Game Changer

Test: KMA Audio Machines Tyler

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KMA Tyler
(Bild: Dieter Stork)

Game Changer?! Für solch eine Überschrift muss ein vermeintlich schnödes Blend-Pedal im Jahre 2018 schon einiges auf dem Kasten haben. Und in der Tat eröffnet KMAs neuer Tyler sowohl Eierschneidern als auch Dicksaitern ganz neue Möglichkeiten, Effektpedale einzusetzen.

Die Theorie

Richtig, im Kern der Sache haben wir es hier mit einem Blend-Pedal zu tun – ein Gerät, das selber keinen Effekt-Sound erzeugt, sondern dem Input-Signal den Klang eines anderen Pedals stufenlos beimischt. Das Besondere am Tyler ist jedoch sein zweikanaliges Layout, sowie seine Frequenzweichen-Funktion. Das Eingangssignal wird intern in zwei Wege aufgesplittet, in denen jeweils ein Highpass- bzw. ein Lowpass-Filter hängt. In dem einen Weg lassen sich mit dem HP-Regler (Highpass-Filter) stufenlos die Bässe beschneiden, während das LP-Poti (Lowpass-Filter) in dem anderen Zweig die Höhen herausfiltert. Mit den HP- und LP-Reglern lassen sich die Einsatz-Frequenzen der Filter zwischen 20Hz und 3kHz bestimmen; das Signal wird mit einer Flankensteilheit von 12dB pro Oktave gefiltert.

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Jeder Kanal hat außerdem hinter dem Filter seinen eigenen, fußschaltbaren FX-Loop, mit dessen Hilfe sich die klangbestimmenden Effekte einschleifen lassen. Weil es besonders in der Overdrive-Welt ein paar Pedale gibt, die die Phase des Signals drehen, hat der Tyler auch einen „+/-“-Schalter mit an Bord, der ungewollte Phasen-Schweinereien beseitigt. Hinter den FX-Loops werden die beiden Wege wieder zu einem Mono-Signal zusammengefügt, wobei der Mix-Regler über die Gewichtung der beiden Kanäle entscheidet. Auf Linksanschlag hört man nur den Lowpass-Filter-Weg, auf Rechtsanschlag den Highpass-Filter und in dem großen Bereich dazwischen – und da wird es interessant – alle denkbaren Mischverhältnisse.

Natürlich gibt es auch noch ein Level-Poti, das den Pegel des Ausgangssignals kontrolliert und einen Clean-Boost von bis zu 14 dB ermöglicht. Drei leuchtstarke LEDs zeigen außerdem an, ob das Pedal eingeschaltet ist und die Loops aktiviert sind. Um auch Impedanz-empfindlichen Fuzz-Pedalen gerecht zu werden, finden sich im inneren drei Trimmpotis, mit denen sich die Impedanzen des Pedal-Inputs und der beiden Loops einstellen lassen. Absolut erwähnenswert ist noch das schöne Gehäuse-Designs und die hervorragende Verarbeitung: Im Inneren wurden alle Widerstände sauber per Hand auf die Platine gelötet.

Am Bass

Vor allem für Bassisten, die schon lange auf der Suche nach dem perfekten Overdrive-Sound sind, ist der Tyler ein echter Segen! Viele kennen das Problem: Es gibt Gitarren-Verzerrer, die am Bass richtig gut klingen, jedoch das Low-End zu sehr beschneiden – man denke hier an Klassiker wie den Tube Screamer, das Fulltone OCD oder die RAT von ProCo. Hängt man einen solchen Treter in den Highpass-Filter-Loop des Tylers, bestimmt der HP-Regler, wie weit der Bassbereich nach unten verzerrt werden soll. Ist eine Position gefunden, die schön fetzig, aber natürlich noch zu dünn klingt, kann man mit dem Mix-Regler das Clean-Signal zum andicken beimischen. Und hier kommt das LP-Poti ins Spiel: Es begrenzt das unverzerrte Signal in den Höhen und Mitten, man will von der Clean-Seite nämlich oft nur das dicke, dynamische Low-End haben. Das zusammengemixte Ergebnis (getestet mit RAT-, Tube-Screamer- und diversen Boss-Pedalen) klingt fett, spritzig, organisch und absolut natürlich – in puncto Tiefbass-Dynamik sehen viele konventionelle Bassverzerrer dagegen alt aus.

Die Möglichkeit, die Frequenzbereiche der Clean- und Zerr-Signale vor dem Zusammenmischen genau einstellen zu können, unterscheidet den Tyler von den auf Bass-Overdrive-Pedalen weitverbreiteten Blend-Reglern. Bei den allermeisten Bass-Zerrern werden nämlich zwei Fullrange-Signale vermischt, die am Schluss manchmal nicht ganz harmonisch miteinander verschmelzen – man hört dann, je nach Einstellung, den cleanen Bass oder ein fieses Raspeln im Hintergrund. Beeindruckend ist auch, wie viele verschiedene Klang-Schattierungen der Tyler aus einem Pedal holt: Je nach Mix-Poti- und Filter-Stellung ändert sich der Sound nämlich dramatisch. Ein oldschoolig mittenbetontes Overdrive kann man mit tief angesetzten Subbässen und einer hohen Highpass-Filter-Einstellung in den Mitten so weit ausdünnen, dass sich der Grundcharakter problemlos ins schnittig moderne kippen lässt. Und natürlich ist das neue KMA-Pedal nicht nur auf Zerrer beschränkt: Ein Chorus oder Envelope-Filter für die Höhen und ein Okatver oder Kompressor in den Bässen – da fängt der Spaß doch erst richtig an …

KMA Tyler
(Bild: Dieter Stork)

An der Gitarre

Für Gitarristen ist der Tyler natürlich nicht weniger interessant: Wunderbar lassen sich z. B. grob verzerrte Fuzz-Pedale mit gediegeneren Overdrive-Sounds mischen. Mit den Filtern kann man auch hier genau bestimmen, ob sich die Frequenzen der Verzerrer überlappen sollen oder nicht. So lassen sich mit den wildesten Treter-Kombinationen erstaunlich homogene Zerr-Sounds formen, die so natürlich klingen, als kämen sie aus einem einzigen Pedal. Aber auch für Modulations-Effekte ist der Tyler interessant: Er eignet sich wunderbar dafür, einen beliebigen Chorus nur auf die Höhen zu beschränken. Damit bleibt der Bassbereich druckvoll und die Gitarre Durchsetzungsstark.

Ein unglaubliches Kreativ-Potential birgt der Tyler natürlich bei der Kombination mehrerer Modulations-Effekte: Chorus-, Phaser-, Flanger- und Vibrato-Pedale schaffen mit etwas Delay- und/oder Hall-Unterstützung unglaublich breite Ambient-Sounds. Schaltet man im LP-Loop noch einen Oktaver dazu, bekommt das Ganze sogar einen leichten Synth-Charakter. Wer schon eine etwas größere Pedal-Sammlung hat und dazu noch experimentierfreudig ist, wird Stunden, Tage und vielleicht sogar Wochen damit zubringen können, mit dem Tyler für das jeweilige Einsatzgebiet das Maximum herauszuholen.

resümee

Klar, KMAs Tyler ist wirklich nichts für Einsteiger und Effekt-Newbies. Hier wird der totale Pedal-Nerd angesprochen, der das komplexe wie geniale Konzept mit seinen endlosen Anwendungsmöglichkeiten versteht und auf die Bühne bringt. Tyler eröffnet eine kreative Spielwiese, die kaum Grenzen kennt und danach schreit, erkundet zu werden. Und das sowohl von Gitarristen, die gerne an ihrem Zerr-Sound tüfteln, als auch von verträumten Klang-Schichtern, die viel Fläche füllen und dabei neue Sounds erkunden wollen. Für Bassisten ist das Pedal außerdem ein absoluter Segen! Mit dem Tyler wird so ziemlich jeder Gitarren-Zerrer auch für den Bass interessant – der cleanen Bass-Unterfütterung, ermöglicht durch den LP-Filter, sei Dank! Der Preis ist natürlich nicht ganz ohne, dafür bekommt man jedoch ein top verarbeitetes, sehr gut durchdachtes Pedal, dass viele ausgediente Treter wieder interessant macht. Unbedingt anchecken!

www.kma-machines.com

Preis (Street): ca. € 235

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(erschienen in Gitarre & Bass 01/2018)

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