Über Neid & Missgunst unter Gitarristen

Till & Tone: Der gute Ton!

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(Bild: szmuli/Shutterstock)

Wir Gitarristen sind ein besonderes Völkchen. Ganz anders als die Normalos da draußen, denn wir machen ja Musik. Wir spielen krachenden, lauten Metal, verträumte Popmusik, Blues oder Soul. Wir sind keine Spießer, denn unsere Gitarren vermitteln uns die ewige rebellische Jugend. Glauben wir jedenfalls.

Meine 18-jährige Tochter spricht angesichts meiner Konzerte gerne von älteren Herrschaften mit ‘ner Gitarre vor der Bierplauze. Respektlos! Auch mein Freund Micky Beisenherz wirft mir nicht erst seit gestern vor, dass ich vor allem Bands höre, wo mindestens zwei olle Rentner an der Klampfe stehen. „Na und?“, sage ich dann immer. Ein bestechendes Gegenargument, das seine Wirkung meist verfehlt.

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Wer jetzt diese Zeilen liest und denkt „Hoheneder, du saitenzupfender Granufink, ich bin U35, was geht mich dein Elend an? Ich höre nur die jungen Wilden!“ Ruhig, Jungs. Ich möchte euch gar nicht auf den Fuß treten. Ich möchte nur klarstellen, dass die meisten Gitarristen natürlich obwohl sie ihre Matte schwingen, die Gitarre traktieren und laute Rockmusik hören genauso spießig oder konservativ sein können, wie Nicht-Gitarristen. Sonst würden wir ja nicht seit 60 Jahren immer noch hauptsächlich Teles, Strats oder Paulas spielen, oder?

Gitarristen wie ich mögen eben Veränderungen, sofern sich nichts verändert. Wir lieben den guten Ton. Und was den angeht, haben einige von uns noch ein großes Nachholbedürfnis.

KOMMENTARSPALTEN

Denn manche Gitarristen sind offensichtlich nicht nur konservativ, sondern auch neidisch, böse und missgünstig. Nach dem von Eric Clapton organisierten Jeff-Beck-Tribute in der Royal Albert Hall in London, war ich ziemlich scharf auf Videos von den beiden Konzerten. Schließlich war das Line-up nicht von schlechten Eltern: Billy Gibbons, Kirk Hammett, Derek Trucks, Gary Clarke Jr., John McLaughlin, Doyle Bramhall „der Viertel-vor-Zwölfte“ und noch viele Virtuosen mehr!

Großes Staraufgebot beim von Eric Clapton organisierten Jeff-Beck-Tribute-Konzert in der Royal Albert Hall – mit dabei: Billy Gibbons, Kirk Hammett, John McLaughlin, Ronnie Wood, Johnny Depp, Susan Tedeschi, Derek Trucks, Doyle Bramhall, Robert Randolph, Gary Clark Jr., Nathan East, Rhonda Smith und weitere.

 

 

Natürlich waren schnell viele Handy-Videos online, die zwar klanglich schrecklich waren, aber ahnen ließen, dass da viele exzellente Gitarristen ihr Bestes gegeben haben, um die Ikone Jeff Beck zu ehren. So weit, so gut. In den Kommentarspalten allerdings tobte der Mob, sinngemäß las ich dort zum Beispiel:

Der Hammett ist da fehl am Platz, der spielt ja minutenlang in der falschen Tonart, der kann echt nix, da sieht man mal wie überbewertet der ist…! Und dann spielte er ja auch noch auf der „Greeny-Les-Paul“, das war auch für Bewertungen gut wie: Ja, wenn man Geld für ‘ne teure Gibson hat, aber nicht spielen kann … die arme Gitarre … was macht der Typ bloß mit dieser legendären Les Paul … Gary Moore dreht sich im Grabe um … etc.!

Ich war echt erstaunt. Was war das? Kommentieren da etwa Hühner den Flug der Adler? Bin ich der Einzige, der diese Kommentatoren gerne fragen möchte: Was steht eigentlich auf deinem Zettel? Brot kann schimmeln, was kannst Du? Natürlich kenne ich dieses Phänomen nicht erst seit gestern. Als 15-jähriger vergötterte ich Keith Richards, das war 1980. In den nächsten zehn Jahren dominierten aber Gitarristen wie Eddie van Halen, Steve Lukather, Gary Moore, Steve Vai, Joe Satriani, Andy Summers und Slash die Gitarren-Hotlist.

Ich wurde von den meisten Gitarristen einfach ausgelacht, wenn ich mit meinen Keith-Lobeshymnen um die Ecke kam. Dann hieß es auch damals schon: Keith Richards!? Der? Der kann doch nix! Spiel mir mal ein gutes Solo von der Nulpe vor! Der soll erstmal stimmen lernen! Gut, selbst ich glaube nicht, dass der gute Keith das Solo von ‚Rosanna‘ so hinkriegt, wie es der gestiefelte Lukather hingezaubert hat. Aber, wie wir alle mittlerweile wissen sollten: Darum geht es überhaupt nicht.

Es geht auch nicht darum, ob Steve Lukather ‚Gimme Shelter‘ oder ‚Jumping Jack Flash‘ so fantastisch hinbekommen hätte wie Richards. Es geht vielmehr darum, Richards und Lukather die gleiche Wertschätzung für ihre unterschiedliche Gitarrenarbeit entgegenzubringen! Warum sonst in aller Welt antwortet ein Gitarrist wie Joe Satriani in einem Interview auf die Frage „Wer würdest du gerne für einen Tag sein?“ mit: „Keith Richards!“? Weil er weiß, was Keith Richards kann.

EHRE, WEM EHRE GEBÜHRT

Ich kann mich noch sehr gut an eine iPad-App erinnern, die Dhani Harrison (Sohn von George!) 2012 auf den Markt gebracht hat: „The Guitar Collection: George Harrison“. Musste ich als Bewunderer von Harrison selbstverständlich kaufen. Die App war dann nicht so spektakulär, wie erwartet. Aber: Am Ende waren ein paar Videos, unter anderem mit niemand geringeren als Gary Moore, den wir wohl unbestritten zu den Besten der Gitarrenzunft zählen dürfen.

In diesen Videos erklärte und demonstrierte Gary Moore, wie großartig und innovativ der Gitarrist George Harrison war. Da war so viel Respekt und Anerkennung in Garys Worten – das sollten sich vor allem Leute angucken, die immer noch nicht kapiert haben, was Harrison für ein famoser Gitarrist und Musiker war. Denn auch in Bezug auf Harrisons Skills liest und hört man immer wieder gerne von irgendwelchen Schwachstrullern: Naja, was hat der denn schon Dolles gespielt?

Ich empfehle da für die Hardcore-Zweifler gerne ein schönes Feature auf guitarworld.com. Dort findet man 24 berühmte Gitarrenmomente von Harrison – analysiert, interpretiert und bewundert u. a. von Heroes wie: Paul Gilbert, Tommy Emmanuel, Robben Ford, Joe Bonamassa und Zakk Wylde, der es für mich auf den Punkt bringt:

„Sicher, er hat keine Al Di Meola-, John McLaughlin- oder Paco-Sachen geschreddert, aber so war er eben auch nicht. Seine Soli waren immer so melodisch und mit so viel eigenem Gefühl … Niemand spricht über George Harrison so, wie man über Beck, Clapton oder Page spricht. Aber er war ein super Gitarrist! Er hatte wirklich eine Stimme auf seinem Instrument, und darum geht es doch letztendlich.“

George Harrison, der Millionen inspiriert hat, zur Gitarre zu greifen und Lieder zu schreiben, bekommt den verdienten Respekt und Credit für sein beeindruckendes Werk. Bevor man also den Mund aufmacht, um jemanden zu bewerten: Es ist okay, die Art und Weise, wie ein Gitarrist spielt, nicht zu mögen. Aber es geht gar nicht, diesen Gitarristen deswegen als „Kannix“ zu bewerten.

MITEINANDER

Einmal im Jahr mache ich ein Charity-Konzert für schwer und chronisch erkrankte Kinder u. Jugendliche. Es gibt einen über dreistündigen Mix aus Comedy und Musik. Dazu lade ich seit 13 Jahren Profis und Amateure ein. Dieses Jahr (am 25. August in Hamm) kommen zum Beispiel Ruhrpott-Comedylegende Herbert Knebel und das wunderbare Singer-Songwriter-Countryfolkpop-Duo Mrs. Greenbird. Aber ich hatte auch schon Ali Neander, Thomas Blug, Adriano Batolba, Andreas Schmidt-Martelle, Gregor Hilden oder Helmut Krumminga zu Gast – wahrlich gute Saitenakrobaten.

Von all diesen Künstlern habe ich etwas gelernt. Zum einen, dass sie wirklich spielen können. Und ich habe gelernt, dass diese Künstler auch gerne mit uns Amateuren gespielt haben. Eine Begegnung vergesse ich nie, weil sie mich sehr stolz gemacht hat: Die legendäre Inga Rumpf, begnadete Sängerin und Musikerin wollte ihre zwei Stücke, die sie mit meiner Band (keine Profis!) singen sollte, einen Tag vor dem Konzert proben.

Ich holte sie vom Bahnhof ab und wir fuhren zu meinem Proberaum. Norddeutsch gab Frau Rumpf freundlich, aber bestimmt folgende Order raus: „Wir proben kurz die zwei Stücke durch und dann fährst du mich bitte wieder ins Hotel zurück.“ Ich nickte und verstand: professionell und schmerzlos war gewünscht. Im Proberaum angekommen, begrüßte sie alle freundlich und fragte nach einem Bier. Dann klärte sie kurz die Tonart und zählte das erste Stück ein. 1,2,3,4, … done.

Ohne eine Miene zu verziehen, probten wir gleich das zweite Stück hinterher. Fertig. Inga zündete sich eine Zigarette an, ich legte die Gitarre zur Seite und suchte den Autoschlüssel. Just in diesem Augenblick fragte Frau Rumpf nach einem zweiten Bier und fragte zufrieden in die Runde: „Könnt ihr auch ‚It’s all over now‘ spielen?“ Konnten wir! Danach jammten wir uns gutgelaunt noch eine Stunde mit ihr durch die 60er. Ohne flashy Soli und große Effekte. Mit zwei Gitarren, Bass, Drums und der zugebenerweise genialen Stimme von Mrs. Inga Rumpf.

Nach dem letzten Stück schaute sie uns an und fragte mich: „Ihr seid doch eigentlich viel zu jung für diese 60er-Songs, wieso habt ihr diesen Sound so gut drauf?“ Das, liebe Leute, ist bis heute das schönste Kompliment, was ich und meine Jungs je bekommen haben. Musikalisch gesehen, natürlich. Von einer Musiklegende, die mit vielen meiner Heroes musiziert hat, so gelobt zu werden. Also vergesst Neid und Missgunst. Achtet die Kollegen, love the one you’re with! Denn, liebe Leute: Auch das gehört zum guten Ton(e)!!

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich spiele seit meinem 11. Lebensjahr Gitarre. Weil meine Eltern kein Geld hatten, bin ich während der Sommerferien arbeiten gegangen, um mir eine Gitarre zu kaufen. Was war der Grund?

    Damals gegen Ende der 1960er hörte ich die Songs von Albert Hammond und war wie elektrisiert. Das wollte ich auch! Das Geld, dass ich in den Sommerferien verdiente, reichte gerade mal für eine IBANEZ mit Koffer.

    Aber für keine Schule, kein Kurs o.ä. Also?! Selbst lernen. So habe ich mir 2 Bücher gekauft und streng nach Noten inkl. der Musiklehre Noten und Gitarre gelernt. ;-)))

    Stundenlang habe ich jeden mit meinen Tönen “gequält”! 😉 Es dauerte ein halbes Jahr und ich konnte die Songs von ihm spielen. Dann hörte ich Musik der damaligen Bands, wie Led Zeppelin, The Who (vor allem die Rockoper Tommy hatte es mir angetan), Rolling-Stones (war nie ein “Fan” von den Beatles) 😉 usw.

    Ich versuchte die Lieder nachzuspielen. Der Effekt war auch eine gute Schulung meines Gehörs. So kam mit der Zeit ein ziemliches Repertoire zusammen. Auf Hochzeiten oder Grillfesten und/oder beim Treffen mit Freunden wurden die Songs gespielt.

    Eines habe ich mir aber IMMER offengelassen: nie einen anderen Gitarristen “niedermachen”. JEDER spielt auf seine Art und Weise gut und jeder hat irgendwo Tricks und eine Spielweise, die gut (bis genial) klingt.

    UND, von jedem kann man etwas lernen. Ein Beispiel: Als ich in einer deutschen Großstadt bei einem Arbeitgeber in Ausbildung war, hörte ich auf dem Nachhauseweg im U-Bahnhof irische Musiker.

    Die hatten “nur” mit einem Akustik-Bass, Gitarre (und teilweise Mundharmonika) gespielt und 3-stimmig dazu gesungen, wie Crosby, Stils, Nash and Young!

    Mich hat es vom sprichwörtlichen Hocker gehauen und in einem Gespräch mit ihnen erzählten sie mir, dass sie nicht nur irische Musik spielen, sondern auch sehr viel von CSNY!

    Also, was habe ich gemacht? Wieder dazu gelernt und neue Arten der Musikstile gefunden. Und genauso mache ich das heute noch. Leider gibt es diese “Sessions” wie zu meiner Zeit nicht mehr so wie früher! Schade! Aber, ich schwärme heute noch davon.

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  2. Toller Artikel und auf den Punkt gebracht. Auch ich habe meine Gitarren Helden zu denen ich aufsehe. Aber wir begegnen uns mit Respekt. Vielleicht weil jeder weiß, der andere kann etwas das ich nicht kann.

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  3. Eddie van Halen sagte mal, dass George Harrison zu den “weltweit meistunterschätzten Gitarristen” gehört. Aber sicher sagen in 20 Jahren einige Leute auch, dass Eddie nix konnte …

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  4. Sehr interessante Geschichten! Die Vorliebe für einen ganz bestimmten Gitarrist/in hat wohl jeder Musikbegeisterte. Für mich steht bis heute der (damals leider viel zu früh verstorbene!) irische Ausnahmegitarrist Rory Gallagher in der Rangliste virtuoser Musiker des Blues-und Rock Genres ganz oben.Ich empfand seine geniale Spielweise und die enorme Energie,die er besonders bei seinen Live-Konzerten zum Besten gab,immer sehr beachtlich.

    Soweit ich informiert bin,war Rory unter Freunden und Bekannten ein sehr geschätzter Gitarrist,der sich niemals mißgünstig über andere Musiker äußerte. Auch Neid schien für ihn ein absolutes Fremdwort zu sein. Leider mußte auch ich die negative Erfahrung machen,daß sich heutzutage immer mehr Gitarristen/innen für unwiederstehlich halten,und diesbezüglich oft sogar
    mißgünstige Äußerungen gegenüber anderen Musikern aussprechen.

    Ich war mit meinen Meinungen stets zurückhaltend,bzw. sehr still,was ich bis dato so halte,und sehr gut damit fahre. Ich finde,daß Fairness unter Gitarristen/innen ganz wichtig ist!

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  5. Ich muss zugeben dass ich früher ähnlich gedacht habe wenn ich irgendwo auf einem Stadtfest eine Band gesehen habe dessen Gitarrist ich als „schlechter“ als mich selbst eingestuft hatte. In Wahrheit sagt so etwas mehr über den eigenen Minderwert aus und gleicht eher einer Art Schw*nzvergleich. Es wird immer jemanden geben der noch ein wenig mehr drauf hat, aber ob seine Musik deshalb besser ist? Vielleicht. Meiner Meinung nach ist in den letzten Jahrzehnten die Qualität der Musik nicht zusammen mit der immer ausgefeilteren Technik der Gitarristen gestiegen.
    Ich finde wir sollten erkennen dass wir alle zusammen gehören, dass Musik kein Konkurrenzkampf ist und dass wir nicht aus den Augen verlieren um was es wirklich dabei geht: um die Leidenschaft am Musizieren und Spaß zu haben.

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  6. Moin Till,
    wie immer sehr unterhaltsam und lehrreich zugleich, Deine Kolumne. Vielen Dank 🙂

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