Im Interview

Benny Young: Der Neue im Panikorchester

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(Bild: Matthias Mineur)

Wenige Tage vor dem Treffen mit den Panikorchester-Gitarristen Jörg Sander und Zoran Grujovski erfuhren wir, dass Sander derzeit an einer hartnäckigen Handverletzung laboriert und bei den Konzerten deshalb nur zeitweise auf der Bühne steht. Damit dennoch sämtliche „Sander“- Parts der Show gewährleistet sind, hat Udo Lindenberg kurzerhand den Hamburger Benny Young als weiteren Gitarristen verpflichtet. Der 35-Jährige stieß unmittelbar vor Tourbeginn zur Band und zeigt seither allabendlich seine Extraklasse und seine große Bühnenerfahrung, die er sich unter anderem als langjähriges Mitglied der Helene Fischer Band erworben hat. Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt, Benny Young über sein überraschendes Engagement beim Panikorchester zu befragen und uns sein aktuelles Equipment anzuschauen.

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Benny, deine Nachnominierung für die aktuelle Tournee des Panikorchesters kam ausgesprochen kurzfristig, oder?

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Absolut. Ich habe in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai von Udo persönlich eine SMS bekommen, ob ich Bock hätte, mit ihm und der Panikfamilie auf Tournee zu gehen. Der Grund: Jörg hatte Probleme mit seiner Hand und konnte nicht die komplette Show spielen.

Kanntest du Udo persönlich?

Er war mal 2014 bei einer Show von meiner damaligen Band auf dem Hof der Hamburger Bullerei. Er kam wegen unserer Sängerin Stephanie Crutchfield, die er verpflichten wollte und die dann 2016 und 2017 auch tatsächlich bei ihm Backings gesungen hat. Bei dieser Gelegenheit hat Udo auch mich spielen gesehen.

Kanntest du viele Songs des Panikorchesters?

Natürlich kannte ich seine Radionummern, außerdem war ich 2015 bei einer seiner Stadionshows. Aber die meisten Stücke habe ich bei diesem Konzert tatsächlich zum ersten Mal gehört. Als ich die Songs jetzt für diese Tour gelernt habe, war es für mich eine große Bereicherung meines musikalischen Fundus. Ich habe die Stücke lieben gelernt und finde es richtig geil, sie jetzt auch selbst spielen zu können.

Gab es eine Audition, bevor du im Panikorchester aufgenommen wurdest?

Ja. Ich bekam vier Songs zugeschickt, habe sie gelernt, bin dann zum Vorspielen hingefahren und habe den Job direkt bekommen.

Um welche Songs handelte es sich?

Es waren ‚Ich mach mein Ding‘, ‚Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frauen‘, ‚Cello‘ und ‚Kompass‘. Ich bin zu den Proben des Panikorchesters ins Hotel Maritim nach Timmendorf gefahren und habe vorgespielt. Alles sehr kurzfristig, auch für mich, deshalb habe ich schon unmittelbar nach der Audition gesagt: „Ich muss heute noch wissen, woran ich bin, denn wenn ich einspringen soll, muss ich ab morgen die komplette Show üben.“ Alle waren einverstanden und ich bekam die Zusage.

Die Zusage, plus eine lange Liste mit Hausaufgaben, wie ich vermute.

Das ist richtig. (lacht) Ich bekam 29 Stücke, von denen ich nur bei zwei Klavierballaden nicht mitspiele. Die Songs gehen nicht straight durch, sondern haben viele Tonartwechsel und vor allem viele Riffs. Doch nach zwei Tagen konnte ich die Stücke spielen.

Nach nur zwei Tagen?

Ja, wobei: Bei einigen Stücken wusste ich, dass ich ohne meinen Spickzettel und der dazu passenden Gitarre im Regen stehen könnte. Aber am Ende hat alles sehr gut funktioniert und ich konnte in Timmendorf direkt mit in die Proben einsteigen.

Wie lernt man 29 Songs in nur zwei Tagen? Manch anderer könnte sich in zwei Tagen nicht einmal 29 Songtitel merken. (lachender Zwischenruf seines Kollegen Jörg Sander: „Das könnte ich auch nicht!“) Hast du dir Sheets gemacht?

Nein, ich habe die Stücke direkt auswendig gelernt. Ich habe in meiner Software Ableton die Spuren auf rot markiert, alles einmal durchgespielt, sie dann auf dunkelorange gestellt und mit jedem weiteren Durchlauf farblich verändert, bis irgendwann alles auf grün stand.

Was schätzt du: Wie oft hast du die für dich schwierigsten Songs insgesamt geprobt?

Ich tippe, dass ich ‚Honky Tonky Show‘ mit seinen vielen Kicks und Tonarten sowie das aus vier Songs bestehende Medley fünf bis zehn Mal durchgespielt habe, bis ich sie auswendig konnte.

Welches waren die für dich leichtesten Nummern?

Beispielsweise ‚Ich mach mein Ding‘ und ‚Cello‘, die ich sowieso schon im Ohr hatte, oder auch ‚Ratten‘ mit seinen AC/DC-ähnlichen Riffs.

Könntest du als absoluter Lindenberg-Neuling erklären, was das Besondere an seinen Songs ist? Gibt es eine charakteristische Lindenberg-DNA?

Nein. Ich finde, dass sich Udos Songs besonders durch ihre Vielfalt auszeichnen und von den unterschiedlichen musikalischen Phasen seines Lebens gekennzeichnet sind. Udo hat eben nicht 40 Jahre lang immer das Gleiche gemacht. Auch wenn das für mich in diesem Fall sicherlich einfacher zu lernen gewesen wäre. (lacht)

Musstest du dich mit Jörg, Zoran und Hannes Bauer bei der EQ-Einstellung deines Amps absprechen? Vier Gitarristen können sich frequenzmäßig schnell in die Quere kommen.

Nein, überhaupt nicht. Um den Gitarrensound habe ich mich sowieso erst nach dem ersten Gig gekümmert. Es wäre vielleicht anders gewesen, wenn ich über Jörgs Ersatz-Rig gespielt hätte. Aber mein Setup basiert auf meinen zwei Kempern, und das passte alles sehr harmonisch zueinander.

Hast du für die Konzerte mit dem Panikorchester gezielt abgestimmte Profiles erstellt?

Nein, ich habe viele von denen genommen, die von Michael Britt aus Nashville stammen und mit denen ich auch früher schon gespielt habe. Die meisten stammen von einem Marshall JTM 45. Als Solosound ist es allerdings mein eigener Marshall Plexi. Das Plexi-Profile hat ein Kumpel für mich erstellt.

Mit welchen Gitarren spielst du im Panikorchester?

Mit meinem regulären Setup. Das besteht aus meiner 2009/2010er Nik Huber Krautster 2 mit Häussel-Pickups, einer Gitarre im Les-Paul-Junior-Style mit einem Mix aus Mahagoni-Body und Ahornhals sowie einem P90 am Hals, der Stratähnliche Sounds ermöglicht. Die Krautster ist einzigartig, ein unglaublich spritziges Instrument, dessen Schlichtheit ich liebe. Die Krautster 2 war Niks persönliche Gitarre, die er mir erst nach ein paar Grappa verkauft hat (lacht). Ich habe sie bei ihm getestet und wollte dann keine andere mehr haben. Es ist meine einzige Gitarre, die weder gerelict noch alt ist. Ich habe sie im Neuzustand bekommen und einfach zerrockt, weshalb sie so aussieht, wie sie aussieht.

Nik Huber Krautster 2 mit Häussel-Pickups, Baujahr 2009/2010
Fender Strat 57 Reissue, Baujahr 1997
Ibanez AM200 BK Prestige, Baujahr 2017
Sigma SOMR-28, Baujahr 2014 mit LR Baggs Anthem

 

Von wann stammt deine Fender Strat 57 Reissue?

Von 1997, sie ist Made in Japan. Ich habe sie eigenhändig refinished und gerelict, mit den Farben Weiß, Gold und Daphne Blue. Die Strat ist in Es gestimmt, was für die Songs ‚Kompass‘ und ‚Hinter‘m Horizont‘ von Vorteil ist. Die Gitarre hat einen Master-Poti, den zweiten Poti habe ich als Blend-Poti umgelötet, wodurch ich den Neck-Pickup in jeder Tonabnehmerstellung hinzumischen kann.

Deine Ibanez AM200 BK Prestige hattest du schon auf einer früheren Tour mit Helene Fischer dabei, oder?

Das ist richtig. Ich habe sie zur 2017/2018er Tour von Ibanez bekommen und danach gekauft. Die Ibanez spiele ich, wenn der Sound mehr nach Rock‘n‘Roll anstatt nach Hard Rock klingen soll, da sie etwas luftiger als Solidbody-Gitarren klingt.

Bitte sag noch etwas zu deinen beiden Akustikgitarren!

Die Sigma SOMR-28 habe ich 2014 direkt vom Hersteller bekommen, dann gekauft und seither auf jeder Tour dabei. Eine fantastische Akustikgitarre, die ich für die Lindenberg-Shows mit einem LR Baggs Anthem ausgestattet habe, wodurch sie mehr nach Holz klingt, als dies nur mit einem Piezo der Fall wäre. Meine zweite Akustikklampfe, die Sigma JM-SG45, ist sozusagen das Backup, falls es mal Probleme mit der SOMR-28 geben sollte.

Ihr spielt mit In-Ear, richtig?

Richtig.

Wofür sind dann die Gitarrenboxen direkt unter euch im Bühnenkeller?

Wir nehmen gerne auch mal das In-Ear heraus. Udo verwendet nämlich kein In-Ear, sondern hat einen eigenen Monitormischer für seine Wedges. Insofern ist es fast egal, wo man steht, man hört beinahe überall alles.

Die Boxen unter der Bühne ergänzen das In-Ear-Monitoring (Bild: Matthias Mineur)

Udo hat kein In-Ear?

Nein, mag er nicht. Udo hat es auf Anraten unseres FOH-Mischers mal ausprobiert, auch aus Sicherheitsgründen, aber es gefiel ihm nicht. Jörg hat mir erzählt, dass Udo die Dinger gleich wieder rausgenommen und nur gesagt hat: „Das törnt nicht!“

Das heißt: Du hast immer eine Mischung aus In-Ear- und Bühnensound?

Ja, richtig. Das beeinflusst sich gegenseitig, zumal jede Halle ein wenig anders klingt. Genau dafür gibt es jeden Tag den Soundcheck, um diese Feinheiten aufeinander abzustimmen.

Kemper Profiler mit Remote und Expression-Pedalen

 

Letzte Frage: Bleibst du auch nach der Tour festes Mitglied des Panikorchesters? Wie ist da die Absprache mit Udo?

Ehrlich gesagt weiß ich das noch gar nicht. Aber ich fände es geil, soviel steht fest. Denn für mich ist es eine Riesenehre, hier zu spielen. Ich respektiere jeden Musiker, der mit auf der Bühne steht. Ich freue mich, mit Jörg zu spielen, den ich vom Hörensagen schon seit Jahren kenne. In der Band herrscht ein sehr angenehmes Klima, außerdem haben wir mit Steffi Stephan, Bertram Engel oder auch Jean-Jacques Kravetz echte Legenden an Bord. Ich stehe jeden Abend auf der Bühne, bin überhaupt nicht aufgeregt, habe einen Riesenspaß und genieße jede Minute.

Okay, allerletzte Frage: Gäbe es eine Alternative, wenn der Gig mit Udo nicht verlängert würde?

Ich habe ja immer schon alles Mögliche gemacht, und in der letzten Zeit auch so manches abgesagt. Zum Beispiel rief mich gerade heute der Manager von Helene Fischer an und fragte, ob ich für ein Konzert noch einmal zur Verfügung stehen würde. Ich habe ihm abgesagt, zumal ja eigentlich die komplette Band inklusive meiner Person rausgeworfen wurde. Keine Ahnung, was da gerade läuft. Eigentlich ist meine Schlagerzeit vorbei, auch weil dieser unschöne Rauswurf nicht ganz einfach zu verdauen war. Aber so ist das nun einmal als Berufsmusiker: Mal ist der Terminkalender rappelvoll, mal total leer. Ich habe früh gelernt, dass man entspannt bleiben kann, wenn mal ein, zwei Monate nichts läuft. Außerdem habe ich seit einem Jahr mit meinen Kollegen Hannes Kelch von Alligatoah, Jakob Nebel von Nico Santos und Chris Kaufmann von Truck Stop einen Gitarren-Podcast, der sich – in Anspielung und Hommage auf Spinal Tap – ‚elf‘ nennt und kostenlos auf Spotify zu finden ist. Er läuft zweimal pro Monat und hat derzeit eine hohe Priorität für mich. Mitunter haben wir auch Gäste, zum Beispiel war kürzlich Peter Weihe da.

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

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