Die Erstgeborene

Test: odem Guitars Gignera

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(Bild: Dieter Stork)

Odem – der Hauch des Lebens. Und so scheint die neue deutsche Firma dem alten Konzept der E-Gitarre neue Ideen einhauchen zu wollen. Und neue Ideen gepaart mit ordentlicher Handwerkskunst können ja eigentlich nur spannende Ergebnisse liefern.

So neu und frisch das Design auch ist – irgendwie kommt es mir doch bekannt vor. Ach klar: Tim Walter, seines Zeichens Inhaber und Betreiber von odem Guitars war zuvor bei M&W Custom Guitars (jetzt Montag Guitars) am Start. Vor dessen Online-Konfigurator wiederum habe ich schon so einige Zeit verbracht. Mittlerweile hat sich Tim aber mit Roy Fankhänel zusammengetan, den einige insbesondere daher kennen dürften, dass er Akustikgitarren für Kuddel und Breiti von den Toten Hosen gebaut hat. Erklärtes Ziel ist nun „Guitars that inspire“ zu bauen. Wir testen hier das Gignera-Modell.

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HARDWARE UND VERARBEITUNG

Gignera bedeutet so viel wie „gebären“. Hoffen wir also, dass auf dem Instrument viele inspirierende Riffs geboren werden. Damit dass auch in den unterschiedlichsten Lokalitäten sicher möglich ist, kommt die Gitarre standesgemäß im Gator Case daher. Das gibt einem schon mal ein gutes erstes Gefühl. Doch das sind natürlich nur die Vorwehen, begeben wir uns also direkt zur Geburt und öffnen das Case.

Schon funkelt einen die goldene Hardware an, die zunächst alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Pickups, Brücke, Potiknöpfe, Toggle-Switch … alles gold. Fehlen nur noch die Bünde. Aber die wurden dann doch lieber in ihrem natürlichen Edelstahl-Finish belassen. Auf den zweiten Blick fallen einem natürlich schnell das Holz und insbesondere die Shapings ins Auge. Auf den schönen, aber eher unspektakulären Erle-Korpus wurde eine hübsch gemaserte Walnussdecke aufgesetzt, welche die Body-Shapings nicht komplett nachvollzieht, sondern sich optisch deutlich abhebt und die Form somit schlanker, schnittiger und interessanter wirken lässt.

Die Aussparung unter der Brücke ist natürlich technisch nötig, um die Headless-Brücke nutzen zu können, allerdings laut Hersteller auch wiederum ein Symbol für die Geburt. Und wenn man das einmal weiß, ist es ein sowohl logisches, als auch sehr schönes Detail. Generell finde ich persönlich das Design überaus gelungen. Es verbindet ein klares Konzept mit Ideen, die man nicht schon 1000-mal gesehen hat und funktioniert auch spielerisch gut. So ist beispielsweise der Zugang zum 24. Bund durch das untere Cutaway gut gegeben – wenngleich der Daumen bei den meisten Spielarten natürlich weiter oben vorlieb nehmen muss, da Hals und Korpus sich schon im 13. Bund treffen.

Die Aussparung im Walnuss-Top steht symbolisch für die Geburt. (Bild: Dieter Stork)

Qualitativ wurde hier beste Hardware verbaut. Die ABM-Single-Headless-Brücke kostet schon so viel, wie manch günstigere Gitarre. Dazu dann noch das Hipshot-LowPro-Gegenstück und die beiden Häussel-Tonabnehmer – hier finden wir einen P90 Vintage am Hals und den VIN+ A5 am Steg. Die Saiten laufen über ein Sonowood-Spruce-Griffbrett, in das sehr sauber Edelstahlbünde und schicke, dennoch dezente, Inlays eingesetzt sind.

Der Hals ist fünfteilig aus Nuss und Ahorn gefügt und mittels Titan verstärkt. Zur besseren Orientierung bei Dunkelheit kommen die Luminlays zum Einsatz. Geschaltet wird die Gitarre über einen Zweiwege-Toggle der direkt zwischen Hals- und Steg-Pickup wechselt. Man hat je ein Lautstärkepoti pro Tonabnehmer und kann zusätzlich den Ton des Stegs regeln.

Das Sonowood-Griffbrett kommt aus der Perspektive des Spielers besonders gut zur Geltung. Dank Luminlays behält man auch auf dunklen Bühnen die Orientierung. (Bild: Dieter Stork)

IN DER HAND …

Verlagert man die Gignera nun endlich aus dem Case in eine Spielposition, so wird schnell der funktionelle Aspekt des Designs klar. Natürlich kann man sie angenehm auf dem rechten Bein platzieren. Durch das zusätzliche Cutaway am unteren Ende fühlt sie sich aber auch in der klassischen Spielposition wohl. Und spätestens am Gurt ist sie so gut ausbalanciert, dass man sie quasi anwinkeln kann wie man möchte. Dazu trägt natürlich auch das geringe Gewicht von 2,9 kg bei; so dürfte auch bei längeren Sessions nie die Schulter weh tun. Obwohl wir hier ja keine klassische Abschrägung für den Arm (Bevel) haben, erfüllt der etwas stufige Übergang zum Top diese Funktion doch ziemlich gut.

Vor dem ersten Spielen kommt natürlich zunächst immer das Stimmen. Und das ist hier leider gar nicht so einfach, wie man denken könnte. Die Mechanik der A-Saite lässt sich dermaßen schwer drehen, dass es nur mit der Hand kaum möglich ist. Hier wäre ein besserer Zugang zu den Mechaniken natürlich wünschenswert, aber prinzipiell muss man diese einzelne Mechanik einfach austauschen und alles ist wieder gut. Der Rest funktioniert wie gewünscht und die Gitarre hält dann auch gut die Stimmung.

Mir persönlich war die Saitenlage einen Tick zu hoch. Das konnte ich zum Glück innerhalb weniger Minuten anpassen, was wiederum für die Qualität spricht – auch bei sehr tiefer Saitenlage schnarrt nichts. Noch bevor ich die Gitarre wirklich spiele, fällt nun in Spielhaltung deutlich mehr auf, wie schön das Griffbrett gemasert ist. Was in der flachen Draufsicht noch nicht so spannend wirkt, kommt aus diesem Winkel voll zur Geltung und erfreut mich nun jedes Mal, wenn ich die Gignera zur Hand nehme.

Das Profil des Halses kann man als angenehmes D-Shape bezeichnen. Hier werden sich die allermeisten Hände wohlfühlen, zumal das geölte Holz ein wahrer Handschmeichler ist.

Bevor wir die Gitarre nun einstöpseln, hören wir doch mal, was sie akustisch zu bieten hat. Hier ergibt sich vom ersten Anschlag an ein volles Klangbild, mit leichter Betonung der Höhen. Insgesamt kommt die Gignera eher spanky als laid-back daher. Beste Voraussetzungen also für durchsetzungsstarkes Spiel. Ob es nun das Titan im Hals ist oder einfach die generell gute Materialwahl und Verarbeitung mag ich nicht zu sagen, jedenfalls beeindruckt die odem durch ausgeprägt langes und gleichmäßig abklingendes Sustain. Und dies kann sie auch über das gesamte Griffbrett entfalten.

… UND AM AMP

Nun aber los. Dafür sind E-Gitarren immerhin gemacht. Zum Test darf sich die odem sowohl an meinem Axe-Fx als auch meinen Earforce- und Fender-Amps beweisen.

Erst jetzt fällt so richtig ins Gewicht, dass hier nur ein Zweiwege-Toggle verbaut ist. Diese eher ungewöhnliche Wahl ist allerdings dann doch wieder ziemlich konsequent. Mehr dazu im Folgenden. Zunächst stelle ich fest, dass ein Poti-Knopf etwas locker sitzt. Klar, das kann sich beim Transport losgewackelt haben und ist schnell wieder angezogen. Allerdings ist es nun auch schon das zweite weniger schöne Detail. Von hier an geht es mit der Wahrnehmung aber steil bergauf, versprochen.

Denn am Amp zeigt sich die Gignera von ihrer besten Seite. Die beiden Tonabnehmer sind schön nah an die Saiten geschraubt und das äußert sich auch im Sound. Sie klingen kraftvoll und differenziert. Ein Harry Häussel weiß eben, was er da tut und Roy Fankhänel ganz offensichtlich, wie man das verbaut und in Szene setzt. Die akustische Komponente wird hier gekonnt aufgenommen und spielerisch ergänzt, um ein schlüssiges Gesamtbild zu zaubern.

Fangen wir doch beim Hals-Pickup an: Aufgedreht klingt der P90 Vintage kräftig und voll, aber immer noch klar. Er ist so ein bisschen der große Typ hinten in der Bar, der sich nie von selber in eine Schlägerei einmischen würde, aber wenn es soweit kommt, willst du ihn nicht gegen dich haben.

Die Dynamik ist der Wahnsinn. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man ganze Gigs nur mit diesem Pickup spielen kann. Dreht man das Volume-Poti etwas zurück, so klart der Sound sofort auf, verliert dabei aber nie seine Fülle. Clean bis verzerrt ohne was an Pedalen oder Amps zu ändern? Kein Problem, dafür gibt es ja das Volume-Poti. Und hier wird dieses Versprechen wirklich mal eingelöst.

Für alle, die dann doch noch ein paar mehr Möglichkeiten mögen, gibt es natürlich auch noch den VIN+-Humbucker am Steg. Er ist eher der angriffslustige Kollege. Keiner von den modernen total aufgebrezelten, die nur Gain können und nach dem ersten ausgeteilten Schlag nicht mehr viel zu sagen haben. Eher der mit der Lederjacke der auch genüsslich sein Bier trinken kann, aber doch ganz gerne auch mal Ärger macht. Wie versprochen ein aufgebohrter PAF-Sound allererster Güte.

Zusammen ergeben die Pickups eine super Kombination und spielen vielseitig auf. Ich nehme ja auch immer gerne Split-Sounds mit, hier vermisse ich sie allerdings nur sehr selten. Und hey – es ist immer noch ein Custom Shop. Das sollte bei einem Kundenauftrag das kleinste Problem sein. So muss man es hier als durchweg konsequent bezeichnen, nur zwei Toggle-Positionen anzubieten. Zumal es mit dem Volume-Poti wirklich sehr viel Spielraum gibt. Für den Steg steht dann ja auch doch noch ein Tone-Poti zur Verfügung. Und da wir es hier, wie zuvor erwähnt, mit einer tendenziell eher hell klingenden Gitarre zu tun haben, ist dies auch wirklich nützlich.

Ich behaupte mal ganz frech, dass die meisten Spieler auch mit dem Poti auf 8 der Gitarre noch einen super Sound bescheinigen würden. So kann man hier sinnvoll eher klassischere, etwas gezähmtere Sounds nutzen, oder mit voll aufgedrehtem Poti das gesamte Potential nutzen und sich zur Not auch mal durch einen engen Mix sägen.

RESÜMEE

Die Gignera von odem Guitars stellt eine spannende Erweiterung des hiesigen Gitarrenmarktes, sowie eine spannende Aggregation aus bewährten und neuen Ideen dar. Das Headless-Konzept, gepaart mit hochwertiger Hardware, Edelstahlbünden, Luminlays und dem schnittig erhabenen Design ordnen das Modell eigentlich eher im modernen Kontext ein. Doch dann kommt die eher klassische Vollholz-Optik und die retro-angehauchte Tonabnehmerwahl inklusive der Einschränkung auf nur zwei Toggle-Positionen.

Die Gignera beweist eindrucksvoll, wie gut eine solche Mischung funktionieren kann. Sie ist sehr komfortabel in diversen Positionen zu spielen, sieht gut aus und in erster Linie: Sie klingt wirklich super und hat ein unverschämt gutes Sustain, artikuliert den Ton immer ausdrucksstark und hat kein Problem damit, innerhalb von Sekundenbruchteilen von sanften Klängen in den Rowdy-Modus zu wechseln.

Leider ist die Mechanik für die A-Saite beim Testmodell nur sehr schwergängig nutzbar, aber das ist ja schnell gewechselt und vermag es nicht, den positiven Gesamteindruck der Gignera zu vermiesen. Ein toller Start der noch jungen Firma also. Ich freue mich schon darauf, hoffentlich bald weitere Kreationen der beiden Jungs in Händen zu halten. Denn: Hast du dir mal die anderen Designs angeschaut? Da ist ja eins spannender als das andere!

PLUS

● Verarbeitung
● Hardware
● Pickups
● Sounds

MINUS

● Mechanik der A-Saite zu schwergängig

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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