Nachhaltig beeindruckend

Test: Zerberus Guitars Green-Planet-Series Nemesis

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(Bild: Dieter Stork)

Frank Scheucher, Chef der Zerberus Guitars in Speyer, hat im Gitarrenbau schon immer eigene Wege beschritten und ist u.a. für seine Decken aus Stein und anderen Mineralen bekannt. Da er selbstverständlich auch Holz verarbeitet, ließen ihn Gedanken über dessen Nachhaltigkeit nicht mehr los, und so experimentierte er mit Hilfe eines Spezialisten für Bambus-Bretter mit ebendiesem extrem schnell nachwachsenden Material, das kein Baum ist, sondern zur Familie der Süßgräser gehört.

Auf dem Guitar Summit 2019 in Mannheim präsentierte Zerberus Guitars erstmals die Green-Planet-Serie, die aus vier Nemesis-Modellen in unterschiedlichen Farben besteht. Es ist die erste vollständig aus Bambus gefertigte E-Gitarre und stieß bei den Summit-Besuchern auf reges Interesse.

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GESPERRT & COMPOSITE

Da es sich bei Bambus um verholzte rohrförmige Grashalme handelt, steht es, anders als die Bretter von Bäumen, nicht als Massivholz zur Verfügung und muss daher für den Gitarrenbau gesperrt verleimt oder unter hohem Druck zu einem Verbundwerkstoff verarbeitet werden. Daher besteht der gesperrte Nemesis-Body aus 30 mm breiten Bambusstreifen, die 15 mm dicke, gewölbte, auffällig gestreifte Decke aus dunkel und naturfarben karbonisierten, hochverdichteten Fasern.

Ähnlich verfuhr Frank Scheucher mit dem Hals: Gesperrter Bambus für den Rohling, hochverdichteter, dunkel karbonisierter für das optisch ansprechend gemaserte Griffbrett. Übrigens wurde die Nemesis ohne den Einsatz von Phenol oder Formaldehyd aus umweltfreundlich und nachhaltig angebautem, zertifiziertem Bambus gefertigt. Wenn schon, denn schon.

Während die Decke durch ihre unterschiedlichen Rottöne ins Auge fällt, wurden Body und Hals schwarz lackiert, das Ganze in mattem Satin, was der Gitarre angenehmen Grip beschert. Ein eloxiertes, mit einer Gravur gelasertes Alublech verschließt das mit hochwertigen Komponenten bestückte rückseitige E-Fach Oberkante bündig. Acht Zentimeter unterhalb des Gurtknopfs hat man die zuverlässig packende Rohrklinkenbuchse in die Zarge eingelassen. Als Gurtpins finden Security Locks Verwendung, deren Gegenstücke selbstverständlich zum Lieferumfang zählen.

Monorail-Steg (Bild: Dieter Stork)

Das geschmeidig glatte Bambusgriffbrett bietet 24 vorzüglich bearbeiteten, an den Ecken verrundeten und spiegelglatt polierten Jumbobünden Platz, die ich, anders als Frank Scheucher, eher als XL-Jumbos bezeichnen würde. Mittig zwischen den Saiten E6 und A5 positionierte Abalone-Punkte und weiße Sidedots erleichtern die Orientierung. Die Oktaven markieren jeweils zwei eingesetzte Punkte.

Hinter dem auf optimale Action abgerichteten GraphTech-Sattel verschließt ein Kunststoffplättchen den Zugang zum Zwei-Wege-Stahlstab. Als Tuner kommen GraphTech Locking Ratios zum Einsatz, deren unterschiedliche Übersetzungen an die einzelnen Saiten angepasst wurden, um nahezu gleiche Wirbelumdrehungen zu ermöglichen. Keine Frage, sie arbeiten ebenso präzise wie geschmeidig. Allerdings bewirken ihre hoch herausstehenden Beinwellen und die locking-üblichen fehlenden Wicklungen, dass die Saiten so gut wie keinen Druck auf den Sattel ausüben, da sie diesen fast ohne Knick passieren und auf String Trees verzichtet wurde.

Auf der Halsrückseite stabilisiert ein Kragen den Übergang zur leicht geneigten Kopfplatte. Am anderen Ende dienen sechs einzeln montierte Monorail Bridges als Steg. Die Saiten werden nach Strings-thru-Body-Prinzip auf der Rückseite von präzise eingelassenen Hülsen gekontert.

Die Wandlung der Saitenschwingungen übernehmen zwei Kammerstein Quadrail Humbucker, die mit jeweils vier (!) Schmalspur-Singlecoils mit Klingenmagneten bestückt sind. Sie lagern höhenjustierbar in verchromten Stahlblechrahmen und werden klassisch per Master-Volume- und Master-Tone-Potis jeweils mit Coilsplit-Funktion für Hals- und Steg-Pickup und einem Drei-Weg-Schalter verwaltet.

Das Besondere hier: Im Coilsplit-Betrieb sind jeweils die beiden halsseitigen der vier Spulen aktiv, und zwar Humbuckermäßig parallel verdrahtet. Brummgeräusche können somit ausgeschlossen werden.

Kammerstein Quadrail Humbucker (Bild: Dieter Stork)

GUTES GEFÜHL

Mit ihrem Gewicht von 4,32 kg, an der die hochverdichtete Decke maßgeblichen Anteil hat, zerrt die Nemesis ordentlich am Gurt. Laut Zerberus sind Modelle mit „einteiligem“ Bambus-Body in Planung, die voraussichtlich um die 3,5 kg wiegen werden. Die rückseitige Ergofräsung und der fließende Halsübergang verleihen der Gitarre dennoch hohen Trage- und Spielkomfort.

Einerseits sorgt das obere, langgezogene Cutaway-Horn zwar für ausgewogene Gewichtsverteilung am Gurt, anderseits verschiebt es den Body recht weit nach rechts, sodass der Zugang zu den obersten Lagen durch den Körper des Spielers behindert wird. Um die höchsten Bünde stressfrei bespielen zu können, muss man die Gitarre etwas nach links verschieben.

Der eingeleimte Hals besitzt ein handliches ovales C-Profil. Da die Griffbrettkanten und die Enden der ultra-fetten Bünde großzügig verrundet wurden, sind „barrierefreie“ schnelle Lagenwechsel möglich. Die Monorail-Stege bieten der Anschlagshand eine angenehme Auflage für Palm-Mute-Spiel.

Während das Master-Volume-Poti ergonomisch günstig platziert wurde, liegt das Master-Tone-Poti, auch wenn es eher selten zum Einsatz kommt, für meinen Geschmack ein wenig außerhalb des Aktionsradius. Beide Regler rotieren sahnig geschmeidig, lassen sich jedoch für Coil-Splits recht schwer ziehen.

Trocken angespielt zeigt die Zerberus Nemesis ausgewogene, knackige, transparente, spritzige, obertonreiche Klangbilder und, während Body und Hals intensiv schwingen, standfestes, langsam und kontinuierlich abklingendes Sustain. Überrascht hat mich jedoch, wie leise, ja beinahe kraftlos die Bambus-Konstruktion dabei unterwegs ist. Hier sehe ich die Kammerstein Quadrail Humbucker in der Pflicht, die laut Zerberus aus koreanischer Fertigung stammen.

Diese liefern deutlich mehr Ausgangspegel als beispielsweise vintage-orientierte PAFs, haben mit deren Klangcharakteristik wenig gemein, geben sich jedoch überaus dynamisch. Sie tönen insgesamt klarer und luftiger, zeigen knackige, straffe, definierte Bässe, prägnante Mitten, brillante Höhen und halten schon im Clean-Betrieb ein breites Obertonspektrum bereit.

Ich würde sie in die Schublade „moderne Mid- bis High-Gain-Humbucker“ einsortieren. Der viergleisige Hals-Kammerstein zeigt gute Balance und präzise Saitentrennung, besitzt jedoch nicht die Tiefe und Wärme eines klassischen Neck-Humbuckers. Die kann er allein wegen seiner verlagerten 24-Bund-plus-Zugabe-Position nicht liefern.

Andererseits beschert ihm das im Crunch- und High-Gain-Mode gute Definition und hohes Durchsetzungsvermögen bei Powerchords, Akkordspiel, tieffrequenten Riffs und natürlich Drop-Tunings. Der Steg-Pickup kommt wesentlich präsenter, drahtiger und brillanter daher und wurde auch Output-mäßig bestens auf den Kollegen abgestimmt.

Nicht nur am cleanen Amp zeigt er Qualitäten, sondern seine eigentlichen Stärken im Mid- bis High-Gain- und Metal-Einsatz. Fette, definierte Bässe, durchsetzungsstarke, präzise artikulierende Mitten, klare und, je nach Anschlagsintensität, seidig singende bis aggressiv zupackende Höhen. Gerne unterstützt er auch Pinch Harmonics.

An der Kombi beider Kammerstein-Humbucker hat der Hals-Pickup den größeren Klanganteil. Zwar tönt es etwas glockiger, die Höhen und ein Teil der oberen Mitten des Steg-Pickups werden jedoch nicht adäquat repräsentiert. Der Coil Split des Hals-HBs lässt ein wenig Strat aber auch einen gewissen Anteil P90 erkennen. Sehr schön glockig, klar und auch ein bisschen nasal.

Die Halsspulen des Steg-Pickups und die Coil-Split-Kombi bedienen derweil das Tele-Terrain mit charaktervollem Twang. Hier kommen sogar Country-Rocker auf ihre Kosten. Sämtliche Coil-Splits überzeugen auch am zerrenden Verstärker, wobei die Spulenpaare nicht mehr brummen, als die Humbucker haben mit deren Klangcharakte-Halsübergang Sattel von der Seite (flacher Knickwinkel der Saiten) im Vollbetrieb.

Alles in allem punktet die Nemesis mit einem geschmackvollen, extrem breiten und vielseitigen Klangangebot. Da Zerberus Guitars dem Master-Volume mittels Kondensator einen Treble-Bleed spendiert hat, bleiben bei der Pegelrücknahme kaum Höhen auf der Strecke. Dies gilt für sämtliche Spulenkonstellationen. Beide Potis zeigen ähnliche Regelcharakteristiken: Dreht man Master-Tone ganz zu und allmählich wieder auf, sind die Klangveränderungen etwa auf dem ersten Sechstel des Regelwegs immens, auf dem gesamten Rest nur noch nuanciert wahrnehmbar.

Nicht ganz so brachial verhält sich dagegen der Volume-Regler, dessen Regelkurve zunächst stark, dann über den größten Bereich recht flach verläuft und am Ende wieder etwas stärker ansteigt. Dies bedarf der Gewöhnung, „Learning By Doing“ ist angesagt.

Halsübergang (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das Bambus-Konzept im Gitarrenbau ist beileibe nicht neu. In der Vergangenheit setzten bereits vereinzelte Hersteller dieses Material ein, mussten es jedoch mangels Kundeninteresse wieder ausmustern. Mit der Green-Planet-Serie reagiert Zerberus Guitars konsequent auf aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit von Hölzern, CO2-Diskussion, Brandrodung, Umweltschutz, Erderwärmung, Klimaveränderung …

Dass Bambus ein adäquater Werkstoff für den Gitarrenbau ist bzw. sein kann, beweist Frank Scheucher mit seiner Nemesis, die komplett aus diesem Süßgrasgewächs gefertigt wurde und überzeugende Resonanz- und Klangergebnisse liefert.

Nicht ganz einverstanden bin ich allerdings mit dem geringen Satteldruck der Saiten und den schwer ziehbaren Pull/Push-Schaltern. Aber ansprechendes Design, top Bespielbarkeit, vorbildliche Verarbeitung und ein (materialbedingt) überraschend günstiger Preis hinterlassen einen insgesamt sehr positiven Eindruck.

PLUS

● Konzept
● Sounds
● Schwingfreude & Dynamik
● Qualität Hardware & Pickups
● Optik
● Spielbarkeit
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

MINUS

● geringer Saitendruck auf den Sattel
● Push/Pull-Schalter schwergängig


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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