Chinas next top models

Test: Mooer GE150 & GE300

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(Bild: Dieter Stork)

Das GE300 ist eindeutig das neue Flaggschiff der chinesischen Firma Mooer. Mehr Optionen, mehr Schalter, mehr Leistung, mehr Amps, mehr alles. Das GE150 wiederum ist deutlich kleiner, leichter und vor allem günstiger, hat aber dennoch viele Qualitäten des großen Bruders geerbt.

Lang lang ist es her, da kündigte Mooer das GE300 an. So etwa im April 2018 gab es dann erste Bilder und im Januar 2019 auch einen spielbaren Prototypen auf der NAMM. Und nun steht es endlich vor mir. Die Frage, die es nun zu beantworten gilt: Ist es nach dieser Verzögerung noch immer das heiße Produkt, als das es einst gehandelt wurde? Oder hat sich die Euphorie abgekühlt? Spätestens beim Blick auf die UVP von rund € 700 wird klar:

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Hier muss einiges geliefert werden, denn die Konkurrenz war nicht untätig. Doch auch Mooer selber hat unterdessen einen weiteren Rivalen veröffentlicht. Neben dem schon bekannten GE200 (Test in Ausgabe 04/2018) haben die Chinesen nun auch das GE150 auf den Markt gebracht. Ein halbes 300er? Na mal schauen.

ÄUSSERE WERTE

Beide Pedale kommen in einem schönen Karton daher, der schon mal auf die wichtigsten Features hinweist. Mit der optisch leicht technokratischen Zurückhaltung ist beim GE300 spätestens dann Schluss, wenn man den Karton-Deckel wegklappt. Es begrüßt einen eine große Fläche in limettengrün. Auf jeden Fall eine gewagte Farbwahl und etwas seltsam, dass sie sich dann nicht konsequenter am Gerät findet. Beim GE150 sind sowohl die Seiten als auch die Unterseite aus Plastik und gänzlich in genanntem Grün gehalten. Das wirkt fast schon irgendwie konsequenter und trägt in erster Linie dazu bei, dass das kleine Gerät nur rund 700g wiegt.

(Bild: Dieter Stork)

Die Oberseiten sind unterdessen in einem sehr schicken gebürsteten Alu-Finish gehalten, welches mit weißer Schrift bedruckt ist. Je nach Lichteinfall kann das Aluminium hierbei sehr hell, oder aber auch fast anthrazit wirken.

(Bild: Dieter Stork)

Durch das gegenüber den Vorgängern größere Gehäuse des 300er finden natürlich auch deutlich mehr Buchsen Platz an der Stirnseite. Die Input-Buchse, die auch auf Line-Signal umgeschaltet werden kann, liegt nicht ganz außen, und so muss man zunächst kurz aufpassen, dass man das Gitarrenkabel nicht versehentlich in die Buchse für ein weiteres Expression-Pedal steckt. Wieder aus dem Gerät hinaus gelangt das Signal wahlweise per Dual-Mono-Klinke, Dual-Mono-XLR oder Stereo-Klinke für Kopfhörer. Durch einen Dual-Mono-Send und -Return können externe Effekte genutzt werden, per Aux-In lässt sich ein externes Signal zuspielen. Und wer das Mooer gerne extern steuern möchte, der findet mit MIDI-IN und OUT/THRU einige Möglichkeiten. Natürlich gibt es auch einen USB Anschluss zum Update des Mooers oder dem Editieren von Presets am PC. Und: Endlich mal wieder ein Gerät mit einem An/Aus Schalter. Finde ich persönlich ja super, wird aber kaum noch verbaut.

(Bild: Dieter Stork)

Das GE150 präsentiert sich etwas spartanischer und bietet ein Aux-In, Input, Output links/rechts, Phones, USB und nicht zuletzt USB-OTG, also die Möglichkeit, das Gerät auch direkt mit Smartphones oder Tablets zu verbinden.

(Bild: Dieter Stork)

Zurück in der Vogelperspektive wird klar, dass hier viel Wert auf direkte Bedienung gelegt wurde. Beim 300 gibt es neben den zehn Fußtastern und dem Expression Pedal sage und schreibe 15 kleine Buttons für den Direktzugriff auf den entsprechenden Effektblock. Dann nochmals sechs Buttons für Systemfunktionen, ein großes Poti zur generellen Auswahl von Presets etc. und fünf kleine Potis, um gezielt einzelne Parameter einstellen zu können. Auch wunderbar gelöst finde ich, dass es drei verschiedene Lautstärkeregler für Output-Master, XLR-Master und den Kopfhörer gibt.

Das 5″ große Farbdisplay sorgt für eine gute Übersichtlichkeit und hilft enorm beim schnellen Einstellen von Effekten und Amps.

Beim GE150 findet sich ein ähnliches Konzept, aber alles ist natürlich deutlich abgespeckter. Den Direktzugriff auf Effekte vermisst man hier zunächst, allerdings scrollt man diese einfach inkrementell per Mode durch und nimmt Änderungen per Value vor. Etwas weniger flexibel, aber genauso funktional. Sechs Buttons für Funktionen wie Tap oder Rhythm sind aber erhalten geblieben und lassen einen schnell zur passenden Funktion navigieren.

BEDIENUNG UND FUNKTIONEN

Beim GE300 hat Mooer sich nicht lumpen lassen und fährt alles auf, was sie zu bieten haben. Drei DSP-Chips liefern die Leistung für einen 30 Minuten Looper, einen neuen Synth, Tone-Capture-Verfahren, 108 Preamps, 164 Effekte, einen IR-Loader und einiges mehr. Das GE150 ist natürlich in den meisten Punkten schlanker aufgestellt, bietet aber auch einen 80 Sekunden Looper, 55 Amp-Simulationen und 151 Effekte.

Ich habe den GE150 intuitiv bedient. Und tatsächlich kann das Mooer hier punkten. Mittels Display-Schalter wählt man aus, ob man die ganze Effektkette sehen möchte, oder kompakt dargestellt bekommt, was welcher Schalter tut. Die erste Sicht ist gut zum Editieren, die zweite für den Gig. Um einen Effekt zu ändern, drückt man einfach auf den entsprechenden Button und sieht direkt die eingestellten Parameter, welche mit den kleinen Potis verändert werden können.

Das ist tatsächlich ziemlich einfach. Ebenso funktioniert es auch bei komplexeren Dingen wie dem Cab. Hier gibt es eine zweite Parameterseite, zu der man mittels dediziertem Button kommt. Die Auswahl einer Boxensimulation (beziehungsweise eines Amps) geht zwar einfach vonstatten, allerdings gibt es keine generelle Übersicht der Modelle, und so scrollt man sich durch eine lexikographisch sortierte Liste. Was bei Amps noch gut funktioniert, kann bei Cabs ziemlich nerven, da man so oft zwischen 1×12, 2×12 und 4×12 Simulationen wechselt. Persönlich würde ich lieber alle 4x12er hintereinander durchgehen können, etc.

Ein tolles neues Feature ist der globale EQ. Hiermit lässt sich das GE300 schnell auf andere Räumlichkeiten einstellen, ohne jeden Patch einzeln anfassen zu müssen. Auch dass ein Expression Pedal an Bord ist, passt gut ins Konzept. Diesem kann man alle möglichen Funktionen zuweisen. Egal ob man nun den Pitch des Synthies oder das Gain am Amp ändern will – ist alles möglich. Lediglich der Druck, der benötigt wird, um das Pedal ein/auszuschalten, könnte für mich etwas stärker ausfallen, ich habe es manchmal aus Versehen deaktiviert, wenn ich eigentlich nur den Effekt in voller Sättigung nutzen wollte.

Das GE150 verfolgt in der Bedienung einen deutlich reduzierten Ansatz. Hier scrollt man durch die Effekte, die man ändern möchte, und wählt danach die Änderungen. Eine Gesamtübersicht wie beim großen Bruder gibt es nicht, so richtig vermissen tut man sie hier allerdings auch nicht. Hier wird man wohl eher einmal seine Presets festzurren und dann mit den beiden Fußschaltern hoch- oder runterschalten. Das Expression-Pedal ist gerade noch groß genug, um sich bequem bedienen zu lassen. Dankenswerterweise bekommt man auf dem Display auch direkt die zugeordnete Funktion angezeigt.

UND NUN ZUM SOUND

Wie ich bereits im Test des GE200 schrieb: Ich bin Modeling-mäßig verwöhnt und habe mittlerweile das Axe-Fx III auf dem Tisch stehen. Der Sound des Mooer kann da natürlich nicht ran – andere Liga. Beim großen Mooer gibt es nun 108 Preamps zur Auswahl (beim kleinen immerhin 55 sinnvoll zusammengestellte), allerdings klingen viele davon auch recht ähnlich. OK, man erkennt schon, in welche Richtung die Simulation „Slow 100“ oder „Plx 100“ gehen sollen.

Die Amps sind zwar in dem Sinne dynamisch, dass sie weniger verzerren und sich auch clean spielen lassen, wenn man das Volume-Poti der Gitarre zudreht, jedoch sind die Verzerrungen am Übergang zwischen Clean und Crunch nicht wirklich harmonisch. Spielt man nur in einem der Settings „wirklich Clean“, Crunch oder High-Gain, so ist es ok.

Die Patches am 300er haben standardmäßig übrigens keine Box aktiviert (die beim GE150 schon), also nicht wundern, wenn beim ersten Test alles sehr rau klingt. Das lässt sich aber natürlich schnell ändern, und dank IR-Loader ist man auch flexibel, was den Einsatz von Drittanbieter-Impulsantworten angeht. Und hier gibt es ja mittlerweile exzellente Angebote.

Die Effekte sind solide. Wie bereits beim letzten Test bemängelt, ist die Qualität der Hallräume nicht wirklich state-of-the-art. Zwar gibt es nun endlich die Möglichkeit „genug“ Decay für meine Ambient-Wünsche einzustellen, jedoch sind die Algorithmen „Church“ und „Cave“, die es im GE200 noch gab, im 300er verschwunden. Das wäre ja fast mal ein Argument für das GE150, in dem sie noch enthalten sind.

Sobald mit mehreren CPUs geworben wird, werde ich ja gleich hellhörig, denn dies stellt die Möglichkeit für ein echtes Spillover von Delay und Reverb dar. Leider brechen die Hall-/Delay-Fahnen beim Preset-Wechsel abrupt ab. Pluspunkt: Die Presets lassen sich sehr schnell, ohne merkliche Verzögerung oder Knacken umschalten. Wenn man alle Blöcke in der Signalkette aktiviert, landet man bei ca. 90% Prozessorauslastung. Getrennte Effekte für Stereo-Wege können nicht genutzt werden. Ebenso hat man nur einen Platz für ein Drive, Amp, etc.

Beim GE300 haben die Modulations- und „Spezialeffekte“ mit FX-A und FX-B zwei Slots, sodass hier verschiedene Algorithmen genutzt werden können. Beim GE150 ist alles noch mal minimalistischer, allerdings muss man sich hier um den Prozessor keine Sorgen machen, man kann einfach nach Lust und Laune alle neun verfügbaren Blöcke einschalten (inklusive Amp, Cab und Noisegate). Eine Besonderheit des GE300 ist sicherlich der Synth-Algorithmus. Er bietet drei zeitgleich nutzbare Stimmen und kann polyphon arbeiten. Die Ergebnisse klingen wirklich ziemlich gut. Man kann weite Bereiche von Orgelsounds bis hin zu verrückten Pitch-Shiftings abdecken.

Wenn das Input-Signal nicht stark genug oder zu schnell ist, bekommt der Algorithmus allerdings Probleme; ein wenig mehr Dynamik wäre gut. Neu für das GE300 ist auch, dass die Tone-Capture-Funktion nicht mehr nur für Amps, sondern auch für Stomps, Cabs und Gitarren funktioniert. Insbesondere Letzteres finde ich sehr spannend.

RESÜMEE

Waren GE200 und Preamp Live noch beides Geräte, die ihre leichten Schwächen gut durch den aufgerufenen Preis wettmachen konnten, so muss das GE300 gegen eine ganz andere Konkurrenz antreten. Für unter € 600 gibt es das Headrush Gigboard; ein Helix LT ist mit € 888 auch nicht ganz weit weg und das HX Stomp kostet sogar nur knapp € 500. Aber der GE300 hat auch seine Stärken, so z. B. der 30 Minuten Looper. Das GE150 ist noch deutlich kompetitiver aufgestellt. Allein durch Preis, Gewicht und Größe wird es sicher einige Liebhaber finden, hier stimmt das Gesamtpaket komplett.

Beide Mooers sind gut verarbeitet und bieten eine sehr übersichtliche Bedienung, die auch ohne Anleitung gut zu meistern ist. Das GE150 ist sehr preiswert, und wenn man bedenkt, dass ein Mooer Radar „nur“ zum Laden von IRs schon € 125 kostet, werden wohl einige direkt hier zuschlagen.

PLUS

  • Display (GE300)
  • Bedienung
  • externe IRs zuladbar
  • Preis/Leistung (GE150)

MINUS

  • Reverb-Sounds
  • Ampsounds sehr ähnlich


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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