Fluss des Qi

Test: Walrus Qi Etherealizer

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(Bild: Dieter Stork)

Walrus Audio aus Oklahoma ist derzeit äußerst umtriebig – das Unternehmen hat mit dem Qi Etherealizer, einer Zusammenarbeit mit der Ausnahmegitarristin Yvette Young, ein Multieffektgerät vorgestellt, das kosmische Energie verströmt.

Der chinesische Begriff „Qi” kann viele Bedeutungen haben – Luft, Äther, Energie, Kraft und noch so einiges mehr. Walrus Audio hat sich mit mehreren sehr erfolgreichen Geräten als Experte für Ambient-Sounds etabliert: Pedale wie das Descent, Slö, die beiden Mako-Geräte R1 und D1, das Fable und das Lore drehen sich alle um die Abbildung von Raum und Zeit.

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Daneben hat Walrus mit dem Julia Chorus und seinen Ablegern eines der erfolgreichsten Modulationspedale überhaupt veröffentlicht. Für die kalifornische Gitarrenvirtuosin Yvette Young lag es daher nahe, mit der Boutique-Schmiede aus Oklahoma ein Signature-Pedal zu entwickeln, das wie ein Best-of ihres bisherigen Schaffens ist. Et voilà – der Qi Etherealizer.

KONSTRUKTION

Im Prinzip handelt es sich beim Qi Etherealizer um ein MIDI-fähiges Multieffektgerät mit Chorus, Delay, „Grain” (dazu gleich mehr) und Reverb, mit einigen Spezialfunktionen.

Das Pedal ist in zwei Farben erhältlich: ein rosiger Lehmton und ein mattes Schwarz mit cremeweißer Beschriftung. Es entspricht in seinen Maßen in etwa den großen EHX-Geräten und ist damit breiter als die zuletzt von Walrus vorgestellten Pedale Lore und Fable, die etwas größer als der Standard sind.

Lobenswert ist, dass sich alle Anschlüsse auf der Stirnseite befinden – das spart enorm viel Platz auf dem Pedalboard. Bleiben wir gleich mal an dieser Stelle: Neben jeweils zwei Ein- und Ausgängen (Mono/Stereo) wartet der Qi Etherealizer auch mit Mini-TRS-Klinken-In/Outs für MIDI, einem USB-C-Anschluss für Firmware-Updates und dem 9V-DC-Input auf.

Letzterer will mit 300mA gespeist werden – das bieten nur wenige Ausgänge an den üblichen Powerbricks, da braucht man einen mit entsprechender Saft-Zufuhr. Unter der Haube tuckert laut Walrus erstmalig die hauseigene MDSP-Plattform mit einem ARM-based Cortex-M7-Prozessor.

Das nur als Info für diejenigen unter euch, die wissen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Der Qi Etherealizer sieht erstmal ein bisschen einschüchternd aus, es befinden sich zwölf (!) Potis, drei Druck- sowie drei Fußschalter auf der Oberfläche.

Aber eigentlich ist das Teil relativ simpel aufgebaut – nämlich wie ein Pedalboard. Das Instrumentensignal trifft zunächst auf einen Chorus, der mit Rate (Geschwindigkeit) und Depth (Effektstärke) einstellbar ist. Mit dem Druckschalter in seiner „Säule” kann man zwischen einem intensiven „Tri”-Modus und einem subtileren „Stereo”-Modus wechseln.

Dann läuft der Ton weiter zum Delay, das sich in Geschwindigkeit („Time”) sowie Zahl der Wiederholungen („Feedback”) einstellen lässt. Der Druckschalter unter diesen Potis rotiert durch Viertel-, punktierte Achtel- und Achtel-Noten. Auf das Delay wirkt auch der Fußschalter rechts unten: Hier kann man die Geschwindigkeit eintappen, sowie das Delay oszillieren lassen, wenn man ihn gedrückt hält.

Nun trifft der Qi-Fluss auf das Schmankerl des Geräts, nämlich „Grain”. Dabei handelt es sich um eine Art Playback-Looper, bei dem Elemente des eingespielten Tons gespeichert und wieder abgespielt werden. Im Modus „Grain Cloud” geschieht dies zufällig.

Im Modus „Phrase Sample” folgen die Playbacks einer mit dem „X”-Poti festgelegten Geschwindigkeit (bei Linksanschlag sind sie synchron mit dem Delay-Tempo, und damit eintappbar). Der fünfstufige Rotary-Schalter „Playback” dient der Einstellung des Charakters der Wiederholungen: Normal, doppelte Geschwindigkeit und eine Oktave höher, halbe Geschwindigkeit und eine Oktave tiefer, Reverse Playback oder eine chaotische Kombination aller vorherigen Modi.

Mit dem „Freeze”-Schalter lässt sich nicht nur eine Phrase endlos in den Playback loopen, sondern auch der Reverb auf 100% hochfahren. Für den finden wir ganz links das „Space”-Poti – dieses mischt Hall hinzu.

Die Tone-Blende darüber ist ein High-Pass-Filter: Nur bei Rechtsanschlag erklingt das Signal ohne Beschneidung der Höhen, im Rest des Regelwegs wird der Klang bis zum Linksanschlag dumpfer. Unter diesen Potis befindet sich ein Druckschalter, mit dem sich der Signalweg entweder in „Series” oder „Parallel” schalten lässt.

(Bild: Dieter Stork)

Im Series-Modus verhält sich der Qi Etherealizer wie eine Kette von separaten Effekten auf dem Pedalboard – jeder zuvor erzeugte Klang fließt in das nächste „Pedal” und wird dort so moduliert, wie er reinkommt. Im Parallel-Modus fließt die Signalkette nicht von einem Effekt in den anderen, sondern alle versammeln sich unbeeinflusst vom vorausgehenden Effekt an der Mix/Dry-Blende.

Wer die Effekte einzeln hören will, muss alle anderen mit den jeweiligen Potis „rausdrehen” (den Reverb mit dem „Space”-Poti) – einzeln schalten lassen sie sich nicht! Alternativ arbeitet man mit Presets, in denen einzelne Effekte rausgedreht wurden.

Drei von Yvette Young entworfene Presets hat der Qi Etherealizer bereits an Bord. Bypass- und Freeze-Schalter muss man dafür gleichzeitig drücken, dann zeigt die LED rechts farblich an, in welchem man sich befindet. Löblich, dass es sich bei dem „weißen” Preset um einen Live-Modus handelt, in dem die Stellung der Potis auch dem Sound entspricht, den man hört. Mit MIDI kann man insgesamt 127 Presets abrufen. So, nun schwirrt mir etwas der Kopf, mein Qi muss frei fließen. Also schalten wir das Teil einfach mal ein und spielen.

(Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Fangen wir mit dem Chorus an: Während der „Stereo”-Modus eher subtil, leicht flangy und metallisch klingt, liefert der „Tri”-Modus pure 1980er-Wonne. Dick und wollig fließt da ein sehr schöner Chorus aus den Boxen.

Mit dem Rate-Regler kann man ihn „seekrank” einstellen, im Stereo-Modus verwandelt er sich in ein Vibrato. Mehr kann man hier auch nicht einstellen, weshalb wir gleich weiter zum Delay gehen: Das klingt eher moderat, nicht zu hell im Abgang, aber beileibe auch nicht dumpf wie ein analoges Gerät, sondern im besten Sinne neutral. Modulation auf die Delays legen kann man nicht, ebenso wenig lassen sie sich per EQ anpassen.

Der AchtelModus dürfte alle freuen, die zwischendurch eher schnelle Rockabilly-artige Sounds à la The Kills oder Deep Sea Diver suchen. Die punktierten Achtel, mit ordentlich aufgedrehtem Mix, bugsieren uns in U2-Gefilde, wobei The Edge der letzte harte „Knack” für so etwas wie die Lead Guitar in „With or Without You” wohl fehlen würde.

Die Oszillation macht viel Spaß, auch wenn sie kein einzigartiges Feature des Qi Etherealizers ist. Tap funktioniert problemlos und intuitiv. Folgen wir dem Qi-Fluss mal weiter zu Grain. Mir ist das ja bereits von Lore und Fable bekannt (Tests in G&B 09/2022 und 02/2024). Wie spielt sich das? Es erfordert auf jeden Fall eine gewisse Eingewöhnungszeit und Experimentierfreude.

Ein ums andere Mal ertönen mitten im Spiel plötzliche „Glitches”, verschaffen sich Phrasen oder Einzeltöne frech Gehör, kommen durchaus auch mal dem Spiel in die Quere. „Träume des Roboters” wäre ein guter Songtitel für die Klänge, die man da erschafft.

Etwas Kontrolle bekommt man im „Phrase Sampling”-Modus zurück, vor allem, wenn man das X-Poti auf Linksanschlag dreht und sein Spiel strikt an die Geschwindigkeit des Songs anpasst. Und mit „etwas” meine ich genau das: Auch in diesem Modus wird man am Anfang wohl viel Chaos erzeugen und seine Spielweise doch deutlich umstellen müssen.

Ebenso sind musikalisch kontrolliertere Ergebnisse erzielbar, wenn man den Mix einfach runterdreht – oder in ruhigen Passagen, in denen das Chaos den Raum bekommt, den es zur Entfaltung benötigt. Der Reverb („Space”) könnte mit nur einem Poti spartanischer nicht sein. So verwundert es nicht, dass sein Grundklang über den gesamten Regelweg relativ gleich bleibt, während sich vor allem die Ausklinglänge der Hallfahne ändert.

Selbst bei kurzen Einstellungen, bis zwölf Uhr am Poti, fällt eine helle, silbrige Note auf. Der Hall ist also kein dunkler, subtiler Ambience-Effekt. Bis zwölf Uhr befinden wir uns in einem Bereich, den ich für Rhythmus-Gitarre für angemessen halte.

Bei zwölf Uhr haben wir den Bereich erreicht, den ich persönlich für ein episches, aber noch nicht verwaschenes Solo anwenden würde. Ab zwölf Uhr öffnen sich die Räume und es wird sphärisch.

Schön finde ich, wie feinfühlig sich das mit Drehen am Poti einstellen lässt – der Regelweg ist also sehr „weit”. Ab drei Uhr und vor allem bei Rechtsanschlag befinden wir uns dann in den Weiten des Alls. Die silbrige Grundnote des Halls wird hier sakral. Man sitzt einfach nur da, lässt das Qi fließen und lauscht dem Klanggeschehen, ohne selbst noch eingreifen zu müssen. Oder gar zu wollen.

Insgesamt ist der Hall durchaus vielseitig anwendbar – und zwar genau dann, wenn man ihn im Kontext der „Flow”-Modi versteht – Series und Parallel. Verkürzt lässt sich feststellen, dass im Series-Modus die Effekte zu einer Art Klangteppich verschmelzen, einer Wolke aus Qi, die fast schon orchestrale Eigenschaften annimmt.

Im Parallel-Modus dagegen klingt das Geschehen wesentlich aufgeräumter, kontrollierter, die Effekte sind besser einzeln identifizier- und verortbar – auch der Reverb lässt sich hier mit dem trockenen Signal umgehen und damit besser dosieren.

Erstaunlicherweise erzeugt der Grain-Effekt im Parallel-Modus allerdings noch mehr Chaos als im Series-Modus. Das liegt vermutlich daran, dass die schlimmsten Auswüchse des Feedbackloops im Series-Modus in der Qi-Wolke übertüncht werden, während der Parallel-Modus sie dem überraschten Spieler knallhart um die Ohren pfeffert.

(Bild: Dieter Stork)

FAZIT

Mit dem Qi Etherealizer legen Walrus Audio und Yvette Young ein kreatives, frisches Multieffektpaket vor, dessen Zutaten zwar alle schon mal irgendwo (zumal bei Walrus selbst) auftauchten, aber in dieser Kombination einzigartig sein dürften.

Der Ambient-Rundumschlag bietet bei den Standardeffekten Chorus, Delay und Reverb zwar nicht wahnsinnig viele Einstellmöglichkeiten – die habe ich aber, vom Reverb abgesehen, auch gar nicht vermisst. Dafür öffnen sich beim „Grain”-Effekt alle Chakren für hemmungslosen Fluss des Qi – auch wenn die Kontrolle da ein ums andere Mal entgleitet. Wie von Walrus nicht anders zu erwarten, ist das Gebotene ohnehin qualitativ über jeden Zweifel erhaben.

Der Qi Etherealizer ist eigentlich ein Spezialgerät für Ambient, Post Rock und artverwandte Genres, in denen Yvette Young eben auch zuhause ist. Auch abseits dieser Genres kann er durchaus als Allround-Taschenmesser auf kleinen Pedalboards dienen, zumal der speicherbaren Vielfalt dank MIDI ja keine Grenzen gesetzt werden.

Wer nicht unbedingt in diesen Genres unterwegs ist und einfach nur ein Multieffektgerät mit Chorus, Delay und Reverb sucht, ist hier zwar nicht falsch, aber wird woanders zumindest günstiger bedient. Angesichts des sehr umfangreichen Feature-Pakets geht der recht hohe Preis von € 519 aber noch in Ordnung.

Plus

● Toller Klang
● Verarbeitung
● Einstellmöglichkeiten
● Konzept
● MIDI
● Stereo
● stirnseitige Anschlüsse

Minus

● Der Reverb könnte ein Tone-Poti gebrauchen

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2025)

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