Die mutige Hedra

Test: Meris Hedra

Anzeige
Meris Hedra(Bild: Tom Schäfer)

Hedra kommt aus dem nordischen und bedeutet so viel wie die Mutige, die Tapfere. Ob die Entwickler bei Meris sich davon haben inspirieren lassen, sei mal dahingestellt. Passender wäre ja eigentlich Hydra.

Denn das Pedal hat durch die drei Pitch Shifter „mehrere Köpfe“ – wie die Hydra eben. Wie bei jedem Meris-Pedal versteckt sich auch hier deutlich mehr unter der Haube, als man zunächst vermuten könnte. In einfachen Worten für die Einleitung könnte man sagen, es handelt sich um einen dreistimmigen, rhyhtmischen Pitch-Shifter.

Anzeige

verarbeitung und anschlüsse

Man kennt es mittlerweile von Meris: Das kleine, edel anmutende Aluminium-Kistchen mit den sechs Potis und zwei Fußschaltern. Auch die kleinen Buttons sind erhalten geblieben. Durch die transparent lackierte Aluminium-Oberfläche wirkt das Hedra recht edel. Der Druck ist gut aufgebracht und sorgt so aus jedem Winkel für eine gute Ablesbarkeit. Die Potis lassen sich bei diesem Exemplar etwas leichter drehen, als ich es von den Vorgängern in Erinnerung habe. Das ist ein Stück weit Geschmackssache, für mich dürften sie gerne ein wenig strammer sitzen.

Auf der Rückseite des Gehäuses finden sich die Anschlüsse für die Gitarre (/Bass/Synthie/…) sowie für ein Expression- oder MIDI-Pedal. Es gibt zwei getrennte Output-Buchsen für Links und Rechts. Die Input-Buchse kann bei Bedarf auf TRS Stereo umgeschaltet werden. Auch ein Netzteil wird mitgeliefert, es lässt sich aber auch jedes handelsübliche „Boss-Style“ Netzteil verwenden.

Geliefert wird das Pedal in einer schicken Pappverpackung mit dem Aufdruck „More than Logic. Uniting Art and Engineering“. Und nicht zuletzt um Letzteres zu unterstreichen, zeigt die beiliegende Kurzanleitung auf fester Pappe neben den Funktionen der Potis geschmackvolle Architekturfotos. Auch eine deutsche Übersetzung liegt bei, hier muss man leider auf das schöne Design verzichten. Wer richtig abtauchen möchte, dem sei ganz stark ans Herz gelegt, sich das 15- seitige Manual von der Homepage herunterzuladen.

konzept und bedienung

Tatsächlich ist das Hedra für ein Meris Pedal fast schon straight forward. Hier sind es nicht noch unzählige Algorithmen in der Tiefe der Alternativ-Funktionen versteckt. Allerdings lässt sich der Pitch Shifter mit allem drum und dran wiederum so komplex steuern, dass wir uns auf die Grundlagen beschränken werden. Am einfachsten geht das, wenn man mal die Funktionen aller Potis durchgeht. Wie man Kill-Dry, MIDI Thru, etc. aktiviert, ist in der Anleitung gut beschrieben – man muss hier ja nicht jeden langweilen.

Oben links finden wir das „Key“-Poti. Hier wird die Tonart eingestellt in der agiert werden soll. Ganz aufgedreht ergibt sich chromatisches Shifting. Hält man den Alt-Button gedrückt, so kann man hier die Skala wählen; es stehen sechs Typen zur Auswahl. Mittels „Micro Tune“ kann man eine leichte Verstimmung des Pitch-Shiftings erzielen. Alternativ stellt man hier ein, wie stark korrigiert werden soll. Das geht von „gar nicht“ bis zu „stramm“. Bei Letzterem werden auch Bendings geradegezogen. „Mix“ regelt das Verhältnis von Dry- zu Wet-Signal und stellt alternativ das Feedback des Delays ein.

Die Potis Pitch 1, 2 und 3 bestimmen jeweils das Intervall ihrer Stimme. Alternativ kann man hier die Time Division regeln.

Der „Alt“-Button dient durch Gedrückthalten dem Zugriff auf die alternative Belegung der Potis. Der unbenannte Button rechts wählt verschiedene Betriebsmodi an: Zwei kurze Delays mit Stereoausgang, die selben Delays, aber mit Cross-Feedback, serielle Delays mit normalem Feedback und ein langes serielles Delay mit Pitch-Shiftings im Loop.

Der „Tap“-Fußschalter regelt das Tempo und halbiert dieses bei gedrücktem Alt-Button. Hält man Tap gedrückt, so schwillt der Pegel an. „Bypass“ schaltet das Pedal aus und bietet als Alternativfunktion eine Glättung der Pitches.

Schließt man ein Expression-Pedal an, so kann man stufenlos zwischen zwei Einstellungen aller Potis (inklusive Alternativ-Funktionen) morphen. Die ersten vier der intern speicherbaren Presets lassen sich per zusätzlich erhältlichem Fußschalter anwählen. Möchte man Zugriff auf alle 16 haben, so muss man MIDI nutzen. Mehr hierzu steht im Testbericht des Enzo (in Ausgabe 04/2019).

Meris Hedra(Bild: Tom Schäfer)

sounds

Wie bereits erwähnt, ist das Hedra für Meris-Verhältnisse fast schon ein einfach zu verstehendes Pedal. Es bietet einfach weniger Vielfalt als seine Geschwister. Dass man aus dem Gebotenen aber eine ganze Menge Variabilität herausholen kann, ist nach einem kurzen Test wohl unbestritten.

Grundsätzlich gesagt bieten Pitch-Shifter ja zwei Möglichkeiten der Nutzung: Harmonien mit Delay und Harmonien ohne Delay. Während Letzteres oft als zusätzliche Sound-Farbe bei Soli genutzt wird („wow, da spielen ja zwei Gitarristen … “) dient eine verzögerte Harmonie als zusätzliches rhythmisches Element. Setzt man dies dezent ein, wird es als Delay wahrgenommen, dreht man die Lautstärke weiter auf, kann es schon so wirken, als würde man zwei Noten spielen. Bis dahin kann das noch jedes Delay.

Dank der drei Harmonien und des Pitch-Shiftings des Hedra kann es sich allerdings so anhören, als würde man statt einem gleich vier Töne hintereinander spielen. Ein Klassiker, der mir bei sowas natürlich sofort in den Kopf kommt, ist Steve Vais ‚Ballerina 12/24‘.

Und genau solche Dinge sind die Stärke des Hedra. Gerade zur Feinabstimmung der Delay-Zeit ist es sehr praktisch, dass man die Subdivisions einstellen und das getappte Tempo auch halbieren kann. Lässt sich schwer erklären, aber sehr schnell beim Test am Gerät ausprobieren. Im seriellen Modus ergibt sich eine maximale Delay Zeit von 520 Millisekunden; damit kann man schon ordentlich was anfangen.

Nun also noch den Key und die Skala korrekt eingestellt, Micro Tune ein wenig auf (für einen schön flächigen Effekt) und es kann losgehen. Es macht wirklich eine Menge Spaß, wenn man jeden Pitch ein wenig anders einstellt und sich rhythmisch unter die Arme greifen lässt. Natürlich ist der Effekt nicht mehr ganz neu, aber dennoch selten genug genutzt, um für ein paar Aha-Momente zu sorgen.

Durch die Alternativ-Funktion des Micro Tunes, also die Beeinflussung, wie stark die Töne korrigiert werden, kann man das Signal auch in Richtung Auto Tune verbiegen. Wenn man alle Funktionen ausreizt, ergibt sich irgendwann ein ganz schöner Sound-Brei, daher lieber nochmal einen Schritt zurück und einzelne Noten sauber spielen und Hedra erst mal etwas konservativer einstellen.

Und da ist Micro Tune natürlich ein beliebter Helfer. Als de-facto-Alternative zum Chorus bietet dieser Effekt vergleichbare Sounds, die der Gitarre einen interessanten Ambient-Sound verleihen, ohne so gleichförmig wie ein Chorus zu klingen. Mir kam hier des Öfteren der Cleansound von Animals as Leaders in den Sinn.

Durch die vier verschiedenen Delay-Modi stehen einem gerade im Stereo-Betrieb viele Möglichkeiten offen. „Series“ hängt die geshifteten Töne in Serie, wohingegen „Dual“ ein breites Stereo-Feld erzeugt. Inbesondere „Dual+Series“ dürfte viele Fans finden, hier wird das Signal zwar nach links und rechts aufgeteilt, es gibt jedoch Cross-Feedback, sodass wir nun das Stereopanorama maximal ausfüllen. Wer es lieber etwas verrückter mag, der wählt „Pitch Feedback“, bei dem die Pitch Shifter im Feedback Loop sitzen und so endgültig Schluss mit konventionellen Sounds machen.

Wer auf sowas steht, darf auch gerne Glide als Alt-Funktion des Micro Tune bemühen. Hier sind auch noch ein paar abgefahrene Sounds zu holen.

Wie cool es ist, zwischen allen Poti-Einstellungen per Expression-Pedal überblenden zu können, sollte man wirklich mal getestet haben. Im einfachsten Falle nutzt man nur ein Shifting ohne Delay und blendet von beispielsweise 0 bis hin zur Oktave. Schon hat man sich ein mehr als brauchbares Whammy gebaut. Und wenn man will, fügt man nun noch eine weitere Harmonie hinzu, oder versieht das ganze mit weiteren netten Spielereien. Auch wenn man kein Expression-Pedal zur Hand hat, so kann man immerhin in den Genuss eines netten Swell-Effektes kommen, wenn man den Tap-Schalter gedrückt hält.

Begibt man sich in die eher abgedrehten Modi, so wird das vom Sound auch entsprechend quittiert und man hört, dass hier kein Mensch die weiteren Töne spielt. Das macht aber auch irgendwie einen Teil des Reizes aus. Bei allen dezenteren Einsatzzwecken ist die Soundqualität gut und man muss den Fehler im Zweifelsfall immer eher in der eigenen Kreativität, denn in der technischen Umsetzung suchen.

Meris Hedra(Bild: Tom Schäfer)

alternativen

Natürlich gibt es Konkurrenz und da wiederum hängt es ganz stark davon ab, was man sucht. Für simples Pitch Shifting bieten sich je nach Einsatzzweck das EHX Pitch Fork (€ 170), DigiTech The Drop (€ 90) oder für Harmonien ein Boss PS-6 (€ 150) an. Das Hedra gehört aber natürlich in eine andere Gerätekategorie und so musste ich es unterbewusst immer mit dem Eventide Pitchfactor (€ 500) vergleichen, das ich vor Jahren mal hatte. Natürlich völlig unfair, da der Pitchfactor bei mir nur noch in der Erinnerung existiert und ich die Sounds nie direkt vergleichen konnte. Das Eventide habe ich jedoch als sehr gut, und insbesondere auch als intuitiver zu bedienen im Hinterkopf.

resümee

Meris schreibt seine Geschichte als Innovationstreiber weiter fort. Zwar gibt es natürlich vergleichbare Pedale, aber das Hedra hat schon eine ganze Menge Charme.

Es erinnert im einen Moment an ein ganz normales Delay, verwandelt sich danach in einen handelsüblichen Pitch-Shifter, bringt durch Micro Tuning weitere Soundfarben ins Spiel und schließt seine Darbietung irgendwo zwischen Roboter und Walgesängen ab.

Wer dann noch ein Expression Pedal oder MIDI Board anschließt, dem stehen noch mehr Möglichkeiten der kreativen Soundformung offen. Da das Hedra immerhin hinter allen Pitch-Potis die gleiche Alt-Funktion versteckt, reduziert sich die zu merkende Zahl versteckter Funktionen etwas. Das macht die Sache deutlich einfacher als bei Enzo und Co., dennoch würde ich mich über aufgedruckte Alt-Funktionen freuen.

PLUS
• Sounds
• Inspiration
• Micro Tune
MINUS
• Durch Doppelbelegung Einstellung der Potis manchmal unklar

Meris Hedra

Produkt: Gitarre & Bass 3/2024
Gitarre & Bass 3/2024
IM TEST: Gibson Les Paul Modern Figured +++ Seymour Duncan Hyperswitch +++ Baboushka Guitars More Glitter, Baby +++ Fender Aerodyne Special +++ Soldano Astro-20 +++ Mooer GTRS S900 +++ Harley Benton BZ II NT Deluxe +++ Tech 21 Street Driver 48 Frank Bello Signature +++ Boss RE-202, SDE-3000EVH & DM-101

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren