Böser Reißwolf

Test: Schecter Sun Valley Super Shredder PT FR

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(Bild: Dieter Stork)

Schecter bedient immer schon die Hard’n’Heavy-Fraktion mit tiefer gelegtem Handwerkszeug. Die neuen Modelle aus der Sun-Valley-Series rufen Erinnerungen an die 80er-Jahre wach, als sich unter dem Begriff Shredding eine neue, überbordende Spieltechnik mit „höher, schneller, weiter“-Attitüde Bahn brach.

Im Schecter-Katalog der Neuerscheinungen für dieses Jahr sind nur leicht unterschiedlich ausgestattete Sun-Valley-Super-Shredder-Modelle in den bekannten Basisformen für Schraubhalsgitarren Tele-Style und Strat-Style gelistet. Alle verfügen über flache Hälse, aktive Pickups und ein Floyd-Rose-Vibrato.

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ARTGERECHTE HÄCKSLER-AUSSTATTUNG

Die vorgelegte Sun-Valley-Super-Shredder-Version gehört in die Kategorie der T-style Gitarren und wartet mit einem Korpus von gut 4,5 cm Stärke aus Mahagoni auf, der großzügige Konturen für die Armauflage auf der Decke und rippenschonende Anlage am Boden, sowie Abgleichungen im Bereich der Halsaufnahme und im Cutaway aufweist. Der matt versiegelte und mit Thin-C-Profil flach gestaltete einteilige Ahornhals ist mit vier versenkt angebrachten Schrauben fest im Korpus verankert. Im aufgeleimten Griffbrett aus Ahorn von 14″ Griffbrettradius finden wir 22 fette und überraschend kantenglatt verarbeitete X-Jumbo-Bünde.

Ahornhals mit XL-Bundierung. (Bild: Dieter Stork)

Kleine schwarze, seitlich gesetzte Punkteinlagen (Offset/Reverse Dots) markieren die Lagen. Leichten Zugang zum 2-Wege-Halsstab gewährt im Übrigen eine Spannmutter (Spoke Wheel) am korpusseitigen Griffbrettende. Die parallel herausgeführte Kopfplatte ist mit Schecter Mini Tuners ausgestattet, von denen die Saiten mit geradem Zug über einen Saitenniederhalter zum Floyd Rose Special Nut geführt werden, einer Klemmvorrichtung zur Arretierung der Saiten. Korrespondierend dazu ist am Korpus das exklusiv für Schecter gebaute Floyd Rose Special Hot Rod Locking Tremolo verbaut.

Floyd Rose Special Hot Rod Locking Tremolo. (Bild: Dieter Stork)

Die elektrische Klangumsetzung übernehmen zwei EMG-Retro-Active-Hot-70-Pickups. Um dem Sound passiver Pickups nahezukommen, werden traditionelle Spulen in Verbindung mit einem Plug-on-Preamp eingesetzt. Zur Verwaltung stehen lediglich individuelle Volume-Regler zur Verfügung; der für den Steg-Pickup zuständige wurde vorn platziert. Ein 3-Wege-Schalter schaltet die aktiven Pickups in gewohnter Weise allein oder zusammen.

Das zur Stromversorgung benötigte „9-Volt Clip-in Battery Compartment“ ist am Boden der Gitarre eingelassen. Zu erwähnen bleiben noch das klassische schwarze Pickguard, angemessen große Gurtpins und allgemein schwarze Hardware. Das ordentlich verarbeitete Super-Shredder-Modell ist in nicht zu knalligem Sea Foam Green deckend lackiert – da kannte man in den 80er-Jahren deutlich aggressivere Farbgebungen.

VOLLBEDIENUNG? JA, ABER BITTE!

Der Super Shredder in dieser T-style Variante mutete nur auf den ersten Blick etwas merkwürdig an. Das Ur-Gitarrenkonzept wird hier quasi aus den 50ern über die 80er- bis in die 2020er-Jahre teleportiert. Das sind immerhin nicht weniger als 70 Jahre Gitarrengeschichte in eine zeitgemäß aktualisierte, komprimierte Form gebracht, bzw. genretypisch ausgerichtet. Eigentlich nicht ganz so verwunderlich, zieht sich die Spur der guten alten Telecaster doch immer schon durch die heftigen bis virtuosen Spielweisen mit hochrangigen Protagonisten von Jimmy Page bis Richie Kotzen.

Der meerschaumgrüne Häcksler ist mit 4 kg zumindest in der vorliegenden Ausführung erst einmal erstaunlich schwer. Heavy Wood für schwere Jungs? Am breiten Gurt hängt die Gitte dann aber natürlich frei von jeglicher Kopflastigkeit mit komfortabler Ausrichtung. Dank der spieltechnisch sehr gut gesetzten Abflachungen im Bereich des Hals-Korpusübergangs sind selbst die hohen Bünde ausgesprochen gut zu bespielen. Dank einer überschaubaren Breite von 41 mm, gut gerundeten Schultern und sauber entgrateten Griffbrettkanten geht mit dem maßvoll flach gestalteten Thin-C-Halsprofil jede Spieltechnik bestens von der Hand. Nicht zuletzt, weil auch die Saitenlage optimal nebengeräuscharm flach eingerichtet werden konnte. Bendings laufen auf den extrafetten Jumbo-Bünden sowieso wie auf Schienen. Alles also perfekt? Nicht ganz: der Metallsattel erweist sich als etwas scharfkantig, was beim Spiel in den Grundpositionen unangenehm auffällt und die ansonsten nahezu optimalen Spieleigenschaften dieses Halses um eine lästige Kleinigkeit einschränkt.

An akustischem Vermögen liegt dann eigentlich alles an, was es für die gesunde Hochverstärkung braucht: gute Präsenz, ausgeglichene Stimmauflösung im Akkord, saubere Ansprache und relativ schnelle Tonentfaltung (für ein Instrument mit Floyd Rose-Bestückung). Dann kommen wir mal zur Sache und stöpseln den Hobel ein.

Schlagkräftiges Set: EMG Retro Active Hot 70 Pickups. (Bild: Dieter Stork)

Die EMGs mit „traditional open coil design“ im beliebten Zebra-Vintage-Look orientieren sich gezielt an der Klangästhetik eines Eddy van Halen in den späten 70ern und nachfolgenden Kollegen. Ihre High-Output-Sounds generieren sie über Spulen mit Alnico-5-Magneten in der Hals- und keramischen Magneten in der Stegposition. Die Tonabnehmer sind darüber hinaus mit klangformend abgestimmten Preamps ausgestattet. Das sollte uns also eine ganze Palette pointierter Hochleistungs-Sounds an die Hand geben. Und tatsächlich präsentieren sich die beiden EMG-Pickups in Bestform mit sehr direkter, offensiver Klangwandlung und das natürlich dank des aktiven Schaltkreises auch in höheren Gain-Stufen noch so gut wie frei von Nebengeräuschen.

Über den Tonabnehmer am Hals erzielen wir breit aufgelöste, volltönende Sounds mit recht glitzerigen Höhen. Akkorde zeigen gute Saitenseparation, der Response auf den Anschlag ist konkret und kommt schnell. Die bemerkenswerte Tonfestigkeit und ein über alle Lagen gleichmäßig erzielbares, achtbares Sustain lässt sich in tragfähige Linien umsetzen. Bei clean eingestelltem Verstärker stehen Akkorde dank des kräftigen Outputs weit vorn, brechen bei geringer Leistungskapazität des Amps aber auch schnell ein. Gehen wir auf höhere Betriebstemperaturen, so überzeugt der aktive PU zuallererst mit seiner leichten Ansprache. Mühelos lassen sich dunkle und doch straffe Powerchords abfeuern, Solo-Sounds profitieren von der markanten Tonumsetzung, die schnell gespielte Linien mit leckerem Schnalzen garnieren. Die sensible Reizbarkeit der Saiten ist beachtlich, jede Fingerbewegung wird akkurat nachgezeichnet und gehaltene Noten schwingen lang und ebenmäßig aus.

Wechseln wir auf den Steg-Pickup, springt der nun vor allem im Bass und in den unteren Mitten deutlich schlankere, aber immer noch uneingeschränkt höhenreiche Sound leicht vor. Mit bester Präsenz und perkussiver Kraft lassen sich funky Rhythmusakkorde abledern, knackig straff im Bass, brillant picky in den Höhen. Der keramische Magnet sorgt für viel Licht und Druck im Sound – das hat was!

In Zerrpositionen ist dieser Pickup dann der erwartete Aufreißer. Bei aufgedrehtem Amp brizzelt es geradezu aufgeladen elektrisch, mit knapp gefasstem Plektrum quieken zähnefletschende Pinch Harmonics nur so unter den Fingern weg. Klar definiert und aggressiv vorstürmend sind über den Hot 70 am Steg Powerchords, pumpende Riffs und offensive Leads zu realisieren, Tappings springen absolut gutwillig vom Griffbrett und gehaltene Noten wechseln schnell in harmonische Obertöne. Die Sache rund macht dann noch die Kombischaltung beider Pickups, die perlklare Akkorde liefert und auch in Zerre mit schön kehligem Growl überzeugt.

Das verbaute Floyd Rose ist natürlich die passende Ergänzung zu der von dieser Gitarre eindeutig suggerierten Spielhaltung. Es funktioniert tadellos und erweitert damit den Spielraum des entfesselten Shredders. Quasi: Enthemmte Klangverbiegung ohne Reue. Der recht hohe Output der aktiven Pickups, das sei am Ende noch vermerkt, bringt so manches Effektgerät zum clippen. Aber das liegt in der Natur der Sache und passende Geräte lassen sich finden.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das Schecter-Modell Sun Valley Super Shredder aus indonesischer Produktion erweist sich als überraschend gut aufgestellt: ordentlich verarbeitet, elektrisch potent und mit genregemäß geschmeidig gestaltetem Halsprofil spieltechnisch anschiebend kann diese Gitarre in ihrer Preisklasse voll überzeugen. Abgesehen vom recht hohen Gewicht ist das ein Instrument mit dem der Spieler wirklich nicht kämpfen muss, das sich leicht hingibt.

Das massereiche Floyd Rose System in Rechnung gestellt, ist sogar die Ansprache mehr als okay. Der Ton kommt schnell und schwingt gut aus. Vor allem aber sind die EMG Retro Active Hot 70 Pickups zu loben, machen sie doch wirklich das, was versprochen war: kraftvoll hochgerechnete Sounds früher Shredder-Seligkeit zu modernen Bedingungen. Druckvoll und präsent, aber frei von Mittenmuff und Nebengeräuschen. Ein beachtliches Preis/ Leistungsverhältnis – da geht unser Daumen hoch!

PLUS

  • genregerechtes Design
  • Sustain, leichte Ansprache
  • EMG Retro Active Hot 70 Pickups
  • kraftvolle Sounds
  • maßvoll flach gestalteter Hals
  • Floyd Rose Tremolo
  • allgemeine Handhabung
  • ordentliche Verarbeitung

MINUS

  • scharfkantiger Sattel
  • etwas schwer

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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