Doppelt hallt besser

Test: Source Audio Ventris

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Source Audio Ventris(Bild: Dieter Stork)

Boutique Reverbs gibt es sicher genug auf dem Markt. Wie kann man sich also von der Konkurrenz absetzen? Na ganz einfach: Man baut einfach gleich zwei hochwertige Stereo-Reverbs in ein Gehäuse.

Zu Source Audio muss man vermutlich nicht mehr allzu viel sagen. Die Firma rund um Chef Roger Smith hat es sich seit der Gründung zum Ziel gemacht, Innovationen auf den doch recht konservativen Gitarrenmarkt zu bringen. Und um dies zu verwirklichen, werden Kundenmeinungen extrem ernst genommen. So gibt es im amerikanischen TheGearPage-Forum einen 350 Seiten langen Thread mit ca. 7000 Posts, in dem Features des neuen Reverbs angefragt und diskutiert wurden und werden. Die User wünschen sich echtes Spillover? OK, dann muss wohl ein zweiter DSP verbaut werden. Digitale Spring-Effekte klingen nie so wirklich gut? Tja, dann muss man sich wohl mal was Neues überlegen. Selbst der Name wurde diskutiert. Und nun liegt es vor mir, das Ventris Reverb.

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konzept und bedienung

Source Audio steckt das Ventris in ein robustes Gehäuse und verpasst dem Gerät zum Glück neben dem zentralen Poti zur Auswahl des Effektes sechs weitere Potis für die direkte Einstellung der Sounds. Alle Schalter und Regler fühlen sich hochwertig an und laufen geschmeidig und angenehm schwergängig. Die Fußschalter kommen dabei ohne nerviges Klacken daher, bieten aber dennoch einen gut definierten Druckpunkt. Bei einem Gerät dieser Klasse sind Stereo Ins und Outs ja schon Standard. Dazu gesellen sich MIDI In und Thru, ein Mini-USB Port für den Anschluss am PC, ein Anschluss für ein Pedal mit der Möglichkeit, dieses auf einen Switch umzuschalten und ein Control Input.

Das ist schon eine ganze Menge. Insbesondere bei diesem Funktionsumfang wünscht man sich eine kompetente Anleitung. In gedruckter Form kommt immerhin eine „Quick Start“-Karte mit, welche die einzelnen Potis beschreibt (interessanterweise wurde hier das Treble-Poti vergessen). Hier wird auch erklärt, welche jeweiligen Funktionen Control 1 und Control 2 bei den einzelnen Algorithmen erfüllen.

Auf der Homepage gibt es dann eine 67-seitige (englische) Bedienungsanleitung zum Download. Schade, dass diese nicht gleich beiliegt, einiges ist doch etwas erklärungsbedürftig, aber hey, immerhin gibt es sie. Doch selbst wenn man zunächst keine Internetverbindung zur Hand hat, kann man das Pedal ja zunächst „ganz normal“ nutzen: Einfach mittels beigelegtem Netzteil mit Strom versorgen, ein Gitarrenkabel rechts rein, eins links raus zum Amp und los geht’s.

Nun kann man einen Algorithmus seiner Wahl einstellen und hat dank der vielen Potis direkten Einfluss auf den resultierenden Sound. Stellt man beispielsweise „Room“ ein, justiert Time, Mix, Treble und Control 1 mittig und dreht Pre-Delay und Control 2 zu, so kann man seine Entdeckungstour auf sehr konventionelle Art starten. Klingt auch gut. Aber wer sowas will, kauft vielleicht lieber ein anderes Gerät.

An Anschlüssen wie dem USB-Port und dem Control Input sieht man schon, dass Source Audio hier deutlich mehr Optionen zur Kontrolle und Steuerung bietet, als viele andere Firmen. Siehe hierzu den Extra-Kasten.

Der linke Fußschalter ist ein ganz normaler On/Off-Switch. Hält man ihn gedrückt, so wechselt das Ventris zum nächsten Preset. Grafisch wird dies zwischen den Switches durch vier LEDs repräsentiert. Und möchte man das Gerät eher mit der Hand bedienen, so kann man auch den danebenliegenden Switch nutzen, um die Presets durchzuschalten oder zu speichern. Der rechte Schalter hingegen nennt sich schlicht „Option“ und unterscheidet zwischen schnellen Taps oder Press&Hold. Was er bewirkt, hängt vom ausgewählten Reverb-Typ ab. Möglichkeiten sind unter anderem Tap-Tempo, Hold, Build oder A/B Toggle. Mittels Neuro-App oder Desktop Editor kann man ihm auch weitere Funktionen zuweisen.

Spätestens jetzt ist klar, dass wir es hier technisch eher mit einem kleinen PC zu tun haben, als mit einem klassischen Reverb. Und wo in den allermeisten digitalen Effekten nur ein digitaler Signalprozessor (DSP) verbaut ist, da hat das Ventris gleich zwei. Sie laufen jeweils mit 56 Bit und sorgen so dafür, dass hier tatsächlich zwei unabhängige Stereo-Reverbs an Bord sind. Diese lassen sich über den kleinen A/B Reverb Selector anwählen. Hier entscheidet man, ob man nur Reverb A, nur Reverb B oder beide zeitgleich hören möchte. Standardmäßig werden in der letzten Einstellung beide Reverbs parallel betrieben. Du hättest sie lieber kaskadiert? Klar, kein Problem. Dies und noch eine Myriade anderer Dinge lassen sich teils am Gerät, teils per PC oder App einstellen.

Source Audio Ventris(Bild: Dieter Stork)

praxis und sounds

Schon gut gemacht, die Vereinigung aus schier unendlichen Möglichkeiten und einfacher Bedienung. Wenn man einen ganz normalen Sound möchte, ignoriert man einfach die drei Regler unten rechts und gelangt schnell zu tollen Ergebnissen. Alle üblichen Algorithmen klingen wirklich genau so, wie man sich das vorstellt und man findet nahezu sofort Einstellungen, die man abspeichern möchte.

Tatsächlich kommt „True Spring“ einem echten Spring-Reverb erschreckend nahe. Auch im direkten Vergleich mit meiner digitalen Referenz, dem Axe-Fx III, kann ich nicht ohne Weiteres sagen, welches Gerät mir hier besser gefällt. Mal das eine, dann nach etwas Nachregeln am Poti das andere. Ja, das Axe-Fx bietet noch extremere Einstellungen, aber für die meisten Praxis-Anwendungen bietet das Ventris den perfekten Funktionsumfang.

Was machen nun die Control-Regler? Im Beispiel des True Spring Reverbs steuern diese „Bass“ und „Spring Length“, also den Bassanteil des Wet-Signals und die Länge der Hallfedern. Letztere lässt sich in drei Schritten zwischen kurzen, mittleren und langen Federn einstellen. Bei der kurzen Einstellung bildet sich eine schöne Komposition aus Hall und trockenem Signal, perfekt, um etwas dezent anzudicken. Die mittlere Einstellung ist mein persönlicher Favorit. Hier wird der Hall schon deutlicher zum Effekt(-sound), schmiegt sich aber dennoch nah ans Signal an und klingt sehr organisch. Die längste Einstellung ist dann in erster Linie für distinkte Effekte zu gebrauchen. Ideal für Ambient oder Noise.

Auch die anderen Effekte sind sehr gelungen. So bietet das Modverb quasi im Vorbeigehen noch ein toll klingendes Tremolo und das Shimmer-Setting klingt endlich mal nicht so billig und verwaschen, wie es leider bei vielen Kollegen der Fall ist. In der App dürfen dann auch die erklingenden Intervalle gewählt werden. Hier scheint sich die Rechenleistung bezahlt zu machen.

Besonders interessant ist natürlich das Mischen von zwei Reverbs. So kann man zum Beispiel den Hauptteil des Reverbs per Swell ansteigen lassen, aber dennoch auch den initialen Teil des Signals mit einem Room-Reverb belegen. Zu langweilig? OK. Wie wäre es mit Shimmer und dem Offspring Reverb? Letzteres nutzt Allpass-Filter um einen Arpeggiatorähnlichen Effekt zu erzeugen. Keine Sorge, an kreativen Möglichkeiten wird es dir mit diesem Pedal ganz sicher nicht fehlen.

Und so können per App sogar noch mehr Algorithmen genutzt werden, als es zunächst über die Gehäuseoberfläche der Fall zu sein scheint. Aktuell stehen zusätzlich „Outboard Spring“ und „Metal Box“ zur Verfügung. Outboard Spring simuliert hierbei eine externe Spring Reverb Einheit, welche das Quäntchen mehr an Drip mitbringt und so, insbesondere im Pre-Delay, zu klanglichen Unterschieden führt. Bei Metal Box findet sich der Amp auf einmal in einer virtuellen Stahlbox. Und die ist gar nicht so groß. Hier geht es schon sehr speziell zu. Dreht man Control 2 auf, welches hier die Modulation regelt, so erhält man Chorus-artige Sounds. Ich bin schon gespannt, was es hier in Zukunft noch Neues zu entdecken geben wird.

Das versprochene Ausklingen der Hallfahnen bleibt zunächst aus. Das Gerät wird in der Werkseinstellung mit einem Hard-Bypass-Mode geliefert. Zum Glück lässt sich das in Sekundenschnelle am Gerät oder per App ändern und so kommt man in den wunderbaren Genuss von ewig klingenden Hallfahnen. Nun kann man auch das erste Preset ausklingen lassen und entspannt zum nächsten wechseln.

Source Audio Ventris(Bild: Dieter Stork)

resümee

Ja, es gibt eine ganze Menge Reverbs. Doch das Ventris macht einfach alles richtig: Es ist direkt am Gerät schon gut zu bedienen, und wenn man es an den Rechner oder die App anschließt, ist die Vielfalt nahezu endlos. Es bietet zwei völlig unabhängige Reverbs, die aber auch gemeinsam benutzt werden können – und man kann es natürlich in Stereo und per Expression Pedal nutzen. Dabei nimmt es ziemlich wenig Platz weg und bietet sogar noch Presets. Für ein Display war so leider kein Platz mehr, das ist aber verschmerzbar, bzw. erledigt sich eh, wenn man sein Board per MIDI ansteuert.

Das Ventris überzeugt durch super Sounds und die nahezu unendliche Vielfalt. Von daher ist auch der Preis durchaus angemessen. Für alle, die kein Problem damit haben eine Stunde ihres Lebens mit dem Lesen von Bedienungsanleitungen oder der Installation von Apps zu verbringen, aktuell eins der besten Pedale am Markt.

PLUS
• Sounds
• Vielfalt
• Steuermöglichkeiten
• echte Tails
MINUS
• Anleitung nur per Download


Hot Hand? Neuro Editor? Neuro Hub? Die Vielfalt der Source-Audio Welt

Source Audio war schon immer etwas speziell. Das zeigte sich recht früh in der innovativen Hot Hand Steuerung. Hierbei wird ein 3-Achsen-Beschleunigungsmesser an der Hand, dem Fuß oder auch der Kopfplatte des Instruments befestigt und sendet dann kabellos Steuersignale. Mit der neuesten Version 3 kann die Hot Hand direkt am Ventris oder den Soundblox Effekten von Source Audio, aber auch an anderen Pedalen mit Expression-Input betrieben werden (Geräte von Eventide, Line6 … ). Die Steuersignale können dann für diverse Effekte genutzt werden, beispielsweise um Filter-Sweeps, Drive-Level oder die Modulation eines Effekts zu steuern.

Du hast noch mehr Source Audio Pedale? Dann könnte der Neuro Hub etwas für dich sein. Hier kannst du bis zu fünf Pedale anschließen und deren Einstellungen zeitgleich als Preset speichern. Von den sogenannten Scenes kannst du insgesamt 128 erstellen. Das Ganze natürlich mit MIDI Integration und der Möglichkeit, ein Hot Hand sowie ein Expression Pedal anzuschließen. Quasi das digitale Gehirn deiner Source Audio Effekt Armada.

Klingt ja alles gut, aber du hast keine Lust alles am Gerät selber einzustellen oder du brauchst Zugriff auf die tiefergehenden Funktionen? Dann brauchst du die Neuro App oder den Neuro Desktop Editor. Hier kannst du mittels grafischer Nutzeroberfläche ganz einfach sehr abgedrehte Presets erstellen. So stehen beim Ventris sogar Effektalgorithmen bereit, die es nicht auf die Frontplatte des Geräts geschafft haben. Hier kann man die Presets natürlich auch mit Namen versehen, abspeichern und mit anderen austauschen. Nicht zuletzt lässt sich über den Desktop Editor auch die Firmware des Geräts updaten.

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(erschienen in Gitarre & Bass 11/2018)

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