin für tourende Künstler, ich hatte also ständig Musik in meiner Umgebung, während ich aufwuchs. Sie war praktisch immer da, obwohl sie anfangs noch keine tragende Rolle in meinem Leben einnahm. Bis ungefähr zu meinem elften Lebensjahr hörte ich Radiomusik, vor allem Hip Hop; dann lernte ich über einen Klassenkameraden Grunge-Bands wie Nirvana oder Pearl Jam und die Emo-Szene kennen. Kurt Cobain faszinierte mich, doch als ich System Of A Downs Album ‚Toxicity‘ hörte, war das der Wendepunkt: Ich begann, mich eingehender mit harter Musik zu beschäftigen, und steigerte mich schließlich richtig hinein. Das passiert bei allem, was ich tue, beispielsweise auch im Sport. Jedenfalls saß ich eines Tages bei meiner Mutter im Auto und hörte Musik, als mir plötzlich die Worte „Ich glaube, ich will Gitarre spielen“ über die Lippen kamen – einfach so. Meine Eltern kauften mir dann mein erste Gitarre, die ich wirklich überallhin mitnahm: Ins Badezimmer, vor den Fernseher und sogar in die Schule. Spielen kam mir sehr natürlich vor und machte ungeheuren Spaß.
Bist du Autodidaktin?
Ich hatte etwa anderthalb Jahre lang Unterricht, wo ich lernte, das Instrument zu stimmen und einfach Akkorde zu spielen. Ich weiß noch, wie mich mein Lehrer fragte, welche Lieder ich gern spielen würde. Ich nannte ihm ‚Crazy Train‘ von Ozzy Osbourne sowie ‚Enter Sandman‘ und ‚Master Of Puppets‘ von Metallica. Da das noch zu schwierig für mich war, ließ ich mir die Grundlagen beibringen und schaffte mir nach und nach zuhause Songs der Bands drauf, die ich liebte. Es war also eine Art Mischung aus Unterricht und selbständigem Lernen.
Wann ging es mit deiner erste eigenen Band los?
Tetrarch sind tatsächlich meine erste und bisher einzige Band. Ich besuchte eine sehr kleine Privatschule, wo jeder jeden kannte, und der Einzige, der außer mir Gitarre spielte, war Josh Fore. Er stand aber weniger auf die ganz harten Sachen, sondern mochte Green Day und ähnliche Bands. Trotzdem entstand schnell eine besondere Chemie zwischen uns, nachdem wir zum ersten Mal miteinander gejammt hatten. Wir waren damals beide zwölf Jahre alt.
(Bild: Guillermo Briceno)
Seid ihr die Hauptsongwriter bei Tetrarch?
Ja, aber die Songs entstehen von Fall zu Fall auf unterschiedliche Weise. Mal kommt Josh mit einer groben Struktur an, ein andermal schlage ich eine Melodie oder ein Riff vor. Daraufhin arbeiten wir die Ideen zu zweit aus, ehe der Rest der Band hinzustößt. Wir spielen die Stücke dann oft und schauen, wohin sie sich entwickeln.
Wie würdest du eure Entwicklung insgesamt beschreiben? Bald erscheint ja euer drittes Album.
Andere würden sich wohl gegen diese Bezeichnung wehren, aber ich nenne Tetrarch gerne eine Einstiegsband ähnlich Korn oder Slipknot. Über uns können Fans unterschiedlicher Couleur Metal kennenlernen, weil wir trotz unserer Heaviness eingängig sind. Wir lieben Hooks und große Refrains genauso wie derbe Breakdowns oder bedrohliche Riffs und haben mit der neuen Platte unseren Sound gefunden, würde ich sagen. Manche Leute sagen, Nu-Metal im klassischen Stil sei abgedroschen, aber das macht uns nichts aus; wir sind mittlerweile stolz darauf, so zu klingen – düster und dennoch leicht zugänglich. Ich denke, unsere Eigenständigkeit wird dadurch deutlich, dass Bands aus diesem Bereich eigentlich keine Leadgitarristen haben, geschweige denn Solos spielen.
Vergleichst du dich gerne mit anderen?
Josh hat mir dabei geholfen, meiner inneren Stimme zu folgen, statt zu denken, dieser oder jener Gitarrist sei besser als ich. Er meint, seitdem Tetrarch bekannter geworden sind, würden die Leute erwarten, dass ich an der Gitarre ich selbst bin, genauso wie Kirk Hammett von Metallica nur er selbst sein sollte. Ich spiele nicht besonders technisch, aber eine wiedererkennbare musikalische Handschrift zu haben ist mir lieber.
(Bild: Jackson Guitars / FMIC)
Jackson widmet dir ein Signature-Modell in der Pro Series. Warum hast du dir die Monarkh als Grundlage ausgesucht?
Ich habe immer Single-Cut-Gitarren à la Gibson Les Paul gespielt, also sollte der Body meines Custom-Modells auch so geformt sein. Die Monarkh verbindet das Klassische mit dem Modernen, wobei ich ganz konkret um eine Evertune-Bridge und 81/85-Gold-Tonabnehmer von EMG bat. Mike Shannon, Michael Tempesta und Peter Witchers von Jackson haben meine Wünsche so umgesetzt, dass sich die Gitarre super mit meinen bevorzugten Saiten spielen lässt.
Welche sind das?
Vernickelte, Stärke 10 auf 54. Ungewöhnlich ist für eine Single Cut zudem die 25,5-Zoll-Mensur, und ich wollte keine Inlays auf dem Griffbrett. Außerdem ist die Kopfplatte einzigartig; nur diese Gitarre hat sie.
Angesichts eures Stils sollte man meinen, du spielst auch Siebensaiter?
Nein, wir haben immer lieber tiefer gestimmt, vielleicht auch wegen unserer Vorliebe für Slipknot. Bei siebensaitigen oder Bariton-Gitarren fehlt der räudige Charakter, sie klingen für meinen Geschmack zu sauber.
Neben Mesa/Boogie sieht man bei euch auch Peavey-Amps auf der Bühne.
Josh und ich spielen beide in erster Linie Peavey, die EL34-Version des 6505-Topteils, und zwar schon seit fünf, sechs Jahren. Ich liebe diesen Verstärker einfach; ich habe ihn zum ersten Mal bei Gojira gehört und wollte ihn sofort ausprobieren. Josh verwendet live außerdem den Peavy Stealth 100W.
Gerade im zeitgenössischen Metal arbeiten mittlerweile viele Bands mit Profiling-Amps auf der Bühne. Warum ihr nicht?
Ich habe erst gestern mit einem Bekannten darüber gesprochen und ihm erklärt, dass ich ein Gewohnheitstier bin. Als alle auf digitale Geräte umgestiegen sind, fuhren wir immer noch mit einem Anhänger voller schwerer Verstärker und Boxen durch die Gegend. Das war noch zu der Zeit, als wir keine Roadies hatten, weshalb wir die Dinger auch selbst schleppen und aufbauen mussten. Trotzdem liebe ich ihren Sound und möchte nichts daran ändern. Im Zuge der Nostalgiewelle kehren aber lustigerweise gerade einige Musiker zu klassischen Amps zurück. Für mich stand ein Wechsel nie zur Debatte, weil ich es liebe, den Druck von hinten zu spüren, wenn ich die Saiten anschlage. Für Überseetouren stelle ich mir allerdings gerade ein leichteres Rig mit einigen digitalen Teilen zusammen, man kann ja nicht zentnerweise Zeug als Fluggepäck aufgeben.
Wie sieht es mit Effekten aus?
Wir benutzen viele Produkte von Universal Audio im Studio, die uns auch gebeten haben, ihren Amp-Simulator UAFX ANTI zu testen. Der eignet sich hervorragend, um schnell satte Rhythmus-Sounds abzurufen. Auf meinem Board haben ich zudem ein DigiTech Whammy, das für unseren Sound wichtig ist, ein Dunlop Kirk Hammett Wah, das Strymon Blue Sky Reverb und den ISP Technologies Decimator X G-String zur Rauschunterdrückung. Ich hatte lange Zeit Probleme mit Nebengeräuschen und sagte das meinem Gitarrentechniker, der mein Pedalboard zusammenbaute. Er versprach mir, sich darum zu kümmern; als ich das Ding schließlich einschaltete und himmlische Ruhe herrschte, konnte ich es nicht fassen. Ich habe eben eine Menge Effekte, was vielleicht auch daran liegt, dass ich auf Head von Korn stehe, der auf der Bühne auch ein Riesenbrett vor sich hat. Meine Sammlung wächst weiter, weil ich gern mit neuen Klängen experimentiere.
Okay, lass uns mit dem Thema Social Media zum Ende kommen. Folgt ihr da einer bestimmten Strategie, oder verwendet ihr Facebook und Co. eher intuitiv?
Letzteres. Ich gehöre jedenfalls nicht zu den Leuten, die irgendwelche Tänze auf TikTok aufführen. Es geht darum, Neuigkeiten mit den Menschen zu teilen, die unsere Musik mögen. Auf meinen privaten Kanälen poste ich schlicht Dinge, über die ich mich freue. Sie müssen aber mit Musik zu tun haben, und wenn ich nichts zu posten habe, suche ich auch nicht krampfhaft danach. Daraus folgt organisches Wachstum, und außerdem ist Social Media ein praktisches Medium, um Kontakte zu knüpfen. Die Band und ich werden wie von selbst bekannter, einfach weil wir authentisch und für die Fans greifbar sind. ●
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2025)