Den Horizont erweitern
Test: Jackson Pro Series LM-87
von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Dieter Stork)
Die Surfcaster ist zurück! Das ursprünglich von Charvel produzierte Design war in den 1990er-Jahren ein echter Geheimtipp und wurde genreübergreifend von Gitarristen wie Steve Cropper (u. a. Otis Redding) bis hin zur Thrash-Metal-Ikone Scott Ian (Anthrax) gespielt. Nachdem dieses Modell mit einigen Ausnahmen eine Weile in der Versenkung verschwunden war, hat sich Jackson nun erneut dem kultigen Offset-Design angenommen.
Lee Malia, Jahrgang 1984, stammt aus Sheffield in England und ist der Mann, der hier maßgeblich zur Wiederauferstehung der Surfcaster beigetragen hat. Der Leadgitarrist und Hauptsongwriter von Bring Me the Horizon hegt seit Jahren eine Vorliebe für kultige Vintage-Gitarren, was unter anderem seine Signature-Modelle bei Epiphone zeigen. Inzwischen ist Malia zu Jackson gewechselt und erhält mit der LM-87 seine erste maßgeschneiderte Jackson-Signaturgitarre.
Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass Jackson sich bei dieser Gitarre im Archiv der Schwesterfirma Charvel bedient hat. Dabei hat unsere Testgitarre nur sehr oberflächlich etwas mit Charvels semiakustischer Surfgitarre gemein. Die LM-87 ist eine Solidbody-Konstruktion, deren Korpus aus Okoumé gefertigt wird.
Auch der graphitverstärkte, dreiteilige Hals ist aus demselben Holz gefräst und wurde sauber in den Korpus eingelassen. Anders als erwartet ist das gesamte Instrument mit einer hauchdünnen Lackierung versehen, die vom Hersteller als „Open Pore Black” bezeichnet wird. Sie lässt die Poren des Holzes spürbar offen und wurde anstelle einer Klarlackversiegelung nur mit einer feinen Politur versehen, die für einen seidenmatten Glanz sorgt.
Das sieht nicht nur klasse aus, sondern fühlt sich auch hervorragend an. Für etwas mehr optische Kontur wurde die gesamte LM-87 mit einer cremefarbenen, beinah hellbraunen Einfassung versehen, deren Farbton sich im großen XXL-Logo und den großen Fretboard-Inlays wiederfindet. Hier wurde ein ziemlich cooler Trick angewendet: Anstelle normaler, rechteckiger Blockmarkierungen hat Jackson ihr ikonisches Sharkfin-Inlay gespiegelt in das dunkle Amaranth-Griffbrett eingelassen, sodass sich in der Mitte eine kleine, ovale Aussparung ergibt.
Das sorgt für etwas mehr optischen „Pepp” und ist natürlich eine schöne Verbeugung vor der eigenen Historie. Um einen schnellen Zugang zum Halsspannstab zu ermöglichen, wurde am unteren Ende des Fretboards ein kleines Rechteck zugunsten eines Spokewheels ausgespart.
(Bild: Dieter Stork)
Die große, leicht angewinkelte und mit einer dezenten Volute versehene 3R/3L-Kopfplatte trägt sechs Jackson-Locking-Mechaniken. Leider weisen zwei davon ein wenig Spiel im Drehmoment auf. Auf der Korpusseite befindet sich ein schwarzes Schlagbrett, das zusammen mit der Control-Plate aus Aluminium etwa zwei Drittel der Korpusoberfläche verdeckt und ein rückwärtiges E-Fach überflüssig macht.
Die Saiten werden in ein Tailpiece mit zusätzlichen Feinstimmern eingehängt und laufen anschließend über eine ebenfalls von Jackson produzierte TOM-Brücke. Die Mensur beträgt Fender-typische 25,5 Zoll und lässt die Saiten über 22 sauber eingelassene Jumbo-Bunddrähte (mit abflachendem Radius von 12 bis 16 Zoll) schwingen.
(Bild: Dieter Stork)
Anstelle der erwarteten zwei dicken High-Output-Humbucker hat Lee Malia eine Kombination aus einem P90 am Hals und einem speziell nach seinen Wünschen gewickelten Humbucker mit 12 Innensechskantschrauben (anstelle konventioneller Polepieces) am Steg verbaut. Letzterer lässt sich mittels der Push/Pull-Funktion des Tone-Reglers splitten. Geschaltet werden die beiden Tonabnehmer über einen simplen Dreiweg-Toggle-Schalter am unteren Hörnchen des Korpus.
Sowohl optisch als auch handwerklich finde ich die LM-87 richtig gelungen. Das etwas trocken wirkende Griffbrett hätte einen Tropfen Öl vertragen können, was sich aber beim nächsten Saitenwechsel schnell beheben lässt. Ansonsten kann ich nur feststellen, dass Jackson in ihrer chinesischen Produktionslinie eine hervorragende Qualität abliefert.
Schon beim ersten In-die-Hand-Nehmen hält die LM-87 einige kleine Überraschungen bereit. Da wäre zunächst der schlanke Hals, der eher an Modelle wie die Jackson Soloist oder Dinky erinnert. Das flache Profil liegt angenehm in der Hand und ermöglicht eine hervorragende Bespielbarkeit bis in die höchsten Lagen.
Dass der Hals am Sattel mit 43 mm minimal breiter als gewohnt ausfällt, ist mir beim Spielen in keiner Weise negativ aufgefallen und wird Gitarrist:innen mit großen Händen eher zugutekommen. Aufgrund der großen Kopfplatte hatte ich zunächst die Befürchtung, dass unsere Testgitarre am Gurt etwas kopflastig sein könnte, doch diese Sorge erwies sich im Praxistest als unbegründet.
Ähnlich wie eine Telecaster findet die 3,3 kg leichte Gitarre problemlos ihre Balance in der Waagrechten und lässt sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen wunderbar spielen. Damit der rechte Arm an der Zarge nicht zu stark beansprucht wird, hat Jackson der LM-87 ein dezentes Shaping verpasst, sodass der Unterarm bequem auf dem Korpus aufliegen kann.
Akustisch gespielt, zeigt sich die Gitarre von ihrer brillant-höhenbetonten Seite. Die eher zurückhaltenden Bässe machen Platz für kräftige Mitten und ein fein auflösendes Obertongefüge, das in bester Fender-Tradition daherkommt. Am Verstärker überzeugt jede Tonabnehmer-Position mit einem brillanten Clean-Sound: Der P90 am Hals sorgt für Wärme und einen satten Bassschub, während der Humbucker an der Stegposition mit durchsetzungsfähigen Mitten punktet – ohne die oft etwas gestauchten Mitten, die manchmal bei High-Output-Humbuckern zu hören sind.
Das sorgt für ein offeneres und ausgewogeneres Klangbild. Besonders positiv überrascht hat mich die Split-Option des Humbuckers: Hier bekommt man einen klaren, dynamischen Singlecoil-Sound, der in der Mittelstellung des Toggle-Switches in Kombination mit dem P90 besonders gut zur Geltung kommt. In Verbindung mit einem dezenten Delay und einem Kompressor-Pedal werden tatsächlich moderne Country-Sounds möglich.
(Bild: Dieter Stork)
Im Distortion-Kanal meines Verstärkers wird schnell klar, wofür die LM-87 eigentlich gebaut wurde. Heavy Sounds aller Formen und Farben! Der Humbucker liefert hier eine beachtliche Performance. Tonal erinnert er mich ein wenig an einen Seymour Duncan SH-4, klingt aber in den Höhen offener und in den Mitten etwas weniger „nasal”, was dem ausgewogenen Gesamtbild zugutekommt.
Das Pick-Attack wird sehr schön in den Vordergrund gerückt, was vor allem bei High-Gain-Sounds für die nötige Auflösung und Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Auch im Drop-D-Tuning überzeugt die Gitarre voll und ganz. Wenn man bedenkt, dass Lee Malia von Bring Me the Horizon bis auf ein tiefes G herunterstimmt, überrascht es nicht, dass das Instrument auch mit tieferen Tunings hervorragend zurechtkommt und ein präzises Attack in den Bässen selbst bei starker Verzerrung stets hörbar bleibt.
Noch eine kurze Bemerkung zur verbauten Feinstimmer-Saitenhalterung: Was ich anfangs als reines Gimmick abgetan hatte, entpuppte sich im Alltag als erstaunlich praktisches Feature. Kleine Verstimmungen lassen sich schnell und präzise „mal eben” mit der rechten Hand nach Gehör korrigieren. Ein ausgesprochen praktisches Feature, wie ich finde!
Wie immer stellt sich die Frage, worauf man den Fokus legt. Wenn es primär um die kultige Surfcaster-Form geht, ist die LM-87 nahezu konkurrenzlos. Lediglich das ebenfalls von Jackson produzierte Signature-Modell von Rob Caggiano (Ex-Volbeat) basiert auf derselben Form. Dort erhält man zu einem vergleichbaren Preis eine Gitarre mit verschraubtem Ahornhals, allerdings ohne Schlagbrett.
Wenn hingegen eine für Metal geeignete Offset-Gitarre im Vordergrund steht, könnte man die Fender Jim Root Jazzmaster oder die Fender Meteora aus der Player-Plus-Serie in Betracht ziehen. Auch die von LTD gebaute Sparrowhawk von Bill Kelliher (Mastodon) könnte eine Überlegung wert sein, wobei man sich hier bereits in einem deutlich höheren Preissegment bewegt.
Mit der LM-87 hat Jackson das etwas eingeschlafene Surfcaster-Design fulminant wiederbelebt. Die Signature-Gitarre von Lee Malia ist ein echtes Arbeitstier und deckt eine bemerkenswerte Bandbreite an Sounds und Einsatzmöglichkeiten ab. Besonders die Kombination aus P90-Tonabnehmer und Humbucker hat mich im Praxistest überzeugt, denn sie liefert druckvolle, flexible Sounds mit viel Charakter.
Hier bekommt man definitiv kein One-Trick-Pony, sondern eine vielseitige Rock-Axt mit Allround-Qualitäten. Besonders beeindruckend ist das Preis-Leistungs-Verhältnis: Für deutlich unter 900 Euro erhält man eine Gitarre, die gut klingt, toll aussieht und hochwertig sowie mit viel Liebe zum Detail verarbeitet ist.
Dieses Instrument ist – neben vielen anderen Beispielen – der Beweis, dass „Made in China” längst kein Makel mehr sein muss, sondern ein Qualitätsmerkmal sein kann.
- Design
- Verarbeitung (mit minimalen Einschränkungen)
- Tonabnehmer-Kombination
- Spielbarkeit
- Feinstimmer-Tailpiece
- etwas trockenes Griffbrett
- Spiel bei zwei Mechaniken

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)
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