„Ich habe Keith Richards immer schon bewundert, für mich ist er ein Held …“
50 Jahre Southern Rock: Lynyrd Skynyrd-Gitarrist Rickey Medlocke im Interview
von Matthias Mineur,
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(Bild: L Paul Mann/Shutterstock)
Mit Gary Rossington ist nicht nur dein Bandkollege, sondern auch einer deiner besten Freunde gestorben, nicht wahr?
Wir waren schon als Teenager befreundet, haben zusammen überall in Jacksonville gespielt, ich konnte mir keinen besseren Freund vorstellen. Wir waren wie Brüder. Ich bin unendlich dankbar, dass ich seit ihren Anfangstagen in einer so ikonischen Band spielen und bis heute dabei sein darf. Schon als ich zwischen Frühjahr 1971 und Herbst 1972 ihr Drummer war, wusste ich, dass Lynyrd Skynyrd eine unglaubliche Karriere machen werden. Und als ich die Entscheidung fällen musste, die Band zu verlassen und mein Ding als eigenständiger Musiker durchzuziehen, erklärte mir sogar mein Großvater, dass ich von nun an wohl damit leben müsse, nicht mehr länger Teil von etwas wirklich Großen zu sein. Zum Glück rief mich Gary 1996 an, um mit mir als Gitarristen die Band wieder auf die Beine zu stellen.
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Als ich Lynyrd Skynyrd Mitte der Siebziger mit ihrem Album ‚Nuthin’ Fancy‘ entdeckte, gab es drei oder vier weitere wichtige Southern-Rock-Bands, darunter die Allman Brothers, Molly Hatchet und natürlich deine Blackfoot. Kannst du mir sagen, was Lynyrd Skynyrd von diesen Bands unterschied?
Ich bin ehrlich zu dir: Ich glaube, dass es die Songs sind. Ronnie war ein unglaublicher Textschreiber mit ehrlichen und lebensnahen Themen. Ich habe immer schon gesagt, dass er ein echter Southern-Rock-Poet war, so wie ich ihn auch immer genannt habe. Wenn ein erst 25-, 26- oder 27-jähriger Typ so richtig in Fahrt kommt, dann ist er wie ein 81-jähriger Dichter in einem jungen Körper. Ronnie hatte ein unglaubliches Verständnis für Songwriting und einen wahnsinnig guten Weitblick. Man sagt, wenn eine Familie ein Genie hervorbringt, hat sie ihre Sache gut gemacht. Ronnie war ein solches Genie, wenn es darum ging, Songs zu schreiben, Anführer zu sein, die Band zusammenzuhalten. Er war einfach phänomenal. Für mich war es eine große Ehre, mit ihm arbeiten, Seite an Seite auf der Bühne stehen und ihn Freund und Bruder nennen zu dürfen. Das sind Erinnerungen, die ich nie vergessen werde.
War deine Beziehung zu Blackfoot früher dieselbe wie zu Lynyrd Skynyrd?
Eine Zeitlang war es tatsächlich so, da waren Blackfoot eine Bruderschaft. Doch leider forderten einige negative Aspekte des Musikgeschäfts ihren Tribut.
Inwiefern?
Es gab Probleme, da einige das Gefühl hatten, sie bekämen nicht das, was ihnen zusteht. Wenn so etwas passiert, ist das nie gut für eine Band, denn dann ist es schnell aus und vorbei. Man sieht das immer wieder, auch bei anderen Gruppen. Eine Zeitlang waren wir eine richtig gut laufende Maschine, wir hatten Hits, ein tolles Publikum und viele Fans. Leider fand all das ein jähes und sehr turbulentes Ende, was ich persönlich sehr traurig fand. Heutzutage schiebe ich diese Erinnerungen weit weg von mir und denke möglichst wenig daran. Es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen, aber ich tue das nur, wenn ich explizit danach gefragt werde.
Inwieweit hast du in den zurückliegenden knapp 30 Jahren als Gitarrist der Band ihre Musik beeinflusst. Hat sich dein Spielstil verändert? Zusammengefasst: Hast du Lynyrd Skynyrd verändert?
Nein, ich glaube nicht, denn als ich 1996 zur Band zurückkam, wollte Gary, dass ich die Parts, Rhythmen und Leads von Allen Collins spiele (Anm. d. Verf.: Collins war seit seinem Autounfall im Jahr 1986 gelähmt und starb 1990). Übrigens spiele ich die exakt gleiche Gitarre wie Allen, eine Gibson Explorer. Gary erklärte mir, dass mein Spiel dem von Allen sehr nahekommt, kein Wunder, ich hatte früher mit ihm gespielt, war sein Freund und sein Bandkollege. Vom ersten Tag an habe ich meine Rolle bei Skynyrd geliebt, denn ich wusste genau, wie Allen gespielt hätte, da ich ja all die Jahre seine Songs gehört hatte. So gesehen hatte ich die perfekte Starthilfe. Ich werde immer wieder gefragt, welcher Song besonders schwierig zu lernen war. Alle tippen auf ‚Free Bird‘, aber ich sage stets, dass es für mich der leichteste Song war, da ich bereits sämtliche erforderlichen Licks kannte, ich musste sie nur noch in die richtige Reihenfolge bringen. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich zum ersten Mal mit Lynyrd Skynyrd ‚Free Bird‘ probte. Wir spielten die Nummer sofort komplett durch, und als wir ans Ende gekommen waren, schauten mich die anderen nur an und riefen „Wow!“ Zuerst schüttelte mir Leon die Hand, dann Billy, und dann kam Gary zu mir und sagte: „Unglaubliche Leistung, Rickey, toll gemacht!“ Ich konnte es also sofort, genau so läuft es nun schon seit dreißig Jahren.
Zwei der drei Skynyrd-Gitarristen: Mark Matejka & Rickey Medlocke (Bild: Randy Miramontez/Shutterstock)
Und was wäre deine Antwort auf die Frage, welches der schwierigste Song war?
Ehrlich gesagt kann ich dir diese Frage nicht beantworten. Da ich alle Nummern jahrelang gehört hatte, war keine von ihnen schwierig. Allen hat eine Menge interessanter Rhythmen eingebracht, die zwar nicht wirklich schwierig zu spielen, aber unfassbar spannend sind. Ich bin sehr stolz und fühle mich geehrt, sie spielen zu dürfen.
Ist denn mein persönlicher Lieblingssong ‚Saturday Night Special‘ schwierig zu spielen?
Nein, nicht wirklich. Natürlich muss man die Akkordfolge und die Tonlage kennen. Aber ich besitze ein gutes Gehör und habe die Songs allein durchs Hören gelernt. Übrigens hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie Gitarrenunterricht, außer bei meinem Großvater. Und was andere Gitarristen angeht: Ich habe zwei Gitarrenhelden, eigentlich sind es mehr, aber George Harrison und Eric Clapton ragen heraus. Ich bewundere auch Jimi Hendrix und Jimmy Page, und besonders Jeff Beck, aber die beiden, die mich am meisten beeinflusst haben, sind Harrison und Clapton.
Kannst du erklären, was Lynyrd Skynyrd von dir gelernt haben und was du von der Band gelernt hast?
Ich bin mir nicht sicher, ob sie etwas von mir lernen konnten, aber sie haben mir den Respekt erwiesen, mich zu akzeptieren. Johnny und ich setzten uns zusammen und Johnny hörte sich meine Ideen an. Aber was ich auf jeden Fall von ihnen gelernt habe, ist die Bandperspektive und wie wichtig die Songs nicht nur für die Musiker, sondern auch fürs Publikum sind. Als ich zurückkam, war ich der gleiche Typ, der ich noch immer bin. Ich liebe es, als Mitglied einer so ikonischen Band wie Skynyrd immer noch dabei zu sein. Ich habe Keith Richards immer schon bewundert, für mich ist er ein Held, der als mittlerweile 81-Jähriger immer weitermacht. Deshalb sage ich mir: Wenn Keith Richards das kann, kann Rickey Medlocke das auch. Und wenn die Rolling Stones das können, können Lynyrd Skynyrd es auch.
Die Rolling Stones haben sogar noch ein neues Studioalben veröffentlicht. Werden wir das auch bei Lynyrd Skynyrd erleben?
Johnny und ich haben tatsächlich darüber gesprochen und denken darüber nach. Wir haben circa 20 bis 25 Songs in der Schublade, die noch nie aufgenommen wurden und teilweise sogar noch von Gary stammen. Ich kann also allen nur raten: Haltet die Augen offen! ●
Ein neues Lynyrd Skynyrd Album wäre allerdings sehr cool !!!