Turn Turn Turn

Thomastik Infeld INFELD 12 NO.IF210 – 12-String-Saitensatz im Test

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Ob es für diesen Artikel vielleicht einen Sonderzuschuss für erschwerte Arbeitsbedingungen gibt? Denn die Neubestückung einer 12-saitigen E-Gitarre mit Fensterkopfplatte à la Rickenbacker und dem dort ansässigen Mechaniken-Irrgarten ist einfach a pain in the a**, so to say …

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Immerhin ist die Überschrift nicht nur Programm, sondern sogar doppeldeutig – „Turn Turn Turn“ soll nicht nur auf die unzähligen Drehbewegungen der zwölf Mechaniken beim Saitenwechsel anspielen, sondern auch auf den gleichnamigen Hit der Byrds hinweisen, ohne deren Gitarrist Roger McGuinn und seinen Signature-Sound dieser Artikel vermutlich nie geschrieben worden wäre. Die Verschachtelung der Mechaniken einer Rickenbacker-12-String war eine geniale Idee des damaligen Rickenbacker-Designers Roger Rossmeisl, um die Kopfplatte nicht so ausladend werden zu lassen, dass sie die Gitarre aus der Balance zieht. Aber diese Anordnung hat durchaus ihre Tücken, was die Übersicht beim Stimmen und Umständlichkeit bei einer Neubesaitung angeht. Doch das soll uns hier nur am Rande interessieren. Aller Fokus möge sich nun auf Saiten richten – die neuen INFELD 12, die Thomastik-Infeld aus Wien speziell für Rickenbacker12-String-E-Gitarren konzipiert hat; so sagt es zumindest die Firmenliteratur.

RICK-O-SOUND

Soll das etwa bedeuten, dass die INFELD 12 nur für Rickenbacker-Instrumente relevant sind? Nein – dieser Hinweis bedeutet nichts anderes, als dass mit diesen Saiten ein typischer Rickenbacker-Sound im Stil der Byrds, Beatles, Petty & Co. unterstützt wird. Um dieses hehre klangliche Ziel zu erreichen, bedarf es vor allem eins: Flatwounds!

Folglich hat Thomastik-Infeld runde Stahlkerne mit einer Schicht Nickelflachdraht umsponnen. Die nicht umwickelten Saiten des Sets sind zudem mit einer golden schimmernden Messingbeschichtung versehen, die für einen ausgeglichenen, nicht die Höhen überbetonenden Klang sorgen und die Lebensdauer der Saiten verlängern soll. Eine weitere Eigenschaft von Flatwound-Saiten im Allgemeinen ist natürlich auch die Minimierung von Griffgeräuschen. Wobei dieser Faktor bei E-Gitarren keine so wichtige Rolle einnimmt wie bei Akustikgitarren.

LEARNING TO FLY

Wer schön sein will, muss leiden. Also: zwölf alte Saiten runter, zwölf neue Saiten drauf, Augen zu und durch den Mechaniken-Salat hindurch. Exakt eine Stunde später ist die 12-Saitige dann spielfertig. Wie gut, dass Flatwound-Saiten in der Regel viel länger als Roundwounds genutzt werden können, sodass diese Prozedur nicht allzu oft durchgeführt werden muss.

Was müssen die Saiten für einen guten Vintage-12-String-Sound leisten? Ein Ziel ist, den ungemein obertonreichen Klangkörper einer 12-saitigen Gitarre so in den Griff zu bekommen, dass die dünneren und die Oktavsaiten die Grundtonsaiten nicht übertönen, wie dies z. B. bei günstigeren Roundwound-Saiten der Fall sein kann. Und da sind wir mit den INFELD 12 voll auf dem richtigen Weg, denn schon akustisch klingt meine 12-Saitige mit den neuen Saiten mehr als vielversprechend. Sehr ausgewogen, voll, rund und ohne irgendwelche Peaks oder hörbare Frequenzlöcher. Das Griffgefühl ist zudem sehr angenehm, denn die glatte Oberfläche aller Saiten lässt die Greifhand geschmeidig hin und her gleiten ohne auffällige Nebengeräusche.

Am Verstärker zeigt sich ein nahezu identisches Klangverhalten. Nach dem eher für Rundkernsaiten typischen Anschlagverhalten entfaltet sich ein gefälliger und ausgewogener, breiter und satter Sound, in dem sich die Auswirkungen der Konstruktion mit rundem Saitenkern, Flatwound-Umwicklung sowie verwendeten Materialien sofort erkennen lassen.

Für einen wirklich authentischen Rickenbacker-Sound bedarf es neben der passenden Besaitung noch einiger anderer Zutaten – siehe dazu meinen Textkasten mit Tipps zu diesem Thema. Mit den INFELD 12 wird die beste Grundlage dafür geschaffen, genau den Sound zu erreichen, der seit rund 60 Jahren Gitarren-Fans so nachhaltig wie kaum ein anderer elektrisiert.


EIGHT WAYS TO JINGLEJANGLE

Der Sound von Roger McGuinn/The Byrds, Tom Petty und ähnlich klingenden Bands ist als der beste 12-String-Sound fest und für immer im Gesetzbuch des Rock’n’Roll verankert. Und den erreichst du annähernd mit diesen Zutaten:

    • eine semiakustische oder chambered E-Gitarre, möglichst mit Trapez-Saitenhalter
    • zwei bis drei Singlecoil-Pickups, oder aber auch hell klingende Humbucker im FilterTron-, Toaster-, Mini-HB- oder Firebird-Format
    • Flatwound-Saiten (wie z. B. die INFELD 12)
    • Anordnung der Saiten derart, dass die Grundtonsaiten oberhalb (!) der Oktavsaiten liegen
    • ein höhenreich klingender Treble-Booster (BSM, RangeKing-, Rangemaster-Clones etc.)
    • im Recording-Bereich über einen guten (Röhren-)Kompressor direkt ins Pult spielen
    • live einen (oder zwei!) weich klingenden Kompressor (Boss CS-2, Jaques Fat Burner, dbx 160a etc.)
    • ein höhenreich klingender Verstärker mit viel cleanem Headroom (Roland JC-120, Fender Twin Reverb o. ä.)

ALTERNATIVEN

Die Pyramid Gold 310/12 (€ 28,90), ebenfalls Flatwounds mit rundem Stahlkern, sind schon lange am Markt und nicht umsonst die favorisierte Marke von Roger McGuinn und Tom Petty (R.I.P.). Die Giganten Ernie Ball (€ 10,90) und D’Addario (€ 11,50) bieten ebenfalls 12-String-E-Gitarrensaiten an, die aber mit hexagonalem Kern und vernickelter Umwicklung eher normal gestrickt sind. Interessanter erscheinen da zum einen, wegen ihrer Beschichtung, die Elixir 12450 Nanoweb (€ 26) und zum anderen, wegen ihres runden Stahlkerns, die GHS GB12L-Boomers (€ 12,90).

RESÜMEE

Auch wer keine Rickenbacker-12-String sein Eigen nennt, darf ruhigen Gewissens zu den neuen INFELD 12 von Thomastik-Infeld greifen. Diese Saiten sind absolut dazu in der Lage, das beliebte kalifornische Flair aus jeder 12-saitigen E-Gitarre herauszuholen. Die INFELD 12 erfüllen alle Vorrausetzungen, um einen Vintage12-String-Sound zu unterstützen, denn sie klingen ausgewogen, rund und satt, und lassen den Höhenbereich nicht überborden, sondern liefern ein rundum geschlossenes, sehr gefälliges Klangbild. Klare Empfehlung!

PLUS

  • Ausgewogenheit
  • Klang
  • Schwingungsverhalten
  • Langlebigkeit
  • Spielgefühl


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo,
    Sehr schön recherchiert, bis auf eine Kleinigkeit:
    Das Design der 12 saitigen Rickenbacker headstocks wird Richard Burke, Angestellter der Firma zugeschrieben! Und…. Toaster Pickups sind natürlich Singlecoils!
    Gruß Peter

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