Apropos: War die Alice Cooper Band eine wilde Truppe?
DD: Ich würde es nicht als wild bezeichnen, sondern als sehr kreativ. Wir haben viel Theater gemacht und versucht, uns bei jeder Show von anderen Gruppen zu unterscheiden. Bis Michael zu uns stieß hießen wir noch Spiders und waren eine Coverband. Doch Michael überzeugte uns, eigene Songs zu schreiben, womit Alice und ich dann wenig später tatsächlich begannen. Wir komponierten unter anderem ‚Don’t Blow Your Mind‘, der Song ging auf Platz 11 auf AM Radio in Tucson, Arizona. In manchen Nächten hatten wir eine Toilette auf der Bühne, schmissen Klopapier ins Publikum und wickelten Alice damit ein, so dass er wie eine Mumie aussah.
Vincent Furnier aka Alice Cooper (Bild: Jenny Risher)
In einer anderen Nacht klauten wir Fernsehgeräte aus dem Büro und stellten die ganze Bühne damit voll. Außerdem gab es dieses gigantische Spinnrad, das wir in allen erdenklichen Farben bemalt hatten. Oder wir hatten plötzlich Schwarzlicht auf der Bühne, wir nannten es ‚The Electrolucent Mind Machine‘. Aber waren wir wild? Nein, wir waren einfach anders als die anderen.
Und war die Alice Cooper Band damals eine in technischer Hinsicht gute Band?
MB: Irgendwie entwickelte sie sich. Anfangs ging es nur ums Feeling, wir hatten ja gerade erst angefangen, eigene Songs zu schreiben. Wir wollten unser eigenes Ding machen, so wie die Yardbirds, die wir liebten. Bevor ich zu den Spiders kam, waren sie die beste Coverband der ganzen Gegend, auch wenn ich den Begriff „Coverband“ in diesem Zusammenhang nicht mag. Sie waren wirklich gut, hatten vor der Bühne ein großes Netz mit Spinnen aufgespannt. Bei den Spiders war ständig etwas los, nicht nur musikalisch. Deswegen wollten die Leute sie immer wieder sehen, da alle gespannt waren, was wohl als nächstes passieren würde. Mir ging es ebenso, bevor ich in die Band kam.
DD: Damals spielten wir Lieder, die uns ein Discjockey, der unseren Clubbesitzer kannte, schon vor ihrer Veröffentlichung zur Verfügung stellte. Er hatte immer die neuesten Songs der Stones, die noch niemand kannte. Also haben wir sie gelernt und abends gespielt, so dass die Leute dachten, dass es unsere eigenen Songs sind. Ursprünglich hatte Glen bei uns das Sagen, doch dann kam Michael an Bord und plötzlich hatten wir einen kreativen Kopf und fingen an, eigene Stücke zu schreiben. Die waren ungewöhnlicher, avantgardistischer und ziemlich abstrakt, allerdings bei weitem nicht so tight und gut gespielt wie die Covernummern, was allerdings auch daran lag, dass wir unsere ersten Scheiben in nur zwei Nächten einspielen mussten, jeweils von Mitternacht bis Sonnenaufgang. Aber Michael brachte eine ganz andere Perspektive mit, ab da machten wir unser eigenes Ding.
MB: Wir zogen nach Los Angeles, und obwohl das für Musiker ein ziemlich raues Pflaster war und wir uns darüber im Klaren waren, dass wir unbedingt bessere Musiker werden mussten, bekamen wir mehr Gigs als die meisten anderen Bands, mit Ausnahme von den Byrds und den Doors. Wir waren halt als schräge Band verschrien, die sogar für Hollywood fast zu schräg war. Aber wir lernten schnell und passten uns in kürzester Zeit dem damals herrschenden Trend an. Und so wurden wir innerhalb weniger Jahre eine überaus erfolgreiche Band.
Ist von diesem Zeitgeist auch auf eurem neuen Comeback-Album etwas zu finden?
MB: Früher habe ich viele Songs über Boys und Girls geschrieben, und als sich der Zeitgeist änderte, kamen Themen wie LSD und anderen aufregende Dinge hinzu. Alice hatte damals ein unglaublich großes Vokabular, das hat sich bis heute nicht geändert. Von ihm stammt all das Fantasy-Zeugs, dem wir musikalisch folgten.
DD: Im Grunde genommen lief es jetzt genauso wie damals: Wir waren bei den Aufnahmen mit der gesamten Band im gleichen Raum und verfolgten alle das gleiche Ziel. Jeder hatte ein Mitspracherecht, aber das letzte Wort hatte natürlich unser Produzent Bob Ezrin. Es lief also ziemlich genau so, wie wir es immer gemacht haben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass dieses Album abwechslungsreicher ist.
MB: In den frühen Siebzigern produzierten wir zwei Alben pro Jahr, daher hatten wir immer nur so viele Songs parat, wie wir für die jeweilige Scheibe brauchten. Diesmal hatten wir dagegen etwa 70 Nummern und konnten die besten auswählen. Aber die Energie und unser Humor sind gleichgeblieben. Aber einen entscheidenden Unterschied gibt es doch: Alice ist mittlerweile ein echter Gentleman, und auch wenn er zwischenzeitlich zum Hollywood-Vampir wird, trinkt er nur dann Blut, wenn es unbedingt sein muss, hahaha. ●