„Ein bisschen Sex gehört einfach dazu. Das ist ein elementarer Bestandteil von Rock‘n‘Roll.“
(Bild: Badams Music)
Hochdotierte Plattenverträge, Multimillionen-Dollar-Videos, Privatjets und Platin-Alben – all das war gestern. Heute muss jeder Künstler – egal aus welchem Metier – schauen, wie er mit der neuen Spotify-Realität klarkommt.
Bryan Adams tut das auf seine Weise: Der 65-jährige gibt sich überraschend kämpferisch. Der Titel seines neuen Albums spricht denn auch Bände: ‚Roll With The Punches‘.
INTERVIEW
Bryan, ‚Roll With The Punches‘ steht für eine ganze Reihe von Neuerungen in deiner 45-jährige Karriere. Was ist passiert?
Ganz einfach: Jeder stellt sich irgendwann im Leben neu auf und überdenkt alles, was er bisher gemacht hat. Das hat nichts mit Midlife Crisis zu tun, sondern mit einer Anpassung an externe Veränderungen – etwa in der Musikindustrie, in der in den letzten Jahren wahnsinnig viel passiert ist. Darauf reagiere ich, indem ich dieses neue Album auf meinem eigenen Label veröffentliche – und das komplett unabhängig. Wenn sich jemand fragt, warum es „Bad Records“ heißt, dann nicht, weil wir da keinen guten Job leisten, sondern weil mein Spitzname in der Schule „Badams“ war. Also so etwas wie mein Gangstername. (lacht) Deshalb habe ich „Bad“ über die Jahre für viele verschiedene Sachen genutzt. Etwa für einen Newsletter namens „Bad News“, für den Musikverlag „Badams Music“ und vieles mehr. Von daher machte es einfach Sinn, das Label „Bad Records“ zu nennen. Und es ist die Heimat meines gesamten Musikkatalogs, weil ich alle Rechte daran zurückgewonnen habe, und da auf absehbare Zeit all meine Musik veröffentlichen werde. Wobei ich keine Ahnung habe, ob das tatsächlich so funktioniert, wie ich es mir vorstelle, aber ich lasse mich gerne darauf ein.
(Bild: Bruce Allen Talent)
Ein bewusstes Risiko?
Ja, weil es eine völlig neue Situation ist. Und: Es gibt keinen Plan, außer abzuwarten und zu schauen, was passiert. Also wie das erste Album läuft. Bislang habe ich nur einen einzigen Angestellten, der das mit mir zusammen stemmt. Es ist also nicht so, als ob ich ein Büro voller Leute hätte, sondern wir sind zu zweit. Und das ist allein deshalb aufregend, weil es so simpel ist – und so klein. Eben eine Boutique-Sache, die vor allen Singles und limitierte Vinyl-Editionen in winzigen Auflagen vertreibt.
Außerdem hast du dich von deinem Manager Bruce Allen getrennt – nach 44 Jahren. Wieso?
Wir hatten zum Schluss immer unterschiedlichere Ansichten, was gut für mich ist und was nicht. Und weniger Platten zu machen und nur noch mit dem alten Kram zu touren, war definitiv nicht das, was ich wollte. Von daher hatte ich das Gefühl, dass ich die Dinge besser selbst in die Hand nehmen sollte und das habe ich bislang – nach gut anderthalb Jahren – nicht bereut. Natürlich sind all diese Sachen auch in ‚Roll With The Punches‘ eingeflossen: Das Album zeigt exakt, wie ich mich gerade fühle und wo ich im Leben bin. Eben, dass ich ein paar Tiefschläge erlebt habe, aber auch, dass ich wiederaufgestanden bin und einen neuen, hoffentlich besseren Weg eingeschlagen habe. Da bin ich ganz ehrlich – mit Texten, die hoffentlich viele Leute ansprechen werden, weil sie sich damit identifizieren können. Schließlich erlebt jeder Tiefpunkte – und zieht hoffentlich Konsequenzen daraus.
Das sorgt in deinem Fall für eine rockigere, härtere Gangart, die an dein Frühwerk ‚Reckless‘ und ‚Cuts Like A Knife‘ erinnert.
Ich habe das zwar nicht so geplant, aber wenn es das Ergebnis sein sollte, wäre ich sehr zufrieden damit. Das einzige, worum es mir diesmal ging, war ein Album für die Bühne zu schaffen – eines, das sich gut in der Live-Situation macht. Das sich in mein Set einfügt und die Leute anspricht. Ansonsten versuche ich nur, mir selbst als Künstler treu zu bleiben und mich gleichzeitig als Musiker und Texter weiterzuentwickeln.
(Bild: Badams Music)
Was spielst du eigentlich auf dem Album – was Gitarren, Amps und Effekte betrifft? Unterscheidet sich das in irgendeiner Form von dem, was du für gewöhnlich einsetzt?
Nicht wirklich. Die meisten Gitarren, die ich auf diesem Album nutze, sind die, auf die ich immer zurückgreife – für alle meine Aufnahmen. Die einzige Neuerung ist meine alte Gibson ES-295, die ich vor ein paar Jahren erworben und jetzt zum ersten Mal im Studio gespielt habe. Einfach, weil ich das Gefühl hatte, dass sie gut passen würde. Ansonsten sind es immer dieselben Gitarren – und deren Anzahl ist überschaubar. Wobei mein Liebling ganz klar die Cherry Stratocaster ist, die ich seit den frühen 80ern habe. Sie kommt bei allen neuen Songs zum Einsatz.
Warum beschränkst du dich lediglich auf ein paar Instrumente?
Weil ich nicht mehr brauche. Ich bin ein Singer/Songwriter, der seine Musik mit der Gitarre interpretiert. Aber ich bin kein Gitarrist, dessen Job darin besteht, einen Song auszuschmücken bzw. werweiß-welchen-Sound zu kreieren. Das ist die Aufgabe von Keith Scott – meinem Gitarristen. Und deshalb variiert er oft seine Instrumente – um da einen speziellen Effekt zu erzielen. Ich dagegen bleibe bei den Gitarren, den Verstärkern und Effekten, die ich immer verwende. Von denen ich weiß, wie ich sie einsetzen muss und welches Ergebnis mir das bringt.
Was verwendest du in Bezug auf Amps?
Da habe ich einen Marshall-Combo, einen Marshall 50 Watt mit Cabinet und einen kleinen Fender. Früher habe ich vor allem den Vox AC30 benutzt, mittlerweile bin ich bei Marshall gelandet. Ich denke, die Kombination aus einer Fender oder Gibson mit diesem Amp ist einfach klassisch. Und was Effekte betrifft: Das einzige, was ich gerade einsetze, ist ein WahWah mit einem Treble-Booster. Manchmal verwende ich auch ein Distortion-Pedal, aber das ist mehr die Welt von Keith. Er kennt sich da besser aus als ich – also was Sounds betrifft. Die meisten meiner Gitarrenparts gehen einfach clean in den Verstärker und werden nur verzerrt, indem ich ihn aufdrehe.
Wie kommt es, dass Keith und du schon seit über 40 Jahren zusammenarbeiten? Worin besteht eure besondere Chemie?
Zunächst einmal sind wir musikalisch auf exakt demselben Level – was bedeutet, dass es uns wirklich leichtfällt, zusammenzuarbeiten. Und ich kenne ihn schon seit ich 16 bin. Wir hatten uns zufällig irgendwo getroffen und über die letzten Konzerte unterhalten, die wir – jeder für sich – besucht hatten. Dabei fiel uns auf, dass wir beide die Show von Deep Purple in Vancouver besucht hatten. Also meinte ich zu ihm: „Erinnerst du dich noch an den Typen, der sich die Gitarre gegriffen hat, die Ritchie irgendwann ins Publikum gehalten hatte?“ Und er: „Aber klar, das war ich.“ Seitdem ist er mein Held und mein Bruder. Ganz abgesehen davon ist er ein umwerfend guter Gitarrist.
Dann ist es die Leidenschaft für die Gitarrenhelden der 70er, die euch verbindet – für Ritchie Blackmore, Peter Frampton und Jimmy Page?
Keine Frage. Mein Background ist ganz klar 70s Rock – damit bin ich aufgewachsen. Genau wie mit dem ganzen Kram der späten 60er. Und was soll ich sagen: Diese Musik liebe ich noch immer. Daran hat sich nichts geändert. Und an meiner innigen Beziehung zu Keith erst recht nichts.
Wie wichtig ist er für deine Musik?
Essentiell. Im Grunde ist es immer so, dass ich nur für den Rhythmus sorge – dann lasse ich Keith von der Leine. Das fing an, als ich in den frühen 80ern erste Demos mit Jim Vallance aufgenommen habe und wir beide das Gefühl hatten, dass da noch etwas fehlen würde. Wir schauten uns an und sagten: „Lass uns Keith anrufen.“ Sobald er da war und seinen Beitrag dazu geleistet hat, wurde aus den Demos ein richtiges Album, einfach weil er so viel beigesteuert hat – und vor allem: so viel Gutes. Nämlich hier ein Gitarren-Solo, da einen atmosphärischen Part oder einfach ein cooles, kantiges Riff. Erst wenn ich Keith ins Studio hole, wird aus einer guten Idee ein richtiger Bryan-Adams-Song. Das ist wirklich so.
Im Performance-Video zum Titelstück greifst du allerdings nicht zur Gitarre, sondern zum Bass. Tust du das öfter?
Schon seit Jahren. Ich habe auf vielen meiner Alben Bass gespielt. Aktuell sind wir eine vierköpfige Band. Was bedeutet, dass ich während der Konzerte ständig zwischen akustischer Gitarre, E-Gitarre und Bass wechsle. Aus dem einfachen Grund, weil es mir Spaß macht – weil ich die Abwechslung genieße.
(Bild: Universal)
Schreibst du auch auf dem Bass oder fällt es dir beim Spielen leichter zu singen?
Ich halte den Bass ganz allgemein für ein wahnsinnig kraftvolles Instrument. Er ist bei etlichen Stücken entscheidend für den Groove und für das Tempo. Er ist das Instrument, das alles dominieren kann. Ganz abgesehen davon, liebe ich die Herausforderung, mehr als ein Instrument zu spielen. Ich möchte immer weiterkommen und mich immer weiterentwickeln. Und drei Instrumente am Abend zu spielen und bei allen eine gute Figur zu machen, gehört dazu. Ich genieße das sehr. Es sorgt dafür, dass Konzerte nie zur Routine werden, sondern immer etwas Frisches haben.
Zumal John Entwistle oder John Paul Jones bewiesen haben, wie wichtig das Instrument im Rock-Kontext sein kann?
Oh mein Gott – stimmt. Die Jungs waren und sind unglaublich. Eben sehr variabel und vielseitig. Sie haben den Sound ihrer Bands entscheidend mitgeprägt, wenn nicht den einer ganzen Generation. Ich habe viel Respekt vor ihnen.
Du bist dieses und nächstes Jahr wieder auf umfangreicher Welttournee – warum immer noch so viele Gigs? Bist du das Reisen, die Hotels und Flughäfen nicht langsam leid?
Nein, und das ist das Seltsame, aber auch Interessante: Es macht mir immer noch Spaß – was nicht heißt, dass ich nicht auch mal gerne einen freien Tag habe oder Zeit mit der Familie verbringe. Aber irgendwie ist es halt das, was ich tue. Und von daher stört es mich nicht, so viel Arbeit und Zeit darin zu investieren. Ich liebe meinen kleinen, privaten Zirkus. Ich möchte ihn nicht missen.
Also auf absehbare Zeit kein Kürzertreten?
Vorerst nicht. Und ich bin ja schon weit bis ins nächste Jahr gebucht – so einfach würde ich da nicht rauskommen. Selbst, wenn ich wollte.
Dann verrate uns doch, was uns bei den Hallenshows 2026 erwartet – inwiefern werden sie sich von den Open Airs in diesem Sommer unterscheiden?
Wir werden dann etliche der neuen Songs spielen. Welche, weiß ich noch nicht, weil sich das erst bei den Proben im Herbst herauskristallisieren wird – also welche da live am besten funktionieren. Aber wir werden garantiert nicht das ganze Album bringen, weil die Leute vor allem Stücke hören wollen, die sie auch kennen, die sie über die Jahre begleitet haben und auf die sie nicht verzichten möchten. Also alter Kram – und das verstehe und akzeptiere ich. Einfach, weil es mir nicht anders geht. Wenn ich mir ein Konzert anschaue, will ich Sachen hören, die mir etwas bedeuten. Und deshalb werden da zwar neue Stücke im Programm sein – sie werden aber definitiv nicht den Schwerpunkt bilden.
‚Summer Of 69‘ ist eines deiner bekanntesten Stücke – und einer deiner größten Hits. Viele Leute meinen, er wäre eine musikalische Hommage an deine Jugend – aber so ganz stimmt das nicht, oder?
(lacht) Was soll ich dazu sagen?
Geht es eigentlich um eine Sex-Position?
Oh, das ist ja kein Geheimnis, darüber habe ich schon oft gesprochen. Und es ist mir auch nicht peinlich – ich stehe dazu. Zumal: Ein bisschen Sex gehört einfach dazu. Das ist ein elementarer Bestandteil von Rock’n’Roll. Genau wie die eine oder andere Ballade. Ohne geht es nicht. Und das Interessante an dem Song ist, dass er damals – als er erschienen ist – kein wirklich großer Hit war. Das wurde er erst in den frühen 90ern – also Jahre später. In Deutschland war die höchste Chartplatzierung so etwas wie Platz 60. Aber heute hört man ihn überall – in jeder Kneipe. Was toll ist.
Was ist das für ein Gefühl, deinen eigenen Song in einer Bar oder im Radio zu hören?
Umwerfend! Eine der besten Sachen, die dir als Musiker passieren kann. Ich genieße das sehr. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, und das passiert, drehe ich richtig auf. So laut, wie es nur geht…
Kommt das öfter vor?
Wenn man gute Sender hört – ja. ●
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2025)