Dunkle Engel

Test: t.man guitars Aries & Capricorn Heisterbacherrott

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(Bild: Dieter Stork)

Heisterbacherrott? Klingt gefährlich, soll es wohl auch, ist aber lediglich ein unweit von t.man guitars bei Bonn gelegener Wallfahrtsort – Hallelujah! Instrumente zum Niederknien also? Mal sehen …

Andreas Thiemann baut Gitarren und Bässe in Bonn nach individuellen Ansprüchen. „Das ist der Grund warum ich Gitarren baue: Weil sie ein Versprechen sind! Weil sie schöner sind, weil sie mutiger sind, weil sie besser sitzen als Gitarren von der Stange! Es ist eine besondere Musik, die ein Instrument macht, dessen Bausteine man selbst auswählt, dessen Farbe und Gesicht persönlich gezeichnet sind und dessen Bedienung ganz individuell bestimmt ist.“

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SCHWARZ, SCHWARZ, SCHWARZ SIND ALLE MEINE KLEIDER …

Die Single-Cut- und Double-Cut-Designs Aries und Capricorn von t.man guitars wenden sich, was ihren Look, aber auch was Machart und Ausstattung angeht, zweifellos an die härtere Klientel unter uns Spielern. Sie verfügen durchaus über vergleichbare Gene, auch wenn sie sich vom formalen Zuschnitt her unterscheiden.

Beide Gitarren sind aus denselben gut abgelagerten Tonhölzern gefertigt: Extraleichtes Swamp Ash (Sumpfesche – mittig gefügt bei Aries; vierteilig verleimt bei Capricorn) wurde für den Korpus mit pointiert ausgearbeiteter Linienführung und gewölbt ausgearbeiteter Front eingesetzt, welche sich wie eine Decke mit einem Perloid Binding eingefasst präsentiert. Am Boden oben findet sich der bekannt hilfreiche Konturschnitt zur komfortablen Anlage am Spieler.

Auch die extrem griffig profilierten und mit Öl seidig versiegelten Hälse weisen einen identischen Material-Mix auf: drei Streifen Ahorn – die außenliegenden zeigen eine feine Riegelstruktur – sind über schmale Einlagen aus Mahagoni miteinander verbunden. Komplettiert werden sie mit einem Griffbrett aus Ebenholz, in dem jeweils 22 minutiös kantenrund verarbeitete, extraharte Jumbobünde und kleine, seitlich platzierte Dots aus Perlmutt Platz finden.

Dreiteilig über Mahagonistreifen gefügte Ahornhälse (Bild: Dieter Stork)

Optisch stimmig wird der dunkle Look durch die mit Ebenholz besetzte Kopfplatte (mit t.man guitars Logo aus echtem Silber) und die mit Ebony-Buttons ausgestatteten Roundback Tuners von Kluson ergänzt. Nicht zuletzt zeigt sich auch in der sorgfältigen Bearbeitung und Politur des Knochensattels handwerkliche Finesse. Der Zugang zum Halsstab liegt unter dem korpusseitigen Griffbrettende verborgen. Für die Halsjustage sind lediglich zwei Schrauben zu lösen.

Am Korpus werden die Saiten bei beiden Gitarren dann über eine ABM-TOM-Bridge aus Glockenmessing geführt und danach in Strings-thru-Body-Manier gekontert.

Unterschiede: Die Hälse unserer Probanden sind durch die differierenden Korpusformen an unterschiedlichen Positionen eingeleimt. Die Aries findet ihren Ansatz am 16. Bund, der Halsfuß ist dabei mit sehr schön flüssiger Linienführung ins einzelne Cutaway hinein geführt; bei der Capricorn trifft der Hals wegen ihres Double-Cutaway-Designs in Höhe des 20. Bundes mit eher konventionell geradem Halsfuß auf den Korpus. Der Steg-Pickup der Capricorn ist zudem etwas mehr nach innen gerückt. Und, nicht unerheblich: Aries verfügt über die kürzere Mensur von 625 mm; Capricorn tritt mit 635 mm an.

Halsansatz mit Double Cutaway bei Capricorn; Single Cutaway mit angepasstem Halsfuß bei Aries (Bild: Dieter Stork)

Abgesehen von der unübersehbar differierend angelegten Regelmimik (2× Volume plus 2× Tone bei der Aries, Push/ Pull-Funktion im Tone-Regler; 2× Volume bei der Capricorn, Push/Pull im hinteren Regler) ist auch die Tonabnehmer-Bestückung nur auf den ersten Blick identisch. Die Aries verfügt über die aktiven Medium-Output-Pickups EMG 85 (Alnico) und EMG 89 (Alnico, separate Vorverstärker und Spulen für Humbucker und Singlecoil-Sound); die Capricorn sucht ihre High-Output-Kraftübertragung per EMG 81 und EMG 81 TW-R. Näheres dazu unten.

Bleiben noch die mit Deckeln aus Riegelahorn verschlossenen Elektrikfächer am Korpusboden zu erwähnen, in denen auch die zur Stromversorgung der aktiven Pickups nötigen 9V-Batterien untergebracht sind (könnten beide besser fixiert sein). Neben ihrem sehr stimmigen Design teilen die Gitarren am Ende dann noch ein Black Wudtone Semi Gloss Body Finish und nicht zuletzt ein kunstfertiges Handwerk, das mit Widmung für jedes Detail diese hochklassigen Instrumente deutlich von der gängigen Fabrikware abhebt.

Ebenholzgriffbretter mit perfekten Jumbo-Bundierungen (Bild: Dieter Stork)

… WEIL MEIN SCHATZ EIN SCHWERMETALLER IST

Die dunklen Engel von Heisterbacherrott sind nicht nur leicht an Gewicht (Aries gut 2,9 kg; Capricorn gut 2,8 kg), sie warten auch mit hervorragenden Spieleigenschaften auf. Von der Anlage und Ausrichtung, über die fluffigen, mit 45 mm Sattelbreite nicht zu schmal gestalteten, aber seitlich bestens verrundeten Halsprofile, über die akribisch verarbeiteten fetten Jumbobünde, bis hin zum auch im oberen Griffbrettbereich optimal frei gestellten Tonraum bei flach eingerichteter Saitenlage bleibt eigentlich kein Wunsch mehr offen. Wenn doch: frag einfach deinen Arzt oder Apo … äh, Gitarrenbauer.

Die elektrische Einrichtung folgt bei den Heisterbacherrotts offenbar unterschiedlichen Zielen. Das Modell Aries tritt mit der Kombination aus EMG 85 und EMG 89 (Hybrid aus Humbucker und Singlecoil) an, aktive Pickups von maßvollem Output, denen Nähe zur PAF-Style-Ästhetik nachgesagt wird. Die Capricorn dagegen ist mit den populären EMG-81-High-Output-Pickups ausgestattet. Der EMG 81TW-R in Halsposition ist dabei ebenfalls ein Humbucker mit Singlecoil-Option.

Wir eröffnen unsere vergleichenden Betrachtungen der elektrischen Potentiale mit dem Modell Aries:

Wie üblich, fehlt es EMG-Pickups keineswegs an Präsenz. Da macht auch das mit gemäßigtem Output antretende 85/89-Paar keine Ausnahme. Beide Pickups bieten bei klaren Amp-Einstellungen zunächst aufgeräumte und gut gestaffelte Akkordbilder, die mit beeindruckend plastischer Darstellung zu punkten wissen.

Obwohl die etwas ober-cleane, tendenziell analytische Umsetzung von EMGs nicht jedermanns Sache sein wird, muss man doch die Geschlossenheit und Gleichmäßigkeit der 85/89-Kombi loben. Eigenschaften, die auch das Melodiespiel mit direkter und Sustainreicher Tonentfaltung unterstützen. Die Saiten sind allerdings für die anvisierte Flutschfingerfraktion sehr flach eingerichtet, was bei kräftigem Anschlag ein dafür hinzunehmendes Aufschlaggeräusch erzeugt. Mit PAF-like Vintage-Seeligkeit ist das Klangambiente trotz einer gewissen Rundung und Wärme jedenfalls nicht zu verwechseln, allenfalls als Tendenz kann man das gelten lassen.

Immerhin verfügt die Aries über Tone-Regler mit denen sich die Spitzen begrenzen lassen. Die Regler sind im Übrigen konträr zum Standard platziert, also mit den Potis für die Kontrolle des StegPickups oben, schön für Blendmanöver mit dem kleinen Finger der rechten Hand.

Gehen wir in den Gain-Bereich, so ist die Unmittelbarkeit und Präsenz der Tonentfaltung schon schlagend. Der Hals-Pickup offeriert eine drückende Mischung aus Volumen und Bissigkeit, was bei kraftvoll pumpenden Powerchords den Anschlag markant herausstellt, uns aber auch mit tief greifendem Growl versorgt. Erstaunlich lang und ebenmäßig ist der Verlauf gehaltener Noten, die auch mit Obertönen nicht geizen.

Rasiermesserscharf und aggressiv vorspringend dann die Attitüde des EMG am Steg. Diese brizzelnd glasige Oberfläche will aber auch beherrscht sein, rhythmische Ungenauigkeiten werden keineswegs milde abgefangen, sondern wie jede andere Aktion auch deutlich herausgestellt. Was ich beschreibe, ist zwar typisch für den EMG-Sound, scheint aber von der t.man-Konstruktion noch besonders deutlich hervorgehoben zu werden. Wer damit umgehen kann, wird auf jeden Fall mit offensiv drückenden Power-Sounds belohnt.

Wechseln wir nun zur Capricorn und ihrem EMG-81-High-OutputPotential:

Diese beliebten und nicht ohne Grund meistverkauften Tonabnehmer von EMG arbeiten mit keramischen Magneten und bieten darüber die bekannte, sehr präsente und irgendwie auch leicht erregbare Tonstruktur. Entsprechend schnell ist die Ansprache, der Ton reagiert mit perkussivem Aufriss auf den Anschlag, zeigt eine nochmals zugespitzte Schärfe und Härte, verglichen mit den zuvor gehörten EMGs bei der Aries. Das ist jedenfalls eine Klangästhetik, die nicht nach Freundschaften im traditionellen Blues oder Classic Rock sucht. Wir steuern den Sound nun auch lediglich mit individuellen Volume-Reglern, wovon derjenige für den Steg-Pickup vorn platziert ist.

Schon klar: Mit der Capricorn werden keine Gefangenen gemacht, unmittelbare Schlagkraft und aggressive Angriffslust sind hier Thema. Die Clean-Sounds sind wiederum von der glasklar kühlen und etwas spröden Tonübertragung der 81er-EMGs geprägt, insgesamt erscheint das Klangbild dennoch straffer und definierter im Bassbereich, auch allgemein gerundeter als bei der Aries, was unter Zerrbedingungen besonders deutlich wird – die längere Mensur und der etwas mehr in die Mitte positionierte Bridge-Pickup der Capricorn bringen sich in Erinnerung. Als kompromisslos offensiv lassen sich natürlich trotzdem die Sounds in High-Gain-Settings beschreiben. Klassisch geradezu das aufreißende Anschlagsschnalzen bei knapp geführtem Plektrum.

Je nach Spielhaltung in Feuerwehrmannmanier die lodernden Flammen gerade noch kontrollierend, oder mit Schaum vor dem Mund auch direkt und steinhart zuschlagend, straight into the face. Es kommt halt der Tag, da will die Säge sägen. Dir ist nach Brett? Schon da, sobald du es nur denkst. Wie immer bei aktiven Tonabnehmern ist die Tonerzeugung mühelos, der Reflex auf den Anschlag spontan, das Sustain beeindruckend – der Preis für all diese Vorzüge ist indes mit etwas eingeschränktem Dynamikverhalten zu zahlen. Als besonders scharf schneidend erweist sich im Übrigen wenig überraschend die Singlecoil-Schaltung des Hals-Pickups bei beiden Gitarren, aber bitte: Bonus-Sound.

Beide Gitarren sind für das anvisierte Genre (mittelböse bis böse, aber nicht ganz böse, dafür sind sie nicht tief genug gelegt) höchst effektiv ausgelegte Werkzeuge und auch im High-Gain-Betrieb bleiben die Sounds dank der aktiven Schaltung so gut wie frei von Nebengeräuschen.

Klangästhetik geprägt von aktiven EMG-Pickups (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Black is beautiful und bei der Farbe bleibt es keineswegs: Andreas Thiemann legt mit seinem finsteren, gehörnten Paar Aries und Capricorn (Widder und Steinbock) nicht nur besonders leichte und leicht zu handhabende, sondern auch beachtlich durchsetzungsstark klingende Instrumente von leicht versetztem tonalem Charakter vor. Hervorragende Spieleigenschaften (toll geformte Hälse, perfekte Jumbo-Bundierungen) finden wir bei beiden Gitarren mit stringent zupackender, höchst präsenter Tonwandlung kombiniert.

Eine effektive Verbindung, die nur darauf wartet, Spieler mit glückshormonellen Ausschüttungen fluten zu dürfen, tendenziell metallische Neigungen einmal vorausgesetzt. Die Klangästhetik von EMGs steht für sich, bleibt wohl auch Geschmacksache, aber in diesen Instrumenten zeigen die aktiven Pickups doch auch wieder eindrucksvoll, wo ihre Stärken liegen. Diese stimmig konstruierten, ultra-cool gestalteten und klanglich zugespitzten Heisterbacherrott-Versionen (ts ts, dieser Name ..) sind jedenfalls unüberhörbar dafür ausgelegt, einen ganz bestimmten Nerv zu treffen.

Was könnte man Besseres vom individuellen Gitarrenbau berichten, an dieser Stelle hervorragend vertreten von t.man guitars, als dass er für jedes noch so spezielle Anliegen und natürlich auch in Absprache mit dem Musiker eine Lösung zu finden bereit und in der Lage ist. Kunde sei König!

PLUS

● stimmig originäres Design
● Schwingverhalten, Sustain
● druckvolle Sounds
● Halsprofile, Bundierungen
● beste Spielfreiheit
● Ergonomie/Handhabung
● minutiöse Verarbeitung

MINUS

● Batteriebefestigung

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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