„Ich würde den Schaffensprozess bei Bring Me The Horizon als chaotisch bezeichnen …“
(Bild: Jackson Guitars / FMIC)
Die 2004 im englischen Sheffield gegründeten Bring Me The Horizon gehören zu den Bestsellern im Modern-Rock-Segment und haben bislang sieben Studioalben sowie zwei EPs veröffentlicht. Das Quartett mischt regelmäßig in internationalen Charts mit, verkauft Arenen aus, tritt in hohen Positionen bei Festivals auf und ist für seine stylischen Musikvideos bekannt, derer es mittlerweile fast 40 gibt. Mit ihrem Stil, der sich aus so gegensätzlichen Elementen wie Death Metal, Hardcore, elektronischer Musik und Post-Rock speist, wurde die Gruppe für Dutzende Awards nominiert – darunter zwei Grammys – und hat auch etliche davon gewonnen. An vorderster Front steht neben Sänger Oli Sykes Gitarrist Lee Malia.
In seiner Anfangszeit als Vollzeitmusiker spielte der 38-Jährige Ibanez-Gitarren, ehe er der Heaviness zuliebe zu den schwereren Instrumenten von Epiphone beziehungsweise Gibson wechselte, die sich auch besser für die alternativen Stimmungen eignen, die er verwendet. Viele Songs von Bring Me The Horizon wurden in Drop-A#- oder C-Standard-Tuning geschrieben, wofür seit einiger Zeit auch Bariton-Gitarren von PRS zum Einsatz kommen. Nun stellt Malia allerdings sein zweites Signature-Modell von Jackson vor, die Lee Malia LM-87, über die wir uns mit ihm neben anderen Themen rund um die Band im Rahmen eines Pressetages in London unterhalten.
(Bild: Jackson Guitars / FMIC)
Lee, 2022 hat dir Jackson bereits eine Soloist Custom aus der American-Serie gebaut. Was sind nun die wesentlichen Unterschiede zwischen diesem Modell und deiner neuen Signature-Gitarre aus der Pro-Serie?
Die alte Gitarre hatte einen klassischen Stratocaster-Korpus aus Erle, Griffbrett und Hals bestanden aus Ahorn. Das neue Modell ist der Fender Surfcaster nachempfunden und wurde komplett aus Okoume gefertigt, wobei der Hals dreiteilig und mit Grafit verstärkt ist, während das Griffbrett aus Amaranth besteht. Die beiden Seymour-Duncan-Humbucker der Soloist Custom haben wir durch speziell gewickelte Jackson LM-87-Tonabnehmer ersetzt, wobei man den Steg-Humbucker splitten kann.
Bisher hat man dich mit verschiedenfarbigen Gitarren gesehen, die neue ist hingegen schlicht in Schwarz gehalten.
Ja, mir schwebte eine Vintage-mäßige Optik vor, darum auch die offenporige Lackierung, bei der man die Maserung des Holzes noch erkennen kann. Das sorgt zusammen mit dem dreilagigen Schlagbrett und der verchromten Hardware für ein organisches Feeling.
Wie lange hat die Entwicklung der Lee Malia LM-87 gedauert?
Etwa drei Jahre, wir haben praktisch unmittelbar nach der Fertigstellung der Soloist Custom mit der Arbeit daran begonnen. Ich habe dem Team von Jackson meine Vorstellungen erklärt, und es hat sie umgesetzt. Bis die endgültige Version in Serie ging, bekam ich zwei Prototypen vom Custom-Shop gebaut, die ich zum Ausprobieren mit auf Tour nahm, um dann Anregungen für Verbesserungen zu geben.
Du sammelst auch Vintage-Gitarren, oder? Welche Modelle ragen besonders aus deiner Sammlung heraus?
Ich würde sagen, eine 1982er Gibson Victory MVX – das waren diese stark an Fender-Instrumente erinnernde Reihe – und eine 1979er Gibson The Paul. Ich habe außerdem eine Les Paul Artisan, die mit den drei Pickups. Sie inspirierte auch die Les Paul Custom, die Epiphone 2014 für mich baute. Ich spiele diese Sammlerstücke nur zu Hause und im Studio. Um sie mit auf Tournee zu nehmen und womöglich zu beschädigen, sind sie mir zu wertvoll.
Glaubt man Wikipedia, bist du auf kuriose Weise zur Gitarre gekommen.
Kann man so sagen, aber dass meine Eltern auch Musik machten, wie in dem Wikipedia-Eintrag steht, stimmt nicht. Mein Vater versuchte sich eine Zeit lang an einer Gitarre, gab es aber relativ schnell auf und ließ sie in meinem Kinderzimmer liegen. Ich hatte zunächst kein Interesse daran, begann aber doch ein paar Monate später, Musik und Classic-Rock-Bands für mich zu entdecken, aber auch Metal-Sachen wie Metallica. So fing ich an, mich fürs Gitarrenspiel zu begeistern. Zum nächsten Weihnachtsfest bekam ich Geld, von dem ich mir dann meine erste E-Gitarre kaufte, eine Strat-Kopie der Marke Falcon.
Du hast vor Bring Me The Horizon auch in einer Metallica-Coverband gespielt. Was ist dir beim Lernen der Songs besonders schwergefallen?
Zweifellos James Hetfields Downstrokes, die sind einfach Wahnsinn – vor allem wenn man bedenkt, dass sie die Songs gerade in ihren frühen Jahren live deutlich schneller spielten als auf Platte.
War das sozusagen deine einzige Schule, oder hattest du auch richtigen Gitarrenunterricht?
Ich nahm ungefähr zwei Jahre lang Stunden bei Frank White, der bei uns in Sheffield als Blues-Legende gilt. Er brachte mir die Grundlagen der Musiktheorie bei, erklärte mir Skalen und vor allem, wie man Ideen mithilfe von Akkorden weiterspinnt, was beim Songwriting sehr hilfreich ist. Bis dahin hatte ich auch nur Downstrokes gespielt, Frank zeigte mir schließlich den Wechselschlag.
Würdest du sagen, dass das deinen Musikgeschmack erweitert und den eklektischen Sound geprägt hat, der Bring Me The Horizon auszeichnet?
Sicher, obwohl ich neben traditionellen Sachen auch moderne höre, elektronische Musik und Ambient.
Stimmt, du hast zwei Filmsoundtracks komponiert, die in diese Richtung gehen. Wie kam das?
Der kanadische Regisseur und Drehbuchautor Adam MacDonald trat an mich heran, weil ihm die Ambient-Instrumentalparts gefielen, die wir bei Bring Me The Horizon haben. Konkret hat er das dreiminütige Instrumental ‚Memorial‘ von unserem dritten Album ‚There Is A Hell Believe Me I’ve Seen It. There Is A Heaven Let’s Keep It A Secret.‘ genannt. Auf alle Fälle schrieb ich dann den ganzen Score für den Horrorthriller ‚Pyewacket‘, der 2017 herauskam. 2024 folgte dann ‚Out Come The Wolves‘, und tatsächlich arbeite ich im Augenblick an der Musik zu einem dritten Spielfilm.
Komponierst du die Soundtracks auch auf der Gitarre?
Vorwiegend mit Keyboards und Synthesizern, es ist ja auch keine Rockmusik. Mir macht diese Art des Schreibens großen Spaß, weil sie im Vergleich zur Arbeit mit der Band recht unkompliziert abläuft. Ich bin dabei mein eigener Herr und muss keinen gemeinsamen Nenner mit anderen Musikern finden. In diesem Medium geht es ja darum, eine Stimmung oder Atmosphäre musikalisch einzufangen.
Wie gehst du dabei vor? Lässt sich das überhaupt in einem Arbeitsablauf vereinheitlichen?
Nein, aber es ist im Grunde genommen gar nicht so anders als herkömmliches Songwriting, wo du Emotionen vertonst und zusätzlich noch einen gesungenen Text hast.
Effekte, Songwriting und mehr auf Seite 2 …