Tele-Gen

Test: Schecter Nick Johnston USA PT Wembley

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(Bild: Dieter Stork)

2016 tauchte der kanadische Instrumental-, Melodic- und Prog-Rocker Nick Johnston erstmals auf der Endorser-Liste von Schecter Guitar Research auf. Während es sich bei seinen bisherigen Signature-Gitarren ausschließlich um Strat-Modelle handelt, stellt die neue PT Schecters Tele-Interpretation dar.

Diese ist übrigens eines der ältesten Modelle des Schecter Custom Shops. An unserer Protagonistin hätte sicherlich auch Keith R. seine Freude …

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FEINES TONHOLZ & HARTE WARE

Für den Korpus mit der klassischen Formgebung und Kantenrundung der Fender Telecaster findet Erle Verwendung. Deckend von Atomic Green Nitrolack überzogen, was dem Fender Surf Green verdächtig nahe kommt, ist rundherum relativ gleichmäßiges aber dennoch authentisch anmutendes Weather Checking zu erkennen.

Der Schecter Custom Shop beherrscht das Thema Aging also perfekt, auch wenn hier ansonsten nicht weiter „nachgealtert“ wurde. Der Blick in die Halstasche lässt keine Zweifel aufkommen, dass der Body hälftig gefügt wurde. Apropos: Die Präzision der Halstasche ist beeindruckend, denn der Halsfuß lässt sich unter nicht übermäßigem Druck hineindrücken und wird dort von vier Holzschrauben und der obligatorischen, hier kunststoffunterlegten, Stahlplatte unverrückbar in Position gehalten.

Verjüngter Halsübergang
Verjüngter Halsübergang (Bild: Dieter Stork)

Um den Zugang zu den höchsten Lagen zu erleichtern, lässt Schecter den Bereich der Neckplate schräg abfallen. Eine quadratische Zargenplatte mit Switchcraft-Klinkenbuchse ersetzt den traditionellen Buchsentopf, als Gurtpins dienen filzunterlegte Vintage-Style-Knöpfe. Damit die PT Wembley passend zum Checking des Lackes nicht ganz so shiny daherkommt, hat man sämtliche Chrom-Hardware leicht geaged und die Schrauben dezent angerostet.

Perfekte Bundbearbeitung
Perfekte Bundbearbeitung (Bild: Dieter Stork)

Eher ungewöhnlich für diesen Gitarrentyp sind die Halsmaterialien, nämlich dunkelbraun gebeizte satinierte Wenge, vereint mit einem Griffbrett aus edlem Makassar-Ebenholz, das optisch ein wenig dem Palisander ähnelt. Ein wahres Gedicht sind auch die 22 Jescar Premium German Silver Frets. Abrichtung, Kantenbearbeitung und Politur vom Feinsten. Silberne Ringe und Sidedots erleichtern die Navigation. Die Justierung der Halskrümmung übernimmt ein sogenanntes „Spoke Wheel“ (Speichenrad), in dessen seitliche Bohrungen irgendein Utensil als Hebel gesteckt werden kann. Zugänglich ist es zwischen Griffbrett und Hals-Pickup. Ein vorbildlich aus- und abgerichteter Black-Tusq-Sattel führt die Saiten zu den smooth und präzise arbeitenden Schecter/Hipshot-Locking-Mechaniken, deren unterschiedlich lange Beinwellen (staggered) den Saitendruck auf den Sattel erhöhen. Zusätzlich kommt für die E1- und H2-Saiten ein GraphTech-Niederhalter zum Einsatz.

Schecter/Hipshot Locking Tuner
Schecter/Hipshot Locking Tuner (Bild: Dieter Stork)

Als Steg dient ein Gotoh GTC 202 mit sechs justierbaren Einzelreitern und Strings-thru-Body-Saitenführung, der gleichzeitig den mit unterschiedlich hohen Stabmagneten bestückten Schecter Sub Atomic Singlecoil-Pickup trägt. Sechs penibel eingelassene Hülsen nehmen auf der Rückseite die Saitenringe auf. Den Schecter USA Custom Shop Nick Johnston Atombucker Humbucker – was für eine Bezeichnung! 😉 – trägt das dreilagige Pickguard. Kontrolliert werden die Tonabnehmer per Dreiwegschalter, Master-Volume- und Master-Tone. Letzteres besitzt eine Pull-Push-Funktion, die die Stegspule des Hals-Humbuckers verstummen lässt.

Pull/Push-Poti und Orange-Drop-Kondensator
Pull/Push-Poti und Orange-Drop-Kondensator (Bild: Dieter Stork)

TELE SYMPATHISCH

Ist da draußen noch jemand, der/dem ich das Trage- und Spielgefühl einer good old Telecaster beschreiben muss? Außer der Schecter-Abflachung des Halsübergangs hat der Body mit ergonomischer Formgebung wenig zu tun. Flache Decke, flacher Boden, gering verrundete Kanten. Nix Rippenspoiler, nix Armauflage. Vielleicht gilt dieser Gitarrentypus gerade deshalb bei vielen als das ultimative Rockbrett? Differenzieren muss man jedoch beim Hals der Nick Johnston PT. Dessen ovales C-Profil füllt meine Hand komfortabel aus, und die dezent verrundeten Griffbrett- und vorbildlich bearbeiteten Bundkanten bieten ein Spielgefühl wie von einem anderen Stern. Eigentlich stehe ich ja nicht so sehr auf hohe Bünde, aber die hier machen echt Spaß, und Jescars zählen ja ohnehin zur Oberklasse.

Bereits der erste Saitenanschlag macht deutlich, dass Schecter USA der Gitarre erstklassige, extrem resonanzfreudige Tonhölzer spendiert hat. In Kooperation mit der Gotoh Bridge und den von hinten durchgefädelten Saiten liefert die Signature PT beeindruckend standfestes und gleichförmig abklingendes Sustain. Unverstärkt erzeugt sie ein breites Klangbild, dem vollmundige straffe Bässe, warme differenzierte Mitten, keine überzogenen Höhen, dafür aber ein reiches Obertonangebot, Volumen, Wärme und Spritzigkeit zugleich verleihen. Offensichtlich nehmen hier Wenge und Makassar-Ebenholz einen nicht unerheblichen Einfluss. Ihre sehr direkte, spontane Ansprache und rasante, lebendige Tonentfaltung bescheren ihr beste Dynamik. Extrem sensitiv setzt sie jede Nuance von Anschlag und spielerischem Ausdruck um.

Gefräst: Logo und Signatur Nick Johnstons
Gefräst: Logo und Signatur Nick Johnstons (Bild: Dieter Stork)

Während der Nick Johnston Atombucker mit warmen, druckvollen aber dennoch differenzierten und präzise artikulierenden Clean-, Crunch- und Leadsounds deutliche PAF-Gene zeigt, kommt im Coilsplit-Modus dessen output-mäßig leicht abfallende aber klanglich nur wenig schlankere Halsspule einem klassischen Tele-Halseinspuler überraschend nahe. Der Schecter Sub Atomic Singlecoil am Steg liefert weniger Twang als ein frühsechziger Tele-Pickup. Mit perfekter Balance, straffen runden Bässen, knackigen Mitten, klaren, seidigen Höhen und breitem Obertonspektrum perlt er insgesamt etwas wärmer aus den Lautsprechern.

Damit mag er sich vielleicht nicht beinharten Country-Pickern empfehlen, punktet statt dessen aber mit charakter- und durchsetzungsstarken Rock- und Leadsounds, bei denen er tatkräftig vom Sustain der Gitarre unterstützt wird. Die Kombi beider Pickups erweitert das Klangangebot um zwei wunderbar glockige Klänge für Rhythmus-, Arpeggio- und Fingerpicking-Spiel, mal etwas wärmer bei Full-HB-Betrieb, mal perliger bei gesplittetem Hals-Pickup. Sehr schön.

Während der Volume-Regler gleichmäßige und präzise Kontrolle von Ausgangspegel und Gain ermöglicht, entfaltet Tone seine eigentliche Wirkung erst auf den letzten Millimetern des Regelweges.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit der Nick Johnston PT Wembley Signature stellt der Schecter USA Custom Shop erneut seine Leistungsfähigkeit unter Beweis. Wer hier eine klassische Tele mit charakteristischen Twangsounds erwartet, ist ein wenig auf dem Holzweg. Twang nein, Tele ja, wenn auch dank Hals-Humbucker und Coil-Split-Option mit deutlich erweitertem Klangangebot, nämlich fünf statt drei Sounds. Mit beachtlicher Dynamik und beeindruckendem Sustain zeigt die Gitarre schon unverstärkt ihre Klasse, die sich am Amp bestätigt. Geschmackvolles, vintage-angehauchtes Design, hochwertige Komponenten, allerbeste Verarbeitung und jede Menge Spielkomfort und -spaß darf man von einer Signature-Gitarre dieser Preiskategorie erwarten. No problem, das erfüllt die Gitarre zu 100 %. Versprochen.

PLUS

  • Sounds (Clean, Crunch, Lead)
  • stimmige Split-Sounds
  • Dynamik & Sustain
  • Qualität Hölzer & Hardware
  • dezente Vintage-Optik
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2022 Digital
Gitarre & Bass 7/2022 Digital
IM TEST: Guild Surfliner +++ Mooer GTRS +++ Gibson G-45 und G-Writer +++ Schecter dUg Pinnick +++ Blackstar St. James 50 6L6 +++ Line 6 DL4 MKII Delay +++ Walrus Audio Mako M1 +++ Markbass AG1000 +++ Genzler 4 on the floor & re/Q

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