Frittierte Hälse

Test: Ibanez SLM10 Scott LePage & THBB10 Tim Henson Signatures

Anzeige

Auf der Suche nach neuen Endorsern zeigt Ibanez stets treffsicheres Gespür für innovative, erfolgversprechende Musikgenres und aufstrebende Gitarristen und Bassisten. Offenbar steht der japanische Hersteller bereits bei Bands auf der Matte, noch bevor sie den Geheimtippstatus verlassen haben. So durften sich auch Scott LePage und Tim Henson, die Gitarristen der texanischen Instrumental Math- und Progressive-Rockband Polyphia, in die gleichermaßen endlose wie illustre Riege der Ibanez-Künstler einreihen.

(Bild: Tom Schäfer)

Zweieiige Zwillinge

Wenngleich ihr Äußeres dies nicht vermuten lässt, sind die SLM10 und THBB10 mit Ausnahme ihrer DiMarzio-Pickups grundsätzlich identisch: Dreiteilige Linde-Bodies mit extrem ergonomischer Formgebung (Rippenrampe, Armschräge, Cutaways, Halsübergang), der eine im hochglanzpolierten schlichten Schwarz, der andere im seidenmatt-transparenten Rot mit Deckenfurnier aus kontrastreichem Wölkchenahorn. Goldene Hardware verleiht beiden Gitarren Exklusivität.

Anzeige

(Bild: Tom Schäfer)

Erstaunlich ist jedoch, dass Ibanez weder beim Vibrato noch bei den Mechaniken auf eigene, sondern auf Gotoh-Produkte zurückgreift. Allerdings wird das T-1502 Vibrato exklusiv für Ibanez hergestellt. Ein- bzw. dreilagige Kunststoff-Pickguards tragen die gesamte Elektrik inklusive Pickups, die Rohrklinkenbuchse wurde schräg von oben in die Zarge eingelassen, sodass man auf der Korpusrückseite neben der Federkammerabdeckung lediglich den eingelassenen Deckel des Buchsenfachs vorfindet.

(Bild: Tom Schäfer)

Die in ihren präzise gefrästen Aufnahmen vierfach verschraubten Ahornhälse wie auch die aufgeleimten Ahorngriffbretter wurden in einem speziellen Verfahren Thermo-behandelt (S-Tech roasted), um Stabilität, Haltbarkeit, Feuchtigkeitsresistenz und Widerstandfähigkeit gegen Temperaturschwankungen zu erhöhen. Während die Scott LePage Signature 22 Jumbo-Bünde und Dot Inlays bietet, kommt das Tim-Henson-Modell mit 24 Jumbo-Bünden und Block Inlays aus Acryl und Abalone. Hier wie dort finde ich vorbildlich bearbeitete Edelstahlbünde und Luminlay Sidedots vor, die sogar im Dunkeln Orientierung bieten.

(Bild: Tom Schäfer)

Der GraphTech-Sattel der THBB10 wurde tadellos abgerichtet, der der SLM10 ließe sich hinsichtlich der Saitenlage noch um einige Zehntel optimieren. Über den offenen Stahlstabzugang hinweg erreichen die Saiten smooth und präzise arbeitende Gotoh Locking Tuner, deren Beinwellen unterschiedlich hoch aus der parallel nach hinten versetzten Kopfplatte herausragen. Um ausreichend Druck auf den Sattel zu garantieren, hat man der E1- und der H2-Saite zusätzlich einen Niederhalter spendiert.

Korpusseitig hält das T-1502 Vibrato, das auf dem bekannten Gotoh 510T basiert, die Saiten. An zwei arretierbaren Schraubbolzen nach dem Messerkantenprinzip schwebend aufgehängt, bestehen Reiter und Basisplatte aus Stahl, der rückseitige Block aus Zinkguss. Werksseitig bieten jeweils drei eingehängte Federn dem Saitenzug Paroli, bei denen kleine Kunststoffdämpfer etwaige Eigenschwingungen und daraus resultierende Geräusche eliminieren. Der Hebelarm wird gesteckt und rastet hörbar ein. Mittels Rändelmuffe lässt sich dessen Gängigkeit dauerhaft justieren.

Während die Scott LePage zwei True-Velvet-Singlecoils und einen IGNO-Humbucker am Start hat, kommt die Tim Henson mit zwei Notorious-Einspulern und einem Notorious-Mini-Humbucker, alle drei mit goldenen Metallkappen, alle sechs aus dem Hause DiMarzio. Auch die Schaltungen der Polyphia-Schwestern sind identisch: Master-Volume- und Master-Tone-Potis sowie ein Fünfwegschalter, der folgende Spulenkonstellationen bereithält:

  1. Hals
  2. Hals + Mitte
  3. Mitte
  4. Mitte + Halsspule Steg-HB
  5. Steg-HB

Shoot-Out

Was die Black Beauty 400 Gramm leichter macht, ist mir ein Rätsel. Eigentlich müssten deren metallene Reglerknöpfe und Pickup Cover ihr Gewicht erhöhen oder zumindest das des standardformatigen IGNO-Humbuckers ausgleichen. Egal, denn selbst knapp 3,5 kg machen schon die SLM10 zum Leichtgewicht. Perfekt ausgewogen hängen beide am Gurt, während sie auf dem Bein einen Hauch von Kopflastigkeit zeigen.

(Bild: Tom Schäfer)

Ihr bestens gelungenes ergonomisches Design bietet höchsten Tragekomfort, der abgeflachte, nahezu fließende Halsübergang zusammen mit den nach hinten verrundeten Cutaways bringt stressfreien Zugang zu den höchsten Lagen. Dank seines nicht zu dünnen ovalen C-Profils und seiner geölten Oberfläche liegt der Hals perfekt in meiner Hand und die abgerundeten Griffbrett- und Bundkanten erleichtern Daumengriffe und schnelle Lagenwechsel gleichermaßen.

(Bild: Tom Schäfer)

Optimal positioniert hat Ibanez auch den Pickup-Schalter und die butterweich rotierenden Potis, sodass sich sowohl die gerändelten Metallknöpfe als auch die mit Gummiringen ummantelten Sure-Grip-III-Knöpfe mit dem kleinen Finger sicher und präzise bedienen lassen. Das Gotoh-Vibrato arbeitet in Kooperation mit den Gotoh Locking Tunern und dem gleitfreudigen GraphTech-Sattel auch nach heftigeren Down- und Up-Bendings absolut stimmstabil. Dies ist auch vonnöten, da die beiden Polyphia-Gitarristen gerne Flattereffekte einsetzen (Vibratohebel drücken und plötzlich loslassen).

In Sachen Schwingfreude und Resonanzverhalten tun sich die beiden Ibanez-Novizinnen nichts. Wunderbar ausgewogen und obertonreich tönend zeigen sie beste Ansprache und Tonentfaltung, ausgesprochen gute Dynamik und beachtliches, kontinuierlich abklingendes Sustain. Ich stelle lediglich fest, dass die THBB10 unverstärkt ein wenig voluminöser und runder daherkommt als das Schwestermodell.

Die True-Velvet-Singlecoils der SLM10 liefern Strat-Sounds vom Feinsten, auch wenn sie im Vergleich mit Vintage-Style-Pickups deutlich klarer, transparenter, spritziger und akzentuierter klingen, was sich speziell in den Zwischenpositionen 2 und 4 bemerkbar macht. Original-Einspuler tönen da meist etwas belegt, hier jedoch lüften Höhen und Obertöne die Klangbilder sehr schön durch. Sogar die Schalterposition 4, die sich aus Mittel-Pickup und Halsspule des IGNO-Steg-Humbuckers zusammensetzt, zeigt deutliche Sultans-of-Swing-Züge, wenn auch mit etwas schlankerem Gesamtklangbild.

Beim Wechsel zum Steg-HB legt der Ausgangspegel, auch dank des verwendeten Alnico-8-Magneten, deutlich zu. Übrigens wurde der IGNO von Scott LePage „co-designed“, wird jedoch bei DiMarzio bislang nicht offiziell als Signature-Pickup geführt. Am cleanen Amp passt der HB perfekt zu den Einspulern, da er durch sein geschmackvoll abgestimmtes Verhältnis von Bässen, Mitten und Höhen genauso klar, luftig und vital klingt. Im Overdrive-Betrieb entfaltet er seine ganze Kraft, liefert fette aber stets definierte Bässe, kraftvolle prägnante Mitten und aggressive, bei härterem Anschlag auch bissige aber niemals nervende Höhen, besitzt vor allem aber sehr gutes Durchsetzungsvermögen. Auch die Singlecoil- und Kombi-Sounds können im gesamten Zerrspektrum von dezentem Crunch bis High Gain überzeugen und zeigen, wie der Humbucker, exzellente Dynamik und stabiles Sustain.

Die optisch sehr schlank anmutenden Notorious-Singlecoils der Ibanez THBB10 lassen nicht nur Tele-Hals-Pickups vermuten, sondern werden von DiMarzio tatsächlich auch als solche angeboten. Da Tim Henson die Klarheit und den Fokus einer Vintage-Singlecoil-Gitarre mit 21 Bünden mag, sollte sein 24-Bund-Signature-Modell die gleiche Resonanz und den gleichen Ton liefern können. Daher erhielten die Notorious-Einspuler eine relativ mittenbetonte Abstimmung, um ihnen mehr Wärme bei ausreichenden Höhen zu verleihen.

Output-mäßig rangieren sie im Bereich von Vintage-Tele-Pickups, klingen auch ähnlich, besitzen jedoch, wie bereits die DiMarzio True Velvets, erheblich mehr Transparenz, Klarheit und Spritzigkeit. Der Mittel-Pickup, wie der True Velvet der SLM10 ein Reverse-Wound/Reverse-Polarity-Typ (RWRP), liefert geschmack- und charaktervollen Twang mit leicht nasaler Attitüde, ein Klangeffekt, den die Kombi beider Einspuler verstärkt. Trotz seines Keramikmagneten besitzt der Notorious-Mini-Humbucker eher mittlere Ausgangsleistung und ist damit bestens auf die Tele-Singlecoils abgestimmt.

Zudem klingt er wärmer und voller als ein konventioneller Mini-HB und liefert daher auch im High-Gain-Modus druckvolle Akkorde und Sustain-reiche Leadsounds, wenn auch nicht ganz so fett wie ein Full-Size-Humbucker. Auch hier können Mittel-Pickup und Halsspule des Steg-Pickups kombiniert werden, auch wenn es dabei ähnlich nasal aber nicht ganz so klar und spritzig zugeht wie bei der Ibanez SLM10.

Ohnehin tönen die In- Between-Sounds der THBB10 weniger nasal als die der SLM10, da die relevanten Spulen wegen des 24-Bund-Halses enger positioniert werden mussten. Nicht nur der Mini-Humbucker, sondern auch die Notorious-Einspuler und deren Kombis halten im Zerrbetrieb charaktervolle, differenzierte Klänge mit gesundem Durchsetzungsvermögen bereit.

Die Schwingfreude und ausgezeichnete Dynamik beider Signature-Modelle kommt variablem nuancenreichem Spiel und guter Tonbildung entgegen. Unterstützt wird dies nicht zuletzt durch die gleichmäßig arbeitenden Volume- und Tone-Potis.

Resümee

Chapeau! Die Polyphia-Jungs Scott LePage und Tim Henson haben sich von Ibanez zwei richtig schöne Gitarren auf den Leib schneidern lassen. Aber die SLM10 und THBB10 sind nicht nur schön hinsichtlich Design und Optik, sondern sie präsentieren sich auch als professionelle, solide, sehr gut klingende und trefflich bespielbare Werkzeuge. Bestens abgestimmte DiMarzio-Pickups liefern exzellente vielfältige Clean- und Distortion-Sounds, die bei der SLM10 in Richtung Strat (+ Steg-Humbucker), bei der THBB10 in Richtung Tele (+ Steg-Mini-Humbucker) tendieren. Beide Gitarren glänzen mit enormer Schwingfreude, Dynamik und Sustain sowie hochwertiger goldener Hardware. Und da möchte ich die Gotoh-Vibratos hervorheben, die durch ihre praktische Handhabung der Hebel, vor allem aber durch ihre Stimmfestigkeit überzeugen, an der natürlich auch die Gotoh Locking Tuner und GraphTech-Sättel erheblichen Anteil haben. Alles in allem zwei rundum gelungene, top verarbeitete Signature-Gitarren, die jeden Euro wert sind.

PLUS

  • ergonomisches Design
  • variable lebendige Sounds
  • Schwingverhalten
  • Gotoh T-1501 Vibrato
  • DiMarzio-Pickups
  • Optik
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • Abrichtung Sattel (SLM10) beim Testgerät nicht optimal

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019) 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.