Klingt mikrofonisch?

Test: SIB Systems Rocket II

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(Bild: Dieter Stork)

Sibi Siebert, von Hause aus Schlagzeuger und seines Zeichens Vertriebsleiter bei Sky Music Distribution ist vielen Bassisten als Importeur der Marke EBS aus Schweden bekannt und lädt nun uns Gitarristen zum Test seiner eigentlich für die Abnahme von Snare Drum und Toms optimierten Rocket-Two-Mikrofone ein. Na, dann drücken wir mal „Record“.

Gitarrenlautsprecher mit dynamischen wie auch Bändchen- und Röhrenmikrofonen abzunehmen, ist in Studios nach wie vor der gehobene Standard und um eine „international“ klingende Produktion zu erzielen, verlässt sich bei Weitem nicht jeder Produzent auf digitale Boxensimulationen aus dem Rechner. Das Shure SM57, das Royer R-121, Sennheisers MD421 und MD441, wie auch das legendäre, aber auch extrem teure Neumann U67, sind nach wie vor, die meistgenutzten Mikrofontypen für die Abnahme von Greenback und Vintage 30. Nun reiht sich mit dem SIB Systems Rocket-Two ein weiterer, vermeintlicher Shure-SM57-Klon in die lange Reihe der möglichen Alternativen ein.

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KONSTRUKTION

Schon beim Auspacken aus dem mitgelieferten Stoffbeutel, fällt die mit ca. 11,8 cm ausgesprochen kurze Gesamtlänge des SIB Systems Rocket-Two auf. Das Rocket-Two ist somit genau so kurz wie ein kleines Rhode NT5, dafür aber im Durchmesser mit 4 cm doppelt so dick und wirkt auf Anhieb wie ein etwas gestauchtes, dezent übergewichtiges SM57, denn der Korb über der Kapsel ist nahezu baugleich im Vergleich zum US-Klassiker aus dem Hause Shure.

Vermutlich würde beim Rocket-Two ein Shure-RK244G-Korb sogar als Ersatzteil passen. Aber ausprobieren wollte ich das bei unserem Test nicht, denn bei solchen Umbauarbeiten läuft man leider immer etwas Gefahr, dass man das Mikrofon beschädigt. Und eben an genau der Stelle, wo der Korb endet, sitzt beim Rocket-Two-Gehäuse ein halbdurchsichtiger, roter Plastikschutzmantel, der augenscheinlich mit dem unteren Teil der darin liegenden Kapsel verklebt ist. Soviel Einblick in die inneren Werte und auf den grob verteilten Kleber wäre gar nicht nötig gewesen, denn leider wirkt das Mikrofon aufgrund dieses optischen Features nicht gerade besonders hochwertig. An dieser Stelle würde ein undurchsichtiger Kunststoff den Gesamteindruck spürbar verbessern.

Positiv fällt jedoch auf, dass das Metallgehäuse des Rocket-Two bereits eine eingebaute Mikrofonklemme inklusive Reduziergewinde aufweist. Diese Bauform kann im Bühnen-Alltag beim Aufbau der Mikrofone sehr hilfreich sein und erlaubt es vor allem bei der Platzierung über Snare und Toms, sehr wenig Platz einzunehmen. Und der geringe Platzbedarf hilft auch bei der Platzierung eines oder gleich mehrerer Rocket-Two-Mikrofone in kleinen Isolation-Cabinets, wie der bei unserem Test verwendeten Box of Doom aus der Basic Serie.

TESTAUFBAU

Um Ähnlichkeiten wie auch deutliche Unterschiede zu den US-Klassikern aus dem Hause Shure feststellen zu können, positionierten wir zwei SIB-Rocket-Two-Mikrofone an exakt den gleichen Positionen innerhalb des Box of Doom Isolation Cabinets, an denen zuvor ein echtes, altes Shure Unidyne III SM57 made in USA und ein altes Shure 545SD standen. Beide Shure-Originale werden in gutem Zustand derzeit bei jeweils 250 bis 400 Euro als Vintage-Mikrofone gehandelt und sind somit ein Vielfaches teurer als die beiden getesteten SIB Systems Mikrofone.

Als Signalquelle diente ein Audiofile, das vor dem Test mit einer 1952er Blackguard Telecaster auf einen hochwertigen Hardware-Looper aufgenommen wurde. Diese Aufnahme wird durch einen 1968er Marshall 50 Watt Tremolo Plexi verstärkt und mit einem originalen 1967er Celestion G12M 20 Watt Greenback in der Box of Doom wiedergegeben. Als Mikrofon-Preamp dienten zwei nahezu identisch klingende alte Neumann V476B mit aufeinanderfolgenden Seriennummern. Summiert wurden zwei Mikrofone, für einen aussagekräftigen Direktvergleich in der für das Fredman Studio typischen Position vor dem Lautsprecher (s. Kasten), mit einer V475-Summier-Stufe mit Haufe-Übertrager aus einem Neumann N20-Pult.

(Bild: Dieter Stork)

SOUND(FILES)

Ein schneller erster Test ist zunächst ernüchternd, denn im Direktvergleich klingen ein SIB Rocket-Two und ein SM57 Unidyne III tatsächlich sehr ähnlich, sofern man die Mikrofone auf die On-Axis-Positionen vor den Lautsprecher stellt.

Wählt man jedoch eine Off-Axis-Position, stellt das Mikrofon wohlmöglich nicht gerade, sondern in einem 45 bis 60 Grad Winkel zum Lautsprecher auf, werden die Unterschiede wesentlich deutlicher. Das Rocket-Two klingt hier etwas enger, moderner, verliert allerdings auch Lautheit im Vergleich zum Shure-Mikrofon.

Die Nierencharakteristik der Rocket-Two ist also nicht ganz genau die gleiche, wie beim SM57, sondern sie ist etwas direktionaler. Noch deutlicher wird die für den Live-Betrieb ausgesprochen zweckdienliche Richtcharakteristik des SIB-Mikrofons, sofern ein 545SD in der Off-Axis-Position zum Direktvergleich mit SIB Systems RocketTwo steht. Hier lässt sich sogar ein Unterschied von mehreren Dezibel zwischen dem lauten Shure und dem etwas verhaltener und dunkler klingenden Rocket-Two messen.

So betonen die Rocket-Two den Bereich zwischen 100 Hz und 200 Hz merkbar anders als die Shure-Mikrofone und bilden auch zwischen 5 kHz und 6 kHz etwas enger und dadurch weniger transparent ab. Aber messen alleine hilft bei Audiosignalen nicht und was wäre ein Mikrofontest ohne Soundfiles? (Die Soundfiles befinden sich auf der nächsten Seite!)

Die Mikrofon-Positionen in den sechs kurzen Hörbeispielen entsprechen der klassischen Studio-Fredman-Dual-SM57-Mikrofonierung, wie sie seit den Neunzigern in zahlreichen Rock- und Metal-Produktionen verwendet wurde. Ein SM57 Unidyne III steht on axis und ein 545SD steht quasi off axis im Winkel von 55 Grad zum SM57-Mikrofon und beide Shure-Mikros werden in diesen Positionen gegen zwei SIB Systems Rocket-Two getauscht.

Hierbei stellte sich heraus, dass die SIB-Systems-Mikrofone exakt 180 Grad phasenverkehrt zu den Shure Mikrofonen aufnehmen. Zur besseren Durchhörbarkeit und auch, damit die vier Audiofiles mit den einzelnen Mikrofonen in ihren Positionen in der eignen DAW miteinander frei kombinier- und mischbar sind, haben wir daher die Phasen der Rocket-Two am Neumann-Preamp um 180 Grad gedreht.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Zwischen den echten, alten Shure-Klassikern und den mit knapp 100 Euro Street Price sehr viel günstigeren und dennoch in Deutschland hergestellten SIB-Systems-Rocket-Two-Mikrofonen gibt es im Frequenzgang zwar messbare und deutlich hörbare Unterschiede, dennoch klingen die Rocket-Two schon irgendwie typisch nach SM57-Derivat. Warum sollte Sibi Siebert auch ein derart etabliertes Klangbild stark verändern wollen? Bei den SIB-System-Rocket-Two-Mikrofonen geht es vielmehr darum, ein paar Probleme, wie starkes Signalübersprechen von anderen Schallquellen seitlich vom Mikrofon durch eine verbesserte Direktionalität der Rocket-Two Kapseln zu minimieren und großen Platzbedarf vor Toms und Snare zu vermeiden und dabei den altbewährten Sound nur wenig zu verändern. Im Isolation Cabinet haben die SIB Systems Rocket-Two daher sogar die pragmatischeren Klangeigenschaften und nehmen weniger Kammfiltereffekte durch die Reflektionen des Signals von den Seitenwänden auf. Das macht die SIB Systems Rocket-Two zu sehr gelungenen Allroundern unter den Dynamischen Mikrofonen.

PLUS

● integrierte Mikrofon-Klemme
● sehr kurzes Gehäuse
● charakterstarker Klang
● ausgeprägte Direktionalität

MINUS

● Look (Verklebung des Gehäuses mit der Kapsel)

Produkt: P-90 Pickups
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Danke für den Bericht!
    Der Minus-Punkt ist geändert Verklebung jetzt richtig schön!!

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