Multi-Funktions-Räume

Test: Walrus Arp-87 Delay & Fathom Reverb

Anzeige
Walrus Arp-87 Delay & Fathom Reverb(Bild: Dieter Stork)

Muss ja nicht immer retro sein, oder? Statt Federhall und Tape-Delay zu simulieren, bieten die zwei Pedale des US-Herstellers unterschiedlichste Möglichkeiten an, dem Gitarrensound Raum zu verleihen, von klassisch bis experimentell.

Auf der Website des nach dem dicken Tier aus der Arktis benannten Herstellers, findet sich folgendes Motto: „Unser Ziel ist es, Effektpedale zu bauen, die genauso interessant zu spielen wie anzuschauen sind.“ Was die Optik angeht, funktioniert das Motto definitiv. Leicht glitzernde Lackierung und Zeichnungen des Musikers Nathan Price sorgen für Freude, mal schauen, was die Technik im Inneren der bunten Kisten so bietet.

Anzeige

fathom reverb

Im grün sparkelnden Fathom Reverb, finden sich vier verschiedene Hall-Effekte. Die mit Hall, Plate, LoFi und Sonar bezeichneten Modi lassen sich per Drehregler anwählen. Ausklang (Decay) des Halls, der Höhenanteil der Reflektionen (Dampen) und der Mix vom Original- und Hall-Signal lassen sich mit drei weiteren Potis einstellen. Der fünfte, mit X betitelte Regler ist bei den ersten drei Modi für die Modulationsstärke zuständig, die mit einem Mini-Toggle-Switch in drei Stärken angewählt werden kann. Im Sonar-Programm regelt er das Verhältnis zwischen tiefer und hoher Oktave, die den Hall-Reflektionen zugefügt wird.

Neben dem Bypass-Schalter, der den Effekt an- und ausschaltet, findet sich noch ein zweiter, mit Sustain betitelter Switch, der den Ausklang des Hallsignals quasi endlos verlängert.

Die Stromversorgung ist nur mit 9V-Netzteil möglich, ein Batterieanschluss findet sich nicht. An der Verarbeitung und Konstruktion gibt’s nichts zu meckern. Sowohl das Gehäuse als auch die Potis, Buchsen und Schalter machen einen äußerst soliden Eindruck.

Schon die ersten Töne machen klar, dass es sich hier nicht um einen Retro-Hall handelt, sondern um eine ziemlich eigenständige Soundmaschine. Der Hall-Modus liefert einen edlen, großen Hall, der äußerst cinematisch klingt. Mit Mix und Dwell auf 12 Uhr sitzt der Hall dezent hinter dem Attack des Originalsignals und verleiht ihm eine Weite, die sich perfekt für Soundtrack-Szenarien eignet und staubige Wüstenlandschaften vor meinem musikalischen Auge entstehen lässt. Dreht man den Decay-Regeler weiter auf, schwillt der Hall dramatisch an. Mit offenem Dampen-Regler wirkt das sehr spacig. Bedämpft man die Reflektionen etwas, wird der Klang dezenter und oldschooliger.

Der Plate-Modus erzeugt einen typischen Gitarren-Hall, der nach Blues- oder Sixties klingen kann. In den unteren Einstellungen des Decay-Reglers sind aber auch äußerst kleine Hallräume mit super-kurzem Ausklang möglich. Perfekt für scheppernde Dub-Reggae- und Fifties-Sounds. Abgefahrener wird’s im LoFi-Modus, der mit äußerst nicht-HiFi-mäßigem Decay aufwartet. Das erzeugt Weltraum-Atmosphäre oder bei weit aufgedrehtem Mix-Regler sehr ungitarristische Klänge. In Kombination mit Verzerrung kann man hier äußerst kaputte Sounds erzeugen, die viel Atmosphäre schaffen.

Genauso spannend ist die Sonar-Variante. Die hinzugefügten Oktaven lassen stehende Akkorde fast Synthie-artig klingen. Steht der X-Regler ganz links, erklingt nur die tiefe Oktave und man kann tolle Drone-Parts erzeugen. Fügt man die hohe Oktave hinzu, wandert der Sound ins Keyboard-/Orgelland, mit Assoziationen zu Streichern und Flöten. Schwer zu beschreiben, aber ganz schön spannend.

Schichtet man Akkorde in unterschiedlichen Einstellungen als Overdub im Looper oder Recording-Programm übereinander, erhält man abgefahrene, orchestrale Soundscapes, die förmlich nach dem Soundtrack-Auftrag verlangen. Mit voll aufgedrehtem Mix-Regler fällt auch der Akkord-Attack weg und man kann ganz wunderbare Flächen erzeugen, die wie Keyboard funktionieren, aber äußerst eigenständig klingen. Verstärken kann man das noch mit dem Sustain-Schalter, der den Ausklang ins Unendliche verlängert und so auch in der Bandsituation über mehrere Takte stehende Akkorde ermöglicht. Coole Sache!

Walrus Arp-87 Delay & Fathom Reverb(Bild: Dieter Stork)

arp-87 delay

Vom Konzept her ist das Arp-87-Delay aufgebaut wie sein Hall-Kollege. Auch hier stehen vier Modi zur Verfügung: Digital, Analog, LoFi und Slap. Regelbar ist die Lautstärke des Delays (Level), der Höhenanteil der Echos (Dampen) und die Wiederholungszahl. Ein Regler für die Verzögerungszeit, die bis zu 1000 ms geht, fehlt. Das erledigt der neben dem Bypass-Switch angebrachte Tap-Schalter. Ein optisches Einstellen bzw. Merken einer speziellen Verzögerungszeit ist also nicht möglich, was ich persönlich als Manko empfinde.

Auch ein Einstellen der Verzögerungszeit von Hand ist nur im Slapback-Modus möglich. Hier wird der Ratio-Regler, der ansonsten zwischen verschiedenen Wiederholungsarten wählt (Viertel, Achtel, punktierte Achtel, Triolen), zum TimeRegler. Da kann man nur hoffen, das einem das im Livebetrieb auch einfällt …

Ansonsten gestaltet sich das Einstellen der Verzögerungszeit mit dem Fuß problemlos. Man sollte lediglich darauf achten, dass sich die Verzögerungszeit beim Anwählen eines anderen Delaytyps diffizil verändert und ein nachjustieren erforderlich macht. Aber zwei Tritte mit dem Fuß sind schnell erledigt.

Aller Vielseitigkeit zum Trotz hat das Arp87 in allen Einstellungen einen eigenen Soundcharakter. Das Digital-Delay klingt auch bei nichtbedämpften Wiederholungen eher angenehm und etwas dunkler als man es von vielen Digital-Echos kennt. Das muss kein Nachteil sein, denn so wirken selbst rhythmische Delay-Parts nicht künstlich und aufdringlich-maschinenartig, sondern überzeugen bei aller Klarheit mit einer gewissen Wärme.

Schaltet man in den Analog-Modus um, tritt das Delay spürbar in den Hintergrund, die Wiederholungen werden dumpfer und zerren leicht an. Extreme Echo-Sounds sind nicht unbedingt möglich, denn der Anteil des Originalsignals ist fest eingestellt – selbst bei voll aufgedrehtem Level und Repeat-Regler ist noch das unbearbeitete Signal zu hören. So fällt auch die Selbstoszillation aus. Drückt man bei eingeschaltetem Delay den Tap-Regler dauerhaft nach unten, erhöht sich die Wiederholungsanzahl auf die maximal mögliche Stellung. Das geht in die gewünschte Richtung, erzeugt aber nicht die typischen Spaceship-Klänge von Hendrix und Pink Floyd.

Trashigere Klänge im positiven Sinn bietet der Lofi-Modus. Mithilfe des X-Reglers kann man den Filter zwischen klassischen Sixties-Klängen und äußerst kaputten Varianten variieren. Im Slap-Modus erhält man den typischen Rockabilly-Nachhall. Das klingt bis zur 11- Uhr-Stellung des Level-Reglers gut und authentisch. Dreht man den Level-Regler weiter auf, wird der Klang etwas künstlicher und färbt das Gitarrensignal stärker ein. Ob das gefällt, ist Geschmackssache. Ich persönlich hielt mich fürs authentische Schmalzlocken-Spielgefühl lieber in den unteren Level-Regionen auf.

resümee

Wer nicht im Retro-Konzept feststeckt und originelle, gut klingende Reverb-Sounds möchte, erhält mit dem Fathom Reverb eine Fülle an Möglichkeiten mit eigenständiger Note. Ein schöner breiter Studiohall ist ebenso möglich wie sphärische und Keyboard-artige Sounds für den Ambient-/Soundtrack-Musiker. Das grüne Kästchen hebt sich damit definitiv von vielen Mitbewerbern im Pedalformat ab. Das Arp-87-Delay liefert variantenreiche Delay-Sounds mit angenehmem Klangcharakter, ist aber kein Allround-Delay für alle Gelegenheiten. Bei rhythmischen Digital-Delays und warmen Analog-Delays für den Hintergrund kann es überzeugen, eignet sich aber nur bedingt für psychedelische Echos. Zudem muss man mit fehlendem Time-Regler und einer relativ komplexen Bedienbarkeit klarkommen.

www.walrusaudio.com

Preis UVP/Street: € 239/209

Walrus Arp-87 Delay & Fathom Reverb

Produkt: Gitarre & Bass Geschenkabonnement Print
Gitarre & Bass Geschenkabonnement Print
Mache jemandem eine Freude und verschenke GITARRE & BASS für ein Jahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren