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Test: Schecter J-4 Wembley Lake Placid Blue

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(Bild: Dieter Stork)

Leo Fenders Jazz Bass ist der meistkopierte Bass, ein Meilenstein und ein Entwurf, den einfach sehr viele Bassisten spielen wollen. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn Bassbauer, die durchaus schon lange Erfolg mit eigenen Entwürfen haben, aufgrund der hohen Nachfrage ihren „Jazz Bass“ auf den Markt bringen. Bei Schecter liegt der Fall allerdings etwas anders…

David Schecter gründete seine Firma 1976 mit dem erklärten Ziel, bessere Teile für Fender und Gibson Instrumente anzubieten, vom Poti bis zu Hals und Korpus – aber nichts Fertiges. Das kam erst 1979, und so passt der Schecter J-4 wunderbar in die Ahnenreihe. Oder nicht?

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SONDERAUSSTATTUNG

Aus dem Custom Shop im kalifornischen Sun Valley, kommt der Wembley J-4 in Lake Placid Blue. Der Farbton ist schon mal fantastisch getroffen und mit feinsten Rissen dezent geaged.

Feinstes Aging des
Lake-Placid-Blues Finish.
(Bild: Dieter Stork)

Das Material für den Korpus ist Erle mit den Shapings genau da, wo sie hingehören, und noch einer Zugabe: Der Übergang zum Hals ist abgeflacht für leichteren Zugang zu den hohen Lagen. Befestigt wird wieder traditionell mit Halsplatte (samt Unterleger) und vier Holzschrauben.

Custom-Shop Qualität aus dem sonnigen Kalifornien. (Bild: Dieter Stork)

Der Hals selbst ist aus Ahorn mit wiederum feinrissigem Kopfplatten-Finish. Der Rest des Halses ist nicht künstlich gealtert, dafür aber geröstet, sodass sich ein schöner karamelliger Farbton einstellt. Das Griffbrett sieht nach traditionellem Palisander aus, ist aber aus Makassar Ebenholz. Hier finden sich 21 penibelst abgerichtete Bundstäbchen – eins mehr also, als die reine Vintagelehre vorgibt.

Gut erreichbarer Halsspannstab. (Bild: Dieter Stork)

Ebenfalls un-vintage, dafür aber umso praktischer, ist das am Halsende offen zugängliche Rädchen zum Justieren des Halsstabs. Die etwas kleineren, offenen Mechaniken sind nicht das erwartete Markenprodukt und haben konkave Achsen, was ich immer etwas misslich finde, wenn man die Saiten weiter Richtung Kopfplatte wickeln möchte. An der Funktion gibt es jedoch nichts auszusetzen.

Kopf und Hals des J-4 Wembley sind aus geröstetem Ahorn gefertigt. (Bild: Dieter Stork)

Wer die Schecter-Historie ein bisschen kennt, dem kommen die Pickups schon bekannt vor. In normalen J-Fräsungen sitzen hier zwei Tonabnehmer mit Viertelzoll-Stahl-Polepieces, die von einem Keramikmagneten angetrieben werden. Elektrisch haben sie noch etwas mehr zu bieten, auf Plastikkappen wird verzichtet. Das Pickguard folgt dem üblichen Schnittmuster, aber ohne die Chromplatte für die Potis. Die sitzen hier direkt im sehr schönen Tortoise, während die Ausgangsbuchse in die Zarge verbannt wurde. Würde man an die Potis wollen, müsste man 14 Schrauben lösen. Aber wer will das schon, außer dem neugierigen Tester?

Saubere Verkabelung sehe ich da, zwei Volume- und einen Tonregler, der als Push/Pull ausgelegt ist. Hier kann per Coil-Tap den Tonabnehmern entweder die volle Wicklungszahl gegeben, oder um etwas mehr als ein Drittel reduziert werden. Brücke und Gurthalter sind wieder konventionell, erstere etwas stabiler, aber im Blechwinkel-Stil, letztere mit Filz unterlegt.

Wie es sich für einen Bass mit Custom-Shop-Provenienz gehört, gibt es an der handwerklichen Ausführung nichts zu meckern. Farben sind ja immer Geschmackssache, ich finde die Kombination LPB/Salami-Schlagbrett extremst gelungen. Das Aging ist dezent und kommt Funktionalität und Spielbarkeit nicht in die Quere. Last but not least, gehört zum Bass auch ein solider Hartschalenkoffer, in dem der J-4 sicher aufgehoben ist.

HELLO SCHECTER, MY OLD FRIEND

Im besten Sinne wenig überraschend, hängt der Schecter am Gurt wie ein alter Bekannter, vielleicht mit etwas weniger Kopflast als etliche ältere Vertreter der Gattung. Der geröstete Hals fasst sich extrem angenehm an, die Sattelbreite ist mit gut 38 mm geläufig, die Kanten des Griffbretts fein abgerundet. Ganz herrlich!

Die rechte Hand findet sich mit dem Saitenabstand auch sofort zurecht, muss sich allerdings etwas auf die Pickups einstellen. Die bieten mit ihrer offenen Bauweise nicht die gewohnte Daumenstütze. Ich habe mich schnell darauf eingestellt und denke, bei der Dicke und Festigkeit der Vulkanfiber dürfte es auch auf lange Sicht keine Probleme mit der Haltbarkeit geben – in Würde gealterte Pickups aus den 70er/80erJahren sprechen klar dafür.

Es verwundert jetzt wahrscheinlich niemanden, dass der Schecter J-4 auch klanglich das Rad nicht neu erfindet. Was er aber tut, ist das Rad sehr hübsch und ordentlich zu machen, so richtig rund also. Das fängt mit einer dezent frischeren Ansprache des Tons an, auch der Ausklang ist stabil und bleibt lange stehen.

Schecter Monster-Tone-J-Tonabnehmer inkl. Coil Tap. (Bild: Dieter Stork)

Auch bei den Tonabnehmern ist die nahe Verwandtschaft zum Vorbild unüberhörbar, trotzdem gibt es eine eigene Note. Mit voller Wicklung ist der Pegel etwas über Normalnull, der Ton fett im Bass mit drückenden Mitten und Höhen, die eher aggressiv denn fein sind. Das verleiht dem Steg-Pickup mehr Fundament als man normalerweise vorfindet, und dem Kollegen am Hals mehr Rotzigkeit. Mit gezogenem Tone-Poti wird es ein wenig leiser, vor allem aber deutlich feingliedriger. Die Höhen sind transparenter, der Unterbau schlanker, ohne dünn zu klingen. Interessant ist dabei, zu messen, wie wenig aussagekräftig es manchmal ist, den Gleichstromwiderstand am Multimeter abzulesen, um auf die Leistung zu schließen. Der liegt bei beiden Pickups, auch mit voller Leistung, unter dem der meisten normalen Singlecoil-Abnehmer – die fetten Magnete machen‘s möglich.

Zu guter Letzt: Was ich ab Werk selten in Bässen vorfinde, ist eine so gut funktionierende Höhenblende wie bei diesem Schecter. Die Abdämpfung verläuft auf dem gesamten Regelweg extrem gleichmäßig und kann von „voll auf“ bis „komplett zu“ genutzt werden. Und das mit oder ohne Coil-Tap, was dem Bass noch das bisschen Extra an Flexibilität gibt.

RESÜMEE

Der aufgerufene Preis des Schecter J-4 Wembley ist selbstbewusst, aber in meinen Augen angemessen und durchaus gerechtfertigt. Denn dieser Bass schafft die Gratwanderung mit Bravour: Traditionell genug, um sich direkt vertraut anzufühlen, vertraut zu klingen und vertraut auszusehen. Auf der anderen Seite originell genug, um dem Ganzen mit kleinen und größeren Details, wie dem Schlagbrett oder den Tonabnehmern inklusive Tap-Möglichkeit, eine ganz eigene Note zu geben. In Verbindung mit bester Verarbeitungsqualität und Bespielbarkeit ergibt das ein Instrument, das seiner Custom-Shop-Herkunft alle Ehre macht.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

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