Fluss des Qi

Test: Walrus Qi Etherealizer

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(Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Fangen wir mit dem Chorus an: Während der „Stereo”-Modus eher subtil, leicht flangy und metallisch klingt, liefert der „Tri”-Modus pure 1980er-Wonne. Dick und wollig fließt da ein sehr schöner Chorus aus den Boxen.

Mit dem Rate-Regler kann man ihn „seekrank” einstellen, im Stereo-Modus verwandelt er sich in ein Vibrato. Mehr kann man hier auch nicht einstellen, weshalb wir gleich weiter zum Delay gehen: Das klingt eher moderat, nicht zu hell im Abgang, aber beileibe auch nicht dumpf wie ein analoges Gerät, sondern im besten Sinne neutral. Modulation auf die Delays legen kann man nicht, ebenso wenig lassen sie sich per EQ anpassen.

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Der AchtelModus dürfte alle freuen, die zwischendurch eher schnelle Rockabilly-artige Sounds à la The Kills oder Deep Sea Diver suchen. Die punktierten Achtel, mit ordentlich aufgedrehtem Mix, bugsieren uns in U2-Gefilde, wobei The Edge der letzte harte „Knack” für so etwas wie die Lead Guitar in „With or Without You” wohl fehlen würde.

Die Oszillation macht viel Spaß, auch wenn sie kein einzigartiges Feature des Qi Etherealizers ist. Tap funktioniert problemlos und intuitiv. Folgen wir dem Qi-Fluss mal weiter zu Grain. Mir ist das ja bereits von Lore und Fable bekannt (Tests in G&B 09/2022 und 02/2024). Wie spielt sich das? Es erfordert auf jeden Fall eine gewisse Eingewöhnungszeit und Experimentierfreude.

Ein ums andere Mal ertönen mitten im Spiel plötzliche „Glitches”, verschaffen sich Phrasen oder Einzeltöne frech Gehör, kommen durchaus auch mal dem Spiel in die Quere. „Träume des Roboters” wäre ein guter Songtitel für die Klänge, die man da erschafft.

Etwas Kontrolle bekommt man im „Phrase Sampling”-Modus zurück, vor allem, wenn man das X-Poti auf Linksanschlag dreht und sein Spiel strikt an die Geschwindigkeit des Songs anpasst. Und mit „etwas” meine ich genau das: Auch in diesem Modus wird man am Anfang wohl viel Chaos erzeugen und seine Spielweise doch deutlich umstellen müssen.

Ebenso sind musikalisch kontrolliertere Ergebnisse erzielbar, wenn man den Mix einfach runterdreht – oder in ruhigen Passagen, in denen das Chaos den Raum bekommt, den es zur Entfaltung benötigt. Der Reverb („Space”) könnte mit nur einem Poti spartanischer nicht sein. So verwundert es nicht, dass sein Grundklang über den gesamten Regelweg relativ gleich bleibt, während sich vor allem die Ausklinglänge der Hallfahne ändert.

Selbst bei kurzen Einstellungen, bis zwölf Uhr am Poti, fällt eine helle, silbrige Note auf. Der Hall ist also kein dunkler, subtiler Ambience-Effekt. Bis zwölf Uhr befinden wir uns in einem Bereich, den ich für Rhythmus-Gitarre für angemessen halte.

Bei zwölf Uhr haben wir den Bereich erreicht, den ich persönlich für ein episches, aber noch nicht verwaschenes Solo anwenden würde. Ab zwölf Uhr öffnen sich die Räume und es wird sphärisch.

Schön finde ich, wie feinfühlig sich das mit Drehen am Poti einstellen lässt – der Regelweg ist also sehr „weit”. Ab drei Uhr und vor allem bei Rechtsanschlag befinden wir uns dann in den Weiten des Alls. Die silbrige Grundnote des Halls wird hier sakral. Man sitzt einfach nur da, lässt das Qi fließen und lauscht dem Klanggeschehen, ohne selbst noch eingreifen zu müssen. Oder gar zu wollen.

Insgesamt ist der Hall durchaus vielseitig anwendbar – und zwar genau dann, wenn man ihn im Kontext der „Flow”-Modi versteht – Series und Parallel. Verkürzt lässt sich feststellen, dass im Series-Modus die Effekte zu einer Art Klangteppich verschmelzen, einer Wolke aus Qi, die fast schon orchestrale Eigenschaften annimmt.

Im Parallel-Modus dagegen klingt das Geschehen wesentlich aufgeräumter, kontrollierter, die Effekte sind besser einzeln identifizier- und verortbar – auch der Reverb lässt sich hier mit dem trockenen Signal umgehen und damit besser dosieren.

Erstaunlicherweise erzeugt der Grain-Effekt im Parallel-Modus allerdings noch mehr Chaos als im Series-Modus. Das liegt vermutlich daran, dass die schlimmsten Auswüchse des Feedbackloops im Series-Modus in der Qi-Wolke übertüncht werden, während der Parallel-Modus sie dem überraschten Spieler knallhart um die Ohren pfeffert.

(Bild: Dieter Stork)

FAZIT

Mit dem Qi Etherealizer legen Walrus Audio und Yvette Young ein kreatives, frisches Multieffektpaket vor, dessen Zutaten zwar alle schon mal irgendwo (zumal bei Walrus selbst) auftauchten, aber in dieser Kombination einzigartig sein dürften.

Der Ambient-Rundumschlag bietet bei den Standardeffekten Chorus, Delay und Reverb zwar nicht wahnsinnig viele Einstellmöglichkeiten – die habe ich aber, vom Reverb abgesehen, auch gar nicht vermisst. Dafür öffnen sich beim „Grain”-Effekt alle Chakren für hemmungslosen Fluss des Qi – auch wenn die Kontrolle da ein ums andere Mal entgleitet. Wie von Walrus nicht anders zu erwarten, ist das Gebotene ohnehin qualitativ über jeden Zweifel erhaben.

Der Qi Etherealizer ist eigentlich ein Spezialgerät für Ambient, Post Rock und artverwandte Genres, in denen Yvette Young eben auch zuhause ist. Auch abseits dieser Genres kann er durchaus als Allround-Taschenmesser auf kleinen Pedalboards dienen, zumal der speicherbaren Vielfalt dank MIDI ja keine Grenzen gesetzt werden.

Wer nicht unbedingt in diesen Genres unterwegs ist und einfach nur ein Multieffektgerät mit Chorus, Delay und Reverb sucht, ist hier zwar nicht falsch, aber wird woanders zumindest günstiger bedient. Angesichts des sehr umfangreichen Feature-Pakets geht der recht hohe Preis von € 519 aber noch in Ordnung.

Plus

● Toller Klang
● Verarbeitung
● Einstellmöglichkeiten
● Konzept
● MIDI
● Stereo
● stirnseitige Anschlüsse

Minus

● Der Reverb könnte ein Tone-Poti gebrauchen

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2025)

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