Mehr geht kaum

Volles Haus: Engl E670FE Special Edition im Test

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(Bild: Dieter Stork)

KLANG

Bemerkenswert ist zunächst, dass der Verstärker in der 12-UhrStellung der Regler sofort gut klingt. Das ist nicht selbstverständlich. Auch die Lautstärkeregelung funktioniert gut, sodass man auch bei Zimmerlautstärke arbeiten kann, wenn man den Presence-Regler etwas höher stellt. Generell deckt Engl hier ein sehr breites Klangspektrum ab. Zwei Clean-Kanäle, Crunch und zwei High-Gain-Kanäle mit hohen Reserven – allesamt klanglich überzeugend und eigenständig, dazu mit angenehmen Spielgefühl.

Der allgemeine Grundcharakter ist modern und schnell, mit einem kräftigen Fundament in den Bässen, einem gesunden Mittenspektrum und offenen, aber nicht bissigen Höhen. Gleichzeitig klingt der Amp weniger roh, direkt und dynamisch als ein alter Marshall. Er liefert auch nicht die böse Kombination aus Bassdruck und aggressiven Höhen eines Rectifiers. Die verzerrten Sounds sind durchaus straff, fühlen sich aber anders an als bei einem Fryette bzw. VHT oder einem Boogie aus der Mark-Serie – hier ist mehr Kompression im Spiel.

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Der Clean-Kanal ist schlank und perkussiv eingestellt. Wunderbar für perlende Sounds, besonders mit Single Coils, wobei der Bright-Schalter für meine Begriffe etwas über das Ziel hinausschießt. Mit kräftigen Humbuckern hingegen gerät der Kanal selbst bei niedrigen Gain-Einstellungen zu schnell in die Zerre. Umgekehrt erreicht man mit diesem Kanal bei eingeschaltetem Gain Boost bereits einen kräftigen, satten Crunchsound, den ich als moderne Hardrockvariante bezeichnen würde – eine erste Überraschung. Der Crunch-Kanal übernimmt quasi nahtlos und erweitert die Gain-Reserven deutlich. Als gewinnbringend empfinde ich dabei den Mid-Shift-Schalter, der in diesem Frequenzband für zusätzliche Fokussierung sorgt. Mit Gain Boost kann man mit diesem Kanal durchaus klassischen Heavy Metal spielen. Dabei klingt es gleichermaßen aufgeräumt und füllig im Bass, ohne dass man die Schaltfunktionen Mega Low Punch (für die Vorstufe) und Depth Boost (für die Endstufe) bemühen müsste.

Hauptkaufargument für die harte Fraktion dürfte der Kanal Lead 1 sein, dem sich High-Gain-Sounds aller Art entlocken lassen, die sich vor allem für Rhythmusarbeit eignen. Hier gibt es das volle Metal-Brett, wie man es von Engl kennt: Modern mit guter Artikulation, schneller Ansprache und schnittig. Gain-Reserven sind reichlich vorhanden, vor allem wenn man mit dem High-Gain-Schalter eine weitere Gain-Stufe zündet. Der Bassbereich ist wieder voluminös. Wem das noch nicht reicht, der kann mit Mega Low Punch und vor allem Depth Boost den Tiefbassdruck noch einmal nachhaltig steigern. Zwei weitere Regler beeinflussen den Mittenbereich: Contour sorgt für eine Absenkung der tiefen Mitten. Nicht unbedingt mein Geschmack, aber für Scooped Sounds genau richtig. Ich bevorzuge die Option Mid Edge, die die oberen Mitten anhebt und für mehr Durchsetzungsvermögen sorgt.

Lead 2 ist wärmer und dunkler abgestimmt. Hier findet man eher Solosounds als straffe Rhythmussounds. An dieser Stelle spielt der Verstärker die Stärke eines zweiten Presence-Reglers aus. So kann man diesem Kanal mit mehr Höhenanteil zusätzlichen Biss verleihen.

Schließlich gibt es übergreifend für alle Kanäle die Option Modern/ Classic, die den Klang nochmals ziemlich umkrempelt. Bisher habe ich immer die Modern-Variante beschrieben. Das Classic-Voicing entschärft den Höhenbereich und auch gefühlt den Druck, mit dem der E670FE nach vorne drängt. Im direkten Vergleich ist mir diese Abstimmung zu dunkel, was sich wiederum mit dem zweiten Presence-Regler beheben lässt. Persönlich kann ich dieser Klangvariante jedoch wenig abgewinnen, da weder der Bass aufgehellt noch die Direktheit verbessert wird. Lediglich die Dynamik wird verbessert, ist aber nach wie vor keine besondere Stärke des E670FE.

Generell muss man den voluminösen Charakter des E670FE loben, der sich in allen Gain-Kanälen wiederfindet. Abseits des Bassreglers lässt sich diese Eigenschaft nie entfernen. Sie gehört zum Charakter dieses Verstärkers und lässt sich mit den genannten Reglern sogar noch verstärken, sodass man ein wirklich kräftiges Klangfundament erhält. Dennoch hätte ich mir für die Vorstufe eine Absenkung und für die Endstufe den Depth-Regler vieler Mitbewerber gewünscht. Die Mittel der Wahl sind im Bedarfsfall schlankere Boxen und der Einsatz eines Vorschaltpedals mit Bassausdünnung. So sorgte der Friedman Buxom Boost im Test für deutlich mehr Ordnung im Bassbereich.

Der Tube Driver schließlich liefert einen zweiten Clean-Kanal. Dieser ist etwas fülliger und weniger perkussiv abgestimmt. Je nach Präferenz hat man also die freie Wahl. So könnte man diesen Kanal dank seiner unabhängigen Klangregelung sinnvoll für den Einsatz von Pedalen optimieren. Und ebenso lässt er sich für die Integration einer externen Vorstufe nutzen.

Abschließend seien noch weitere Optionen erwähnt: Der integrierte Hall ist für jeden Kanalstrang regelbar. Es klingt in seiner digitalen Umsetzung anders, dezenter und realistischer als ein Federhall, der sich noch im Vorgänger fand. Gratulationen gibt es für das Noise Gate, das in seiner Empfindlichkeit regel- und für die Kanäle 2-4 zuschaltbar ist. Es greift zackig und ohne Klangverluste zu. Schließlich verfügt der E670FE über drei Effektwege. Die serielle Variante ist einzeln schaltbar, während man zwischen den beiden anderen Effektwegen per Schalter wechselt. In der Praxis bedeutet das keine Einschränkung, solange man nicht wirklich drei unabhängige Loops benötigt.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Einen vielseitigeren Röhrenverstärker als den E670FE wird man derzeit kaum finden. Vier Kanäle mit allen Schikanen, ein ergänzender Tube-Driver-Kanal, MIDI und eine 100-Watt-Endstufe zeigen Röhrenverstärkerbau in voller Pracht. Darüber hinaus ist Engls Jubiläumsmodell auch klanglich ein Fest der Sounds. Von blitzsauber bis mächtig verzerrt kann man in einer üppigen Bandbreite von Sounds schwelgen. Der E670FE ist dabei keinesfalls auf harte Genres festgelegt, spielt allerdings genau in diesem Bereich seine vollen Stärken aus. Er klingt dabei eigenständig und so, wie man es von Engl erwartet.

Ob dieser gleichermaßen wuchtige und schnelle Klang den eigenen Geschmacks trifft, sollte man beim Händler vor Ort erspüren, ebenso wie die Entscheidung für EL34- oder 6L6-Röhren in der Endstufe. Mit 3499 Euro wurde der Preis des E670FE gegenüber dem Vorgänger sogar leicht gesenkt. Ein Schnäppchen ist der Engl-Amp aber trotzdem nicht, sondern ein traumhaft großzügig ausgestatteter Vollverstärker aus heimischer Produktion. Den passenden Fußschalter sollte man, falls man nicht eh eine MIDI-Leiste hat, ins Budget einkalkulieren.

PLUS

  • Sounds & Ausstattung
  • effizientes Noise Gate
  • umschaltbarer zweiter Presence-Regler
  • Made in Germany

MINUS

  • kein Depth-Regler


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Les Paul + TubeScreamer + Hiwatt Custom 100 …that´s it. Ich bleibe dabei.

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  2. Hey Manfred, ich musste schmunzeln. Bei mir ähnlich… Fender Cabronita + Fulltone OCD + Hiwatt Custom 100. Mehr brauch ich nicht. Aber Geschmäcker sind verschieden und somit hat sicher auch dieser Engl seine Liebhaber.

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