Bacchantisches Feuer

Test: Seth Baccus Nautilus Standard

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(Bild: Dieter Stork)

Hm, der Name weckt Assoziationen, ist nah bei Bacchus, Beiname des Dionysos, dem griechischen Gott für Wein und Rausch. Auch den Römern als Synonym für Wein und Fruchtbarkeit bekannt. Berühmt berüchtigt sind die ekstatisch ausufernden Kultfeiern der Bacchanten … fängt doch gut an, nicht?

Soll mal jemand behaupten, bei G&B ginge es nur um schnöde technische Details. Im Hier und Jetzt wollen wir uns aber nun dem englischen Gitarrenbauer Seth Baccus und seinen edlen Kreationen zuwenden, vertreten durch das Standard-Design Nautilus. Seth ist in der Werkstatt seines berühmten Stiefvaters Andy Manson (baute Gitarren für John Paul Jones, Jimmy Page, Mike Oldfield, Don Felder, Josh Homme u. a.) quasi mit Sägespänen im Haar und dem Geruch von Holz in der Nase groß geworden, hat überdies vor seiner eigenen Laufbahn als selbständiger Luthier eng mit Hugh Manson von Manson’s Guitar Shop an der Entwicklung der Manson Matt Ballamy Gitarren (Muse) gearbeitet und war als Gitarrentechniker u. a. für John Paul Jones und Led Zeppelin unterwegs.

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Mahagonikraft und Maultiergold

Mit dem Unterseeboot Nautilus des Kapitän Nemo nahm Jules Verne in den 1870er-Jahren gleich mehrere technische Entwicklungen vorweg (leistungsstarke Elektromotoren, Transformatoren und Energie aus Brennstoffzellen). Was wie Steampunk oder Retro-Futurismus klingen mag, soll uns an dieser Stelle wohl eher als Begriff für technisch versierte Fortschreibungen auf traditioneller Grundlage dienen.

Das Design der Nautilus des Seth Baccus bringt verschiedene klassische Bezüge harmonisch mit modernen Ansprüchen in Einklang. Aspekte von Les Paul, Telecaster und nicht zuletzt von Andy Mansons Bluebird-Design wurden dabei der Vision einer übergeordneten Form schlicht unterworfen, sind Zitat und Referenz zugleich und damit hat sich’s aber dann auch.

Für den gut 44 mm starken, mittig gefügten Korpus der Nautilus Standard kam FSC-zertifiziertes Honduras-Mahagoni zum Einsatz. Sanfte Konturen im Bereich der Armauf- und Rippenanlage sorgen für komfortable Spielbedingungen. Der S-förmig vom oberen Horn ins pointiert gestaltete Cutaway geführte Korpuszuschnitt im Bereich der Halsaufnahme gewährleistet zudem eine optimale Freistellung der hohen Bünde. Der mit abgeschrägt angepasstem Halsfuß tief in den Korpus eingeleimte einteilige Hals aus Honduras-Mahagoni ist mit einem Griffbrett aus ebenfalls zertifiziertem Ebenholz (Rainforest Alliance) kombiniert.

(Bild: Dieter Stork)

Auffällig gute Bearbeitung mit penibler Endverrundung und glänzender Politur weisen die 22 extraharten Medium Jumbobünde von Jescar auf. Dot Inlays aus Perlmutt markieren die Lagen an den üblichen Stellen. Auf der kleinen, konisch gestalteten und mit Ebenholz furnierten Kopfplatte finden wir die formschönen SGL-510-Mechaniken von Gotoh mit kleinen schwarzen Flügeln.

Ein sehr schönes Detail ist die fein gearbeitete Abdeckung des Halsstabzugangs mit eingelegtem Nautilus-Symbol aus Perlmutt.

Die Saiten werden mit geradem Zug und gutem Andruck über den ebenfalls höchst sorgfältig bearbeiteten Sattel aus Knochen in 648 mm Mensurlänge hinüber zur ABM 2500N Bridge aus Glockenmessing mit verstellbaren Einzelsaitenreitern geführt. Gekontert werden sie vom Locking Aluminium Tailpiece von TonePros.

Elektrische Kompetenz vermitteln zwei in Gold-Foil-Kappen gesetzte Vintage-Style-Humbucker von Bare Knuckle. Die mit Alnico-IV-Magneten ausgestatteten ‚The Mule‘-Pickups folgen mit unterschiedlich stark gewickelten Spulen exakten 59er-PAF-Spezifikationen. Geschaltet werden die Tonabnehmer konventionell mit einem hinten unten auf die Decke gesetzten Dreiwege-Toggle; zur Steuerung stehen ein RS-CTS-Super-Volume-Pot und ein Tone-Regler mit Push/Pull-Coil-Split-Funktion zur Verfügung.

Zu erwähnen bleibt neben der in jeder Hinsicht wunderbar minutiösen Verarbeitung noch die gleichmäßig schöne matte Patina aller Nickel-Parts, das formal stimmig gestaltete dreilagige Pickguard und nicht zuletzt ein überaus elegantes Finish, das die Gitarre in einer Mischung aus Schellack, Öl und Wachs makellos samtig versiegelt.

Samtig elegant – oder kick ass?

Mit der Nautilus Standard fällt uns eine ins Optimum getriebene Gitarre in die Hand. Eine ultimative Aussage, die nach belastbaren Beweisen schreit. Mag die Beschreibung von ergonomischen und spieltechnischen Eigenschaften noch nachvollziehbar sein, stoßen wir mit Klangschilderungen doch schnell an unsere Grenzen. Dennoch versuchen wir Testpiloten natürlich stets, unsere Eindrücke so plastisch wie möglich rüberzubringen, um aufzuzeigen, was geht oder nicht geht, ob der Turbo zündet oder nicht. Eine annähernde Ahnung von Sounds zu vermitteln, bleibt dennoch immer Herausforderung. Wegen der immer weiter verbesserten Industriestandards in der Serienproduktion gibt es heute auch kaum mehr instrumentale Rohrkrepierer. Was aber einen wirklichen Unterschied macht, ist der individuelle Zuschnitt mit absoluter Widmung für das Detail auf Grundlage langjähriger Erfahrung in der Handfertigung begabter Kunsthandwerker.

Perfekte Verrundung der Bundenden (Bild: Dieter Stork)

Die Nautilus Standard ist dafür ein gutes Beispiel. Mit seinem Medium-Custom-Neck-Profile bietet das Instrument exzellente Spieleigenschaften und die Verarbeitung der Bundierung ist schlicht High-End. Die Bundenden sind bis an die Griffbrettränder vorgezogen und in Perfektion verrundet.

Der Vorteil: maximale Auflagefläche für Bendings.

Nachteil: bei bestimmten Handhaltungen fühlt sich das etwas eckig an. Wer es anders mag: kein Problem, bewegen wir uns doch im Custom-Gitarrenbau mit persönlicher Feinabstimmung.

Obwohl als Single-Cut-Gitarre aus Mahagoni mit eingeleimtem Hals prinzipiell auf Gibsons Golden Era der 50er-Jahre bezogen, tritt die Nautilus mit der langen 648-mm-Fender-Mensur an. Diese Kombination gründet auf dem Kundenwunsch nach fetten Single-Cut-Sounds in Verbindung mit mehr Klarheit und Stringenz in der Tonentfaltung. Tatsächlich wartet die Nautilus mit famos straffen Bässen und bester Transparenz im Akkord auf. Die Ansprache ist präzise, eine gute Tonlänge ist über das ganze Griffbrett hinweg gleichmäßig zu erzielen. Begeisternd aber ist der sanft schiebende Aufstieg von harmonischen Obertönen direkt nach dem Anschlag, ein Phänomen, das neben souveräner Farbgebung für einen geradezu atmenden Ton sorgt.

Gehen wir in den Amp, so erweisen sich die Bare-Knuckle-Humbucker als elektrische Umsetzer für einen integren Sound auf traditionellem Grund. Nicht umsonst ist der gute alte PAF immer noch feuchter nostalgischer Gitarristentraum und Ausgangspunkt für moderne klangliche Überhöhung zugleich. Jedenfalls setzen die ‚Mule‘-Pickups die vitalen akustischen Basis-Sounds der Nautilus auch elektrisch wirkungsvoll farbstark in Szene.

Der Humbucker am Hals bildet in klaren Einstellungen das volle Frequenzspektrum in ausgeglichener harmonischer Gewichtung ab. Die schöne Transparenz im Akkord ist einer sauberen Saitenseparation mit klanglicher Tiefenschärfe und glockenklarer Definition zu danken. Schnell und präzise in der Ansprache und standfest in der Tonentfaltung ist hier von der Begleitarbeit bis zum Solospiel nur Bestes zu holen. Gehen wir in den Zerrkanal, so nimmt uns der tiefe Growl von Powerchords gefangen, wobei tatsächlich die immer noch straffe, leicht knochige Kontur in der Bassdarstellung zu loben ist. Auch bei stärkeren Zerrgraden rollen Akkorde mit bemerkenswert harmonischem Ineinandergreifen der Stimmen ab. Wonnevoll dann auch das solistische Spiel mit schmatzend aufreißenden Noten. Dieses Verschmelzen auch schärferer Zweiklänge hat etwas Erotisches, Hingabe wird eingefordert, aber dafür geht es dann auch ab! Die Nautilus folgt jeder musikalischen Intention mit leichtem Fuß, setzt spieltechnische Aktionen bildstark um.

Bare Knuckle ‚The Mule‘ Humbucker mit Gold-Foil-Kappen (Bild: Dieter Stork)

Der Steg-Humbucker prunkt ebenfalls mit sauberer Tondefinition in einem bestens gegliederten Akkordbild von kompakter Rundung. Etwas enger und schlanker anmutend, werden die Bässe kompakt und knackig umgesetzt. Wohldosierte Mitten mit überschaubarer Kompression geben den freien Höhen guten Raum, den sie dann auch mit schlüssigem Ausdruck und offensivem Snap zu nutzen wissen. Im Overdrive zeigt der Mule-Humbucker dann große Klasse mit perkussiv anreißender Kraft. Er springt beim Umschalten leicht vor, zeigt tolle Präsenz und einen richtig offensiven Biss. Auch geht er mit unterschiedlichen Zerrgraden souverän um, liefert von geschmeidig bis böse bestens konturierte, vor allem aber dynamisch effektiv steuerbare Sounds – große Klasse!

Bonus ist dann noch die im Tone-Regler angelegte Coil-Split-Funktion. Die damit aufgerufenen Singlecoil-Sounds reichen von kehliger Attitüde – nicht sehr fenderisch, aber mit straffer Tongestalt – bis hin zum bissig herausgequetschtem Twang, der eine überraschend zupackende Präsenz mit viel Snap im Gain-Kontext anbietet. Auch die Mittelstellung mit den SCs in Kombination liefert einen speziellen, aber dennoch richtig guten, hohlwangig ausgekämmten Sound.

Eine kleine Einschränkung finden wir bei der Handhabung der Push/Pull Coil Split-Funktion. Im Kampfmodus ist mit feuchten Fingern der etwas schwer in Grundstellung eingerastete Potiknopf kaum hochzubringen.

Resümee

Seth Baccus baut wunderbare Gitarren. Das könnte man einfach so schon stehen lassen, aber das wäre dann doch wohl etwas sehr schmal in der Aussage und da der Protagonist bei uns bis jetzt auch noch ein ziemlich unbeschriebenes Blatt ist, sei noch einmal zusammengefasst, was er mit dem Nautilus-Design in der Standard-Ausführung geschaffen hat: eine wunderbar ausgeglichen und farbstark klingende Mahagonigitarre, geradezu detailversessen gefertigt aus dem begehrten Holz honduranischer Herkunft (mit FSC-Zertifikat für nachhaltige Produktion).

Ein Single-Cutaway-Design, das Anleihen macht bei traditionell bewährten Konstruktionsmethoden (Set-Neck wie bei Gibson – lange 648 mm Mensur wie bei Fender) um die zitierten Vorbilder dann funktional und tonfarblich zu übertreffen. Das gelingt zum einen durch famose Spiel- und Handhabungseigenschaften und zum anderen durch ausgezeichnetes Tonholz, ausgewählte Hardware und die pointierte Klangumsetzung über Bare Knuckles exzellente ‚The Mule‘-Tonabnehmer. Kurz: ein Instrument der Gourmet-Klasse!

PLUS

  • originäres Design
  • ausgesuchtes Tonholz
  • Resonanzverhalten
  • Bare Knuckle Pickups
  • Sounds, klangliche Beweglichkeit
  • Halsprofil, Bundierung
  • Spieleigenschaften
  • minutiöse Verarbeitung

MINUS

  • Push/Pull mit feuchten Fingern kaum zu ziehen

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019)

 

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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