Gratulation zum Firmenjubiläum!

25 Jahre Tube Amp Doctor

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(Bild: Udo Pipper)

Dass ausgerechnet ich zum niederschreibenden Gratulanten erkoren wurde, ist schon beinahe eine Ehre. Mit der Kundennummer 111111 gehöre ich vermutlich zu den ersten Rechnungsempfängern der Wormser Verstärkerklinik, die in diesem Jahr ihr fünfundzwanzigstes Jubiläum feiert. Daher fällt es mir auch leicht, meine Befangenheit zuzugeben und einfach mal einen herzlichen Glückwunsch zu entrichten!

Anfang der Neunziger herrschte europaweit Aufbruchsstimmung. Die Mauer war endlich weg und die Staaten der alten Welt schienen sich endlich friedlich in den Armen zu liegen. Für die Liebhaber der guten alten Röhrentechnik versprach diese Zeit aber noch eine ganz andere Zukunftsvision.

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Der geöffnete Vorhang zwischen Ost und West machte endlich den Weg frei zu den zahlreichen Röhrenfabriken, die, teils aufgrund der politischen Verhältnisse in der ehemaligen DDR, in der ehemaligen Tschechoslowakei, in Russland und natürlich im fernen China, beinahe schon brach lagen.

Brauchten wir Röhren, mussten Gitarristen und Hersteller auf die schon damals teuren NOS-Produkte oder die einzig noch erhältliche Pentode von Sovtek 5881 zurückgreifen.

Ich weiß noch, wie mir Thomas Reußenzehn, der deutsche „Father of Loud“, damals erschüttert vom Ende des Röhrenzeitalters berichtete. Doch das sollte sich ändern.

Nicht nur Groove-Tubes-Chef Aspen Pittman steckte den Kopf durch die kleine Tür unseres Frankfurter Tonstudios und schwärmte von seiner Schatzsuche hinter dem Eisernen Vorhang, nein – auch in Rheinlandpfalz beschloss ein junger Student sich mal „nach Möglichkeiten umzusehen“.

(Bild: Udo Pipper)

Die frühen Tage

Die Rede ist von Andreas Hecke, der damals noch nicht ahnte, dass er mal ein Firmengebäude von 1100 Quadratmetern errichten würde, in dem es alles gibt, was das Herz von Röhren-Amp Liebhabern höher schlagen lässt.

„Ich wollte anfangs einfach nur Ersatzteile für meine alten Tweed-Amps auftreiben“, erinnert er sich.

„Das ‚Gewusst wie‘ kann man sich ja aneignen, aber ich musste mich auch dem ‚Gewusst woher‘ widmen, da viele der typischen Bauteile im regulären Elektronikhandel nicht erhältlich waren.“

Also begab auch er sich auf die Suche.

„Das war noch vor der Zeit von Internet und E-Mail. Ich musste Faxe und Briefe schreiben, telefonieren und mühsam neue Kontakte aufbauen.“

Doch schon bald eröffnete er einen kleinen Röhren-Shop in der Nähe von Worms, in den auch ich schon früh hereinstolperte. Die Adresse hatte ich von meinem Musikhändler in Frankfurt.

Ungefähr im Gründungsjahr 1993 fand ich bei Andreas Hecke genau das, was ein „learning by doing“-Verstärker- Schrauber suchte: Tolex für alle verschlissenen Fender-, Marshall- oder Vox-Verstärker, Kondensatoren, die begehrten Kohlepress-Widerstände, Verstärkergriffe, alle möglichen Schrauben und Beschläge und natürlich Röhren!

Andreas wurde für mich nicht nur Lieferant, sondern auch Lehrer und Berater. Immer, wenn ich nicht weiter wusste, konnte er helfen. Am Telefon begann das stets mit seiner fast sprichwörtlichen Bemerkung:

„Du weißt ja, schlechten Menschen geht’s immer gut.“

In Worms gab es auch Humor, Gemütlichkeit und einen Sinn für eine kulinarische Mittagspause.

Das Unternehmen wuchs aufgrund seiner Spezialisierung schnell. Schon ab 1992 trat man mit eigenem Stand auf der Frankfurter Musikmesse in Erscheinung. Ein Umzug in größere Räumlichkeiten folgte bald. Andreas hatte vor allem Bedarf nach einem größeren Lager.

1993 wurde die GmbH unter dem Namen „Tube Amp Doctor“ gegründet.

Ein Teil des achtzehnköpfigen Teams (Bild: Udo Pipper)

Qualitätssicherung

Andreas wusste nur zu gut, dass den von ihm bevorzugten Röhren-Herstellern aus China zunächst Know-How und Ideen zufließen mussten. Er wurde nicht müde, etablierte Designs durch seine Vorschläge zu bereichern:

„Möchte man klassische Röhren-Designs herstellen, ist es wichtig, dass sie nicht nur so klingen wie die alten Vorbilder, sondern auch so aussehen.“

Und diese Vorbilder boten zweifelsohne die legendären Glaskolben etwa von RCA, Sylvania, General Electric, Philips oder Tungsol. Da der New-Old-Stock-Markt während der Neunziger stark schrumpfte, mussten neue Produkte her, die den Vorbildern in möglichst jedem Detail ähnelten.

Ein Teil der berühmten TAD Eigenentwicklungen als Showcase (Bild: Udo Pipper)

Zunächst geschah dies durch die Lizenzierung der US-amerikanischen Marke „Ruby“, aus der sich in den Folgejahren eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickelte. Andreas brachte seine Technologie in diese Allianz mit ein. Die eigens entwickelten Röhren trugen daher zunächst noch den Typennamen „Ruby-Tubes“.

2003 beschloss der amerikanische Partner allerdings, die Röhrenprüfung und Qualitätssicherung der Produkte komplett nach China auszulagern. Andreas erinnert sich an seinen Widerstand gegen diese Entscheidung:

„Wir wollten Prüfung und Qualitätssicherung unbedingt im eigenen Haus behalten. Daher führte diese Entscheidung schließlich zur Trennung von Ruby Tubes.“

Seither firmierte Andreas unter dem Namen Tube Amp Doctor oder mit zum Firmenembleme entwickelten Kürzel TAD. Die Entwicklung und Qualitätskontrolle wanderten fortan in die alleinige Verantwortung von TAD. Nur für bestimmte Bauteile war man noch auf Zulieferer angewiesen.

„Die Suche nach zuverlässigen und technisch hochwertigen Lieferanten ist bis heute das Herzstück meiner Arbeit“, erklärt der Firmengründer.

„Besonders bei Röhren kämpfen wir seit jeher mit hohen Schwankungen seitens der Symmetrie, Leistung oder Mikrofonie. Das war und bleibt das größte Problem bei dieser Technik.

Wir verstehen es als unsere Kernaufgabe, diese Schwankungen durch sorgfältige Prüfungen abzufedern und damit unseren Kunden eine gleichbleibend hohe Qualität liefern zu können.“

Eine von mehreren Röhren-Prüfstationen (Bild: Udo Pipper)

Daher spezialisierte sich das Unternehmen auf zum Teil selbst entwickelte Prüfverfahren, die diese Schwankungen auf ein Minimum reduzierten. Sämtliche Röhren werden nach der Ankunft im Unternehmen aufwendig geprüft:

„Es geht darum, nicht nur eine tadellose Funktion sicherzustellen, sondern auch die Kenndaten jeder einzelnen Röhre zu ermitteln. Diese Daten werden dann verwendet, um aus Chargen von ca. 400-500 Röhren Paare und Quartette mit minimalsten Toleranzen herauszufiltern. Es gibt auch Anwendungen, für die wir Sets aus 6, 8, 12, 16 und sogar 24 Röhren matchen.

Im Vorstufenbereich haben wir ‚Premium Selected‘-Typen und im Prüfverfahren noch aufwendiger ermittelte ‚Premium Highgrade‘-Typen speziell für die empfindlichen Eingangsstufen (V1) bei Gitarrenverstärkern, aber auch für Röhrenmikrofone und HiFi-Phono-Preamps. Auf den Endstufenröhren werden die Kenndaten auf einem Aufkleber gedruckt. So können Kunden nach einem Verschleiß beispielsweise eine Röhre mit den gleichen Kenndaten kaufen.“

Egal ob für Hifi-Verstärker oder Einsätze in einem Gitarren-Amp verfocht Andreas die enorme Bedeutung von gut gemachten Röhren-Sets, die den Push-Pull-Betrieb der meisten Röhrenverstärker optimierten. Bei diesem Thema könnte man ihn ohne Weiteres als Vorreiter bezeichnen.

Durch die persönliche Einflussnahme des Firmengründers auf die TAD Röhren-Designs und das langjährig entwickelte Prüfverfahren, versteht man sich in Worms nicht nur als Vertrieb, sondern auch als Hersteller.

„Zahlreiche Produkte, die wir anbieten, lassen wir nach unseren Vorstellungen und Angaben herstellen. Die würde es in dieser Ausführung ohne uns praktisch gar nicht geben.“

Amp-Bausätze & Zubehör

Dazu gehören mittlerweile die bekannten Bausätze berühmter Verstärker-Klassiker der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Im hauseigenen Showroom können diese Bausätze spielbereit getestet werden.

Die Idee dazu rührte aus dem eigenen Verstärker-Museum, für das Andreas seit drei Jahrzehnten seltene Schätze zusammenträgt und natürlich auch restauriert. Die alten Originale dienen dabei natürlich als Vorbilder.

Um den „alten Klängen“ so nahe wie möglich zu kommen, wurden mit verschiedenen Partnern Transformatoren entwickelt, ebenso die TAD Paper-in-Oil-Kondensatoren, TAD Reverb-Cans oder der Range-Master-Power-Booster, der Silencer Power Attenuator, die TAD Class A Converter und der Bias-Master, ein praktisches Gerät, um den Ruhestrom zu messen. Die meisten dieser Tools wurden nicht nur im eigenen Haus entwickelt, sondern werden dort auch seit jeher gefertigt.

Seit 2003 gehören dank einer Kooperation mit dem amerikanischen Hersteller Mojo-Tone auch die Verstärker- und Lautsprechergehäuse sowie die Pickup-Systeme aus gleichem Hause dazu. Den Vertrieb von Lautsprecher-Klassikern wie Jensen, Celestion oder Fane hatte man sich ebenso gesichert wie Tolex, Bespannstoffe und zahlreiche andere Verstärkerbauteile.

Verstärker-Tolex in allen Farben
Jensen-Lautsprecher im Lager

Seit 2004 ist das Unternehmen daher auch regelmäßig als Aussteller auf der NAMM Show in Kalifornien vertreten. Der Produkt-Katalog von TAD fand somit auch Verbreitung und Bekanntheit in den USA.

Die TAD Premium-Röhren bleiben aber nach wie vor das Kerngeschäft. Neben Marshall bauen mittlerweile weltweit namhafte Verstärker-Hersteller diese Röhren serienmäßig in ihre Produkte ein. Es gibt kaum noch Länder, in die TAD nicht liefert.

Hier werden die Pakete für den Versand gepackt. (Bild: Udo Pipper)

Daneben fungiert das Unternehmen unter der Federführung von Chef-Techniker Stephan Mayer auch als Anlaufstelle für Amp-Reparaturen und -Modifikationen. Auch individuelle Sonderwünsche seitens der Gehäuseausführungen werden bedient.

Technik-Master-Mind Stephan Mayer in seiner Werkstatt (Bild: Udo Pipper)

Den Blick nach vorn

Vor gut zehn Jahren wagte Andreas Hecke, der sich sein Kapital stets selbst erarbeiten musste, den nächsten Schritt und baute ein neues Firmengebäude vor den Toren von Worms. Auf insgesamt 1100 Quadratmetern arbeiten zurzeit 18 Mitarbeiter im Unternehmen.

Und schon wieder sind die Lagerhallen prall gefüllt. „Platzbedarf ist immer“, schmunzelt Andreas. „Wir haben immer noch Ideen für neue Produkte und bauen das Sortiment ständig aus. Auf dem vergangenen Guitar Summit in Mannheim durften Hobbyisten unter Anleitung von Stephan Mayer etwa ihre eigenen Bausätze zusammenlöten. Solche Ideen suchen ihresgleichen.“

Die eigenen Tweed Bausätze im Showroom sind stets spielbereit. (Bild: Udo Pipper)

Und trotz der digitalen Revolution, die auch im Verstärkerbereich immer mehr Einzug hält, blickt man in Worms optimistisch in die Zukunft:

„Man spürt schon, dass sich die Schwerpunkte verlagern. Da wir aber im Verstärkermarkt im Bereich der Klassiker agieren, wächst unser Klientel zwar langsamer, aber umso stetiger.

Vielleicht gibt es immer weniger Gitarristen, die Röhrenverstärker benutzen, dafür steigen jedoch die Ansprüche derer, die dabei bleiben“, resümiert er.

„Auch die Hifi-Branche ist mittlerweile ein wichtiger Markt für uns geworden. Hier gibt es eine anspruchsvolle Kundschaft, die weiterhin auf Röhrenprodukte setzt.“

Es gibt, selbst global betrachtet, nur sehr wenige Unternehmen, die so hochspezialisiert und gleichzeitig mit solch einem reichhaltigen Sortiment am Markt präsent sind.

Daher wird der Tube Amp Doctor auch in Zukunft bei Gitarristen und Amp-Technikern weltweit ein maßgeblicher Begriff sein. Aus dem deutschen Markt ist das Unternehmen jedenfalls nicht mehr wegzudenken.

Wir wünschen alles Gute für die mindestens nächsten fünfundzwanzig Jahre!

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2024
Gitarre & Bass 2/2024
IM TEST: Charvel Pro-Mod So-Cal HSS +++ Engl E670FE Special Edition +++ Ortega Guitars Tour Player +++ Ampeg Venture V3, VB112 und VB115 +++ Ibanez Iceman IC420FM +++ Walrus Audio Fable +++ Meta Guitars Veil Bass +++ Fender CS Early 55 Strat Trem & Hardtail +++ Lakland Skyline Decade

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Schön geschrieben Udo ! Ich war einmal dort, und habe mit und ohne Stefan einen halben Tag in Werkstatt und Testraum verbracht. Super Typ, der viel Ahnung hat und immer beratend zur Seite steht. Super Team, alles wunderbar und familiär dort. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich einen Termin nehmen und mal dort die hervorragenden Amps testen. Am besten im Vergleich mit seinem eigenen und seiner “Lieblings” Gitarre. Das Ergebnis war, das ich jetzt einen TAD Princeton mein eigen nennen darf. Viele schimpfen über die relativ hohen Preise, aber es ist eben komplett handverlötet (Egal ob man ihn dort bauen lässt oder wo anders) und die Zutaten sind eben perfekt abgestimmt und oldschool. Und wenn man nicht löten kann-so wie ich-unbedingt machen lassen, es ist kein Lego-Technik-Spielzeug. Die paar Euronen mehr im Vergleich zu einem Platinen-Produkt sollte man sich gut überlegen. Auch wenn dann nicht der große Name aus Übersee auf dem Tolex plankt. Es ist es -mir- wert ! Glückwunsch und weiter so !

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    1. gefält mir weiter soooo…

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  2. TAD und Stephan…. match made in heaven! Ich habe das Glück in der Nähe zu wohnen, kann den Laden und seine Werkstatt nur empfehlen. Wer meint seinen Amp zu kennen und alles zu wissen, wird hier aufgeschlaut.. und das in supernetter, nicht arroganter Art und Weise. Danke Stephan.

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