Ohne Verluste

Test: Minuendo Lossless

Anzeige
Minuendo Losless(Bild: Dieter Stork)

Früher gehörte es zum guten Ton, wenn sich nach Konzerten ein ordentliches Piepen in den Ohren einstellte, was gerne tagelang anhalten durfte – man fühlte sich geradezu geadelt davon. Nun war sämtlicher Gehörschutz auch nicht auf Spaß am Musikhören ausgelegt. Seit etlichen Jahren ist das zum Glück anders, und ein Schutz des Gehörs möglich und erschwinglich, ohne dass es einem den Sound völlig durch den Wolf dreht.

Die in Norwegen entwickelten und gefertigten Minuendo Lossless bieten einen ganz neuen Entwurf, der den Gehörschutz noch flexibler machen soll bei gleichzeitig immer bestem Klang.

Anzeige

AUFBAU

Mit ihrem größeren, robust wirkenden Gehäuse könnte man sie für In-Ear-Hörer halten, oder zumindest für aktive Geräuschdämmer, sie funktionieren aber rein passiv. Neben den beiden Ohrstücken und einem kleinen Etui zur Aufbewahrung samt Putzstäbchen findet sich im schicken Schächtelchen eine ganze Sammlung von Aufsätzen, mit denen der Gehörschutz sicheren Halt in den Ohren finden soll. Da gibt es Schaumstoff, Silikon-Oliven und Silikon-Tannenbäumchen mit zwei Lamellen in jeweils drei Größen, dazu Tannenbäumchen mit drei Lamellen in zwei Größen.

Die Wahl des Aufsatzes ist einerseits vom Geschmack abhängig, welches Material in welcher Größe man am besten im Ohr haben kann – das können bei Proben oder Konzerten, eigenen wie von anderen, ja auch mal ein paar Stunden sein. Andererseits gibt man damit eine erste Dämpfung mit damit einhergehendem Frequenzgang vor. Das ist in der beiligenden Anleitung sehr detailliert aufgelistet, da sollte man sich Zeit nehmen, die Tabellen mal zu sichten und dann einfach auszuprobieren. Wofür auch immer man sich entscheidet, alle Aufsätze sitzen sicher auf den Kapseln und halten diese sicher im Ohr.

Wer noch mehr auf Nummer sicher gehen möchte – bei dem Preis wäre ein Verlust ja schon ziemlich schmerzhaft – kann den Gehörschutz an die Leine legen, ein passendes Bändsel für den Nacken ist ebenfalls dabei. Magnete sorgen dafür, dass die beiden rückseitig aneinander klacken, auch das hilft, sie nicht zu verlieren. Der eigentlich Clou an den Minuendos ist der kleine Hebel, der aus dem Gehäuse ragt. Mit ihm kann die Dämpfung stufenlos zwischen -7 dB und -25 dB eingestellt werden.

IM OHR

„Der kleine Einstellhebel des Minuendo-Ohrstöpsels steuert gleichzeitig eine Kombination aus Schlitzdicke, Volumen und Membranspannung, um einen natürlichen Klang über den gesamten einstellbaren Bereich zu erhalten. Das komplizierte Zusammenspiel zwischen Membranstruktur, Spannung, Maschen und variierendem akustischen Kanal wird dabei mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode und einer elektrischen Ersatzschaltkreisanalyse des akustisch-mechanischen Systems berechnet“, sagt der Vertrieb, und das ganz ohne Sound-Verlust, eben Lossless, verspricht der Hersteller. Und, klappt das?

Klare Antwort: jein. In der Handhabung ist die Justage filigran, aber machbar. Der Schieber kuckt nicht allzu weit raus, lässt sich aber kontrolliert bewegen. Der Hebelweg ist natürlich nicht eben riesig, so dass zwischen minimaler und maximaler Dämpfung nur Millimeter liegen. Die Verstellung im Ohr machte mir aber keine Probleme und ich habe immer das gewünschte Ergebnis erreicht.

Je nach gewähltem Aufsatz ist der Grundsound immer leicht unterschiedlich, für mich waren die Schaumstoffteile die bequemsten, die zweilamelligen Tannenbäumchen klanglich die, die mir am meisten entgegenkamen, bei immer noch gutem Tragekomfort. Tatsächlich funktioniert dann die stufenlose Anpassung sehr gut, wie ich in mehreren, unterschiedlich lauten Bandproben feststellen konnte.

Sehr netter Effekt: Wenn man sich zwischendurch unterhält (zum Beispiel um zu klären, wer sich im letzten Song verdaddelt hat, was grundsätzlich nie der Bassist ist, der höchstens kreativ mit den Grundtönen arbeitet) kann man die Dämpfung einfach aufmachen und macht zum nächsten Song wieder dicht(er).

Ganz Lossless ist das aber dann doch nicht. Dafür kann der Gehörschutz nicht wirklich was, es liegt einfach daran, dass das menschliche Ohr Klang abhängig von der Lautstärke unterschiedlich wahrnimmt, und eigentlich eine Anpassung per Klangregelung braucht, um immer das gleiche Klangbild zu haben – Stichwort Fletcher-Munson-Kurven.

Bei den Minuendo heißt das, dass in maximaler Dämpfung der Klangeindruck schon dumpfer wird im Vergleich zu geringeren Einstellungen. Das Maximum war mir aber in einer lauten Probe aber auch schon zu viel, müsste ich nochmal bei einem richtig lauten Konzert checken, ob sich der Klangeindruck dann relativiert. Trotzdem ist auch da noch reichlich Toninformation in den Höhen vorhanden, nur eben nicht so präsent. In einem weiten Bereich sind die Minuendos für meine Ohren aber perfekt und ohne Einbußen nutzbar.

Minuendo Losless(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Meine Vergleichsgehörschütze sind eine Otoplastik, also ein angepasster Gehörschutz, mit Elacin-Einsatz, und Alpine MusicSafe, sowas wie der Industriestandard bei den unangepassten Tannenbäumchen (seit Jahren habe ich auf einen Test gewartet, um diesen Ausdruck unterzubringen … ). Bei beiden ist die Dämpfung anpassbar, indem ich Filtereinsätze tausche, bei keinem geht das mal eben per Schieber. Klanglich empfinde ich die Minuendo bei gleicher Reduktion als ausgewogener als die Alpine und etwas klarer als die Elacin-Variante, der variable Filter ist da sehr ausgefuchst.

Nun kostet der Alpine nur einen Bruchteil, während die Otoplastik mit ca. 50 Euro mehr zu Buche schlagen würde. Beide können nicht das, was die Minuendos können, während die Minuendos sowohl in Tragekomfort und Dämpfung als auch vom Klang den beiden mindestens ebenbürtig sind. In meinen Ohren (es ist Tag des schlechten Wortspiels, ich bitte um Vergebung) sind die Minuendo Lossless ihren Preis wert, auch wenn er wirklich an der Oberkante ist. So wichtig, wie das Gehör für Musikerinnen und Musiker ist, ist das doch eine gute Investition.

PLUS

● variable Dämpfung
● Klang (soweit möglich)
● Zubehör

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren