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Test: Jackson Pro Series LM-87

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NICHT NUR FÜR SURFER

Schon beim ersten In-die-Hand-Nehmen hält die LM-87 einige kleine Überraschungen bereit. Da wäre zunächst der schlanke Hals, der eher an Modelle wie die Jackson Soloist oder Dinky erinnert. Das flache Profil liegt angenehm in der Hand und ermöglicht eine hervorragende Bespielbarkeit bis in die höchsten Lagen.

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Dass der Hals am Sattel mit 43 mm minimal breiter als gewohnt ausfällt, ist mir beim Spielen in keiner Weise negativ aufgefallen und wird Gitarrist:innen mit großen Händen eher zugutekommen. Aufgrund der großen Kopfplatte hatte ich zunächst die Befürchtung, dass unsere Testgitarre am Gurt etwas kopflastig sein könnte, doch diese Sorge erwies sich im Praxistest als unbegründet.

Ähnlich wie eine Telecaster findet die 3,3 kg leichte Gitarre problemlos ihre Balance in der Waagrechten und lässt sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen wunderbar spielen. Damit der rechte Arm an der Zarge nicht zu stark beansprucht wird, hat Jackson der LM-87 ein dezentes Shaping verpasst, sodass der Unterarm bequem auf dem Korpus aufliegen kann.

Akustisch gespielt, zeigt sich die Gitarre von ihrer brillant-höhenbetonten Seite. Die eher zurückhaltenden Bässe machen Platz für kräftige Mitten und ein fein auflösendes Obertongefüge, das in bester Fender-Tradition daherkommt. Am Verstärker überzeugt jede Tonabnehmer-Position mit einem brillanten Clean-Sound: Der P90 am Hals sorgt für Wärme und einen satten Bassschub, während der Humbucker an der Stegposition mit durchsetzungsfähigen Mitten punktet – ohne die oft etwas gestauchten Mitten, die manchmal bei High-Output-Humbuckern zu hören sind.

Das sorgt für ein offeneres und ausgewogeneres Klangbild. Besonders positiv überrascht hat mich die Split-Option des Humbuckers: Hier bekommt man einen klaren, dynamischen Singlecoil-Sound, der in der Mittelstellung des Toggle-Switches in Kombination mit dem P90 besonders gut zur Geltung kommt. In Verbindung mit einem dezenten Delay und einem Kompressor-Pedal werden tatsächlich moderne Country-Sounds möglich.

(Bild: Dieter Stork)

Im Distortion-Kanal meines Verstärkers wird schnell klar, wofür die LM-87 eigentlich gebaut wurde. Heavy Sounds aller Formen und Farben! Der Humbucker liefert hier eine beachtliche Performance. Tonal erinnert er mich ein wenig an einen Seymour Duncan SH-4, klingt aber in den Höhen offener und in den Mitten etwas weniger „nasal”, was dem ausgewogenen Gesamtbild zugutekommt.

Das Pick-Attack wird sehr schön in den Vordergrund gerückt, was vor allem bei High-Gain-Sounds für die nötige Auflösung und Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Auch im Drop-D-Tuning überzeugt die Gitarre voll und ganz. Wenn man bedenkt, dass Lee Malia von Bring Me the Horizon bis auf ein tiefes G herunterstimmt, überrascht es nicht, dass das Instrument auch mit tieferen Tunings hervorragend zurechtkommt und ein präzises Attack in den Bässen selbst bei starker Verzerrung stets hörbar bleibt.

Noch eine kurze Bemerkung zur verbauten Feinstimmer-Saitenhalterung: Was ich anfangs als reines Gimmick abgetan hatte, entpuppte sich im Alltag als erstaunlich praktisches Feature. Kleine Verstimmungen lassen sich schnell und präzise „mal eben” mit der rechten Hand nach Gehör korrigieren. Ein ausgesprochen praktisches Feature, wie ich finde!

ALTERNATIVEN

Wie immer stellt sich die Frage, worauf man den Fokus legt. Wenn es primär um die kultige Surfcaster-Form geht, ist die LM-87 nahezu konkurrenzlos. Lediglich das ebenfalls von Jackson produzierte Signature-Modell von Rob Caggiano (Ex-Volbeat) basiert auf derselben Form. Dort erhält man zu einem vergleichbaren Preis eine Gitarre mit verschraubtem Ahornhals, allerdings ohne Schlagbrett.

Wenn hingegen eine für Metal geeignete Offset-Gitarre im Vordergrund steht, könnte man die Fender Jim Root Jazzmaster oder die Fender Meteora aus der Player-Plus-Serie in Betracht ziehen. Auch die von LTD gebaute Sparrowhawk von Bill Kelliher (Mastodon) könnte eine Überlegung wert sein, wobei man sich hier bereits in einem deutlich höheren Preissegment bewegt.

RESÜMEE

Mit der LM-87 hat Jackson das etwas eingeschlafene Surfcaster-Design fulminant wiederbelebt. Die Signature-Gitarre von Lee Malia ist ein echtes Arbeitstier und deckt eine bemerkenswerte Bandbreite an Sounds und Einsatzmöglichkeiten ab. Besonders die Kombination aus P90-Tonabnehmer und Humbucker hat mich im Praxistest überzeugt, denn sie liefert druckvolle, flexible Sounds mit viel Charakter.

Hier bekommt man definitiv kein One-Trick-Pony, sondern eine vielseitige Rock-Axt mit Allround-Qualitäten. Besonders beeindruckend ist das Preis-Leistungs-Verhältnis: Für deutlich unter 900 Euro erhält man eine Gitarre, die gut klingt, toll aussieht und hochwertig sowie mit viel Liebe zum Detail verarbeitet ist.

Dieses Instrument ist – neben vielen anderen Beispielen – der Beweis, dass „Made in China” längst kein Makel mehr sein muss, sondern ein Qualitätsmerkmal sein kann.

Plus

  • Design
  • Verarbeitung (mit minimalen Einschränkungen)
  • Tonabnehmer-Kombination
  • Spielbarkeit
  • Feinstimmer-Tailpiece

Minus

  • etwas trockenes Griffbrett
  • Spiel bei zwei Mechaniken

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

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