Spira ist slowenisch und bedeutet „es fließt” oder „es läuft”. In diesem ob seiner Berge, Seen und Skigebiete bei Naturbegeisterten beliebten Balkanland wurde die neue Gitarrenmarke konzipiert und designt. Angesichts des Preises dürfte klar sein: gefertigt wird in China.
Mit der S-450 TRD, deren Curly-Maple-Decken- und Kopfplattenfurniere von transparentem Anthrazitgrau zu Feuerrot changieren und dem schicken Reversed Headstock beweisen die Designer-Geschmack.
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AUS DEM BACKOFEN
Während Ahorn neben Mahagoni das meist verarbeitete Holz für Gitarrenhälse ist, trifft man bei Solidbodys eher selten auf Pappel. Für die S-450 verwendet Spira Guitars ausschließlich thermisch behandelte Hölzer. Inzwischen ist erwiesen, dass selbige größere Dimensionsstabilität (z.B. Schrumpfen von Griffbrettern), höhere Dauerhaftigkeit (Stabilität) und verbessertes Klangverhalten zeigen. Belly Cut (Rippenrampe), Armschräge und abgerundete Bodenkanten verleihen dem Korpus der S-450 hohen Tragekomfort.
Lediglich die Decke hat man recht scharfkantig belassen. Eine schwarze Kunststoffplatte deckt Oberkante bündig das E-Fach ab, in dem ich auf passable Minipotis, einen Dreiwegschalter und sorgfältige Verdrahtung treffe. Ein ovales Zargenblech trägt die Klinkenbuchse. Mit Gummischeiben unterlegte vintage-style Strap Pins bieten dem Gurt sicheren Halt.
Die Thermobehandlung des Ahornhalses, der in Höhe der Bünde 1-3 großflächig geschäftet wurde, erkennt man schon an seiner bräunlichen Färbung. Das Ahorngriffbrett ist aufgeleimt, man spricht von „Maple Cap”. Die äußerst präzise gefräste Halstasche lässt keinerlei seitliche Bewegung zu. Sitzt, passt und hat null Luft. Vier einzeln unterlegte Schrauben garantieren eine stabile Verbindung mit bester Schwingungsübertragung.
24 perfekt eingesetzte und bearbeitete Jumbobünde bevölkern das Spielfeld, dessen Lagen kleine Sidedots und große, exzentrisch angeordnete Punkte markieren. Ein optimal aus- und abgerichteter Kunststoffsattel führt die Saiten über die Abdeckung des Double Action Truss Rod hinweg zur rückwärtig geneigten Kopfplatte, auf der Locking-Mechaniken geschmeidig und präzise arbeiten.
(Bild: Dieter Stork)
Als Extra spendiert der Hersteller seinen Gitarren einen Dämpfer, der die Saitenschwingungen zwischen Sattel und Tunern minimieren soll. Der Hardtail-Steg, dessen Basis aus 2 mm gewinkeltem Stahlblech fünffach auf der Decke verschraubt wurde, verfügt über sechs einzelne Gussreiter.
Zugabe: Saitendämpfer (Bild: Dieter Stork)
Nach dem Strings-thru-Prinzip werden die Ballends der Saiten auf der Korpusrückseite von sorgfältig eingelassen Hülsen gehalten. Da mir die Testgitarre mit recht hoher Saitenlage geliefert wurde, blieb es mir überlassen, die Reiter entsprechend nachzujustieren.
Jedoch ragten danach die Inbusmadenschrauben dermaßen weit aus den Reitern heraus, dass wegen ihrer scharfen Kanten Verletzungsgefahr bestand. Zwei Spira-Villian-Humbucker mit Keramikmagneten, höhenjustierbar direkt im Korpus montiert, wandeln die Saitenschwingungen.
Kontrolliert werden sie per Master-Volume und -Tone-Potis sowie einem 3-Weg-Blade-Schalter. Ergo lassen sich die Humbucker einzeln und als Paar anwählen. Spartanisch und schnörkellos halt.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
AN DEN AMP
Angesichts von gerade mal 3 kg Gewicht dürfte beim User Freude aufkommen. Sehr angenehm! Während die Gitarre ausgewogen auf dem Bein liegt, fällt bei Gurtbenutzung ihre extreme Kopflastigkeit unangenehm auf. Ursache ist der völlig deplatziert angebrachte Gurtknopf auf der Rückseite des oberen Cutaway-Horns. Abgesehen davon lässt sich die S-450 höchst komfortabel bespielen. Das nicht zu dünne Halsprofil mit seinen abgerundeten Griffbrettkanten und Bunddrähten kuschelt sich förmlich in meine Hand.
Die holzig griffigen Oberflächen bieten auch schwitzenden Händen eine angenehme Haptik. Stressfreien Zugang zu den höchsten Lagen bietet die gerundete Zarge am Halsübergang. Die gesamte Konstruktion gibt sich extrem schwingfreudig, was auch am Body deutlich zu spüren ist.
Soviel Intensität hätte ich von Pappel nicht erwartet, auch nicht von gerösteter. Straffe, definierte Bässe, prägnante Mitten, klare, luftige Höhen mit überdurchschnittlichem Obertongehalt prägen das ausgewogene Klangbild. Dank direkter, spontaner Ansprache, flinker, vitaler Tonentfaltung und hardtail-unterstütztem, standfestem Sustain punktet die Spira-Gitarre mit sehr guter Dynamik und fördert damit ausdrucksstarkes, variables Spiel.
Nicht nur aufgrund der durch den 24-Bund-Hals verschobenen Position des Neck-Pickups tönt dieser nicht ganz so wuchtig und druckvoll wie beispielsweise ein vintage-orientierter PAF oder ein vergleichbarer Abnehmer, sondern die Keramikmagnete des Spira Villian liefern per se ein aufgeräumteres, strafferes und klareres Klangbild bei etwa gleichem Output.
Ähnliches vernehme ich auch beim Villian-Stegpickup, dessen Frequenzbereich sich im Vergleich zu einem PAF-Pendant insgesamt frequenzmäßig etwas nach oben verschiebt, soll heißen kompakte Bässe, drahtige, stringente Mitten und knackig-klare Höhen mit reichem Obertonangehalt.
Die Kombi perlt glockig, klar und spritzig und bietet sich für cleanes Rhythmusspiel oder Arpeggien an. Soweit der cleane Verstärker. Im Distortion-Betrieb behalten die Sounds ihre Kompaktheit, Transparenz und ihr Durchsetzungsvermögen. Dabei zeigen die Pickups präzise Saitentrennung, setzen dynamisches, akzentuiertes Spiel adäquat um und unterstützen das Sustain. Ebenso feinfühlig reagieren sie auf das gleichmäßig arbeitende Volume-Poti.
RESÜMEE
Spira Guitars, ein neuer Stern am Gitarrenhimmel? In jedem Fall schonmal den Preis betreffend, denn für unter 400 Euro darf sich die Konkurrenz sicherlich warm anziehen. Erst Recht, wenn man dafür eine geschmackvoll designte, aus thermobehandelten Hölzern top verarbeitete Gitarre mit hochwertiger Hardware, sehr guten Resonanzeigenschaften und achtbaren Sounds erhält.
Die durch den deplatzierten vorderen Gurtpin verursachte Kopfplastigkeit hätte man bei sorgfältiger Endkontrolle ebenso feststellen müssen, wie die scharfkantigen Bridge-Schrauben bei Einstellung einer praktikablen Saitenlage. Trotz dieser Fauxpas komme ich nicht umhin, der Spira S-450 ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu attestieren.