Sounds für die Ewigkeit

Test: Hologram Electronics Infinite Jets

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Hologram Electronics Infinite Jets

„Hello, I am Infinite Jets”. So begrüßt einen das Pedal aus Knoxville, TN auf seinem Karton und verrät damit noch rein Garnichts über die Funktionen. Das übernimmt der Vertrieb, die Effektboutique, beispielhaft so: „Sampling-Synth-Modulations-Octaver-Dingsbumsapparatgerät“.

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Und ganz ehrlich: Viel besser kann ich es auch nicht beschreiben. Was Jason Campbell und Ryan Schaefer da zusammenschustern ist wirklich mal was Anderes. Weit weg vom Einheitsbrei, versuchen sie Musikern neue Werkzeuge für neue Sounds an die Hand zu geben. Das bedingt natürlich auch den Bruch mit Traditionen was die Steuerung angeht, und so ist das vorliegende Pedal nicht gerade selbsterklärend. Wenn du nicht bereit bist, eine Bedienungsanleitung zu lesen, solltest du erst gar nicht über die Hologram Effekte nachdenken, du wärst verloren.

all die bunten lichter

Ich werde somit auch erst gar nicht versuchen, alle Möglichkeiten zu beschreiben, die das Pedal bietet. So viel Platz steht mir hier leider nicht zur Verfügung. Wer daran interessiert ist, sollte sich die Bedienungsanleitung beim Hersteller herunterladen. Diese ist vermutlich eine der besten Anleitungen, die ich je gelesen habe. Neben allen Funktionen erläutert sie auch ein „Getting Started“-Szenario, in dem man kurz durch die wichtigsten Funktionen geführt wird. Ähnliches probiere ich jetzt auch mal im Schnelldurchlauf, damit man wenigstens einen ersten Einblick bekommt, was mit sechs Potis, einem Schalter und drei Tastern so alles möglich ist.

Das Gehäuse weist eine angenehme Größe auf und gefällt optisch sehr gut. Weiß man erst mal, welcher Regler wofür da ist, erscheint die Aufteilung logisch und sinnvoll gewählt. Das Äußere vermittelt einen robusten Eindruck und Regler und Switches haben für mich die perfekte Haptik. Alles läuft satt, nichts wackelt oder stört.

Ein- und ausgeschaltet wird der Infinite Jets über den Taster in der Mitte. Wie die anderen beiden auch, hat er keinen fühlbaren Schaltpunkt, was auch sinnig ist, da die A und B Taster zwischen Toggle, Momentary und Latch umgeschaltet werden können.

Das einfachste Element sind die beiden Regler oben rechts: Hier kann man den Anteil des trockenen Signals bestimmen, welcher durchgelassen wird und einen Zerrer auf alles legen – also auch auf das trockene Signal. Hält man Switch A gedrückt haben die beiden Potis die Sekundärfunktionen Tone und Volume, sodass man hier auch einen eigenständig nutzbaren Overdrive gleich mit eingebaut hat. Im Normalbetrieb regelt das Infinite Jets die Lautstärke aber so, dass das Output-Signal auch bei mehr Zerre nicht lauter wird – und das funktioniert erstaunlich gut. Das Highlight sind natürlich die beiden unabhängigen Sampler A&B. Diese können in verschiedenen Modi angewählt werden.

Bei „Manual“ wird der jeweilige Sampler aktiv, wenn man auf seinen Taster drückt. Im Mono und Poly Modus erledigt das Gerät dies für einen. Während im Mono Modus ein neu gespielter Akkord zum anderen Sampler wechselt (A und B wechseln sich also ab), verschwimmen die Grenzen bei Poly und die Signale überlappen sich. Welcher Sampler gerade aktiv ist kann man an der jeweiligen LED sehen. Das ist auch ziemlich praktisch, denn die ersten paar Male verliert man schnell den Überblick.

what happens in infinity …

Das Voice Poti ist das Gehirn des Hologram Effekts. Hier wählt man aus, was die Sampler tun sollen. Zur Auswahl stehen Blur, Synth, Glitch und Swell in jeweils verschiedenen Modi. Dazu gesellen sich zwei User Speicher, die man nach Belieben füllen darf. Blur ist eine Art Freeze Effekt und entfernt Attack und Decay. Hier kann neben der neutralen Voice 0 auch +1, -1 oder beides gewählt werden. +1 verhält sich hierbei in etwa wie ein Shimmer-Effekt, während es bei -1 entsprechend fett wird.

Bei Synth handelt es sich, wie der Name vermuten lässt, um Synthesizer-Sounds. Der erste ist ein eher harter, kantiger Digitalsound, der zweite ein eher sanfter 80er-Jahre-Synth.

Glitch teilt das eingehende Signal in kurze Phrasen auf. Während Glitch A hieraus Loops macht, deren Sample-Längen gewählt werden können, speichert Glitch B auch noch einen Akkord/Note und fügt diese/n zufällig zum restlichen Signal hinzu. Swell wiederum macht genau das, was es sagt und erzeugt einen anschwellenden Ton. In Modus A wird der Volume-Envelope getriggert und es klingt ähnlich, als würde man mit dem Gitarrenpoti einfaden. Modus B fügt eine Wellenformmodulation hinzu, welche für eine Verzerrung des Signals sorgt.

Jedes der Presets hat gewisse Parameter, welche man durch das Dimension-Poti einstellen kann. Hier sind je nach Effekttyp sinnvolle Einstellungen hinterlegt, es passiert also jedes Mal etwas anderes. Mittels Envelope-Shape-Poti regelt man die Charakteristik von Attack und Decay. Dieser Regler steht in direkter Verbindung zum Envelope-Time-Poti, welches dafür zuständig ist, in welcher Geschwindigkeit die gewählte Wellenform durchlaufen wird. Am Ende der Skala befinden sich noch die Einstellungen Infinite, welche den gespielten Ton so lange hält, bis man den nächsten anschlägt, und Repeat Waveform, welche die aktuell ausgewählte Wellenform loopt.

Besonders cool: Man kann die Bewegung von Reglern wie Drive und Dimension aufzeichnen und das Gerät spielt diese immer wieder ab. Das lässt sich auch viel einfacher umsetzen als es zu erklären ist und ist wirklich nützlich. Zudem kann der interne LFO (Low Frequency Oscillator) dazu genutzt werden, das Signal zu modellieren. Auch dieser kann natürlich über sekundäre Poti-Belegung feinfühlig eingestellt werden.

Hologram Electronics Infinite Jets

… stays in infinity

Ich weiß, die Beschreibung war starker Tobak. Und das war ja noch nicht mal alles, soll aber hier erst mal reichen. Dementsprechend ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass ich beim ersten Test rund zwei Stunden in die unendlichen Soundwelten versunken bin, die mir Hologram hier anbietet. Zunächst wirklich gut begleitet durch die Bedienungsanleitung, findet man sich dann doch schnell selber zurecht und fängt an zu basteln und in den schwebenden Klängen zu schwelgen.

Und was soll ich sagen? Einfach alles an diesem Gerät klingt geil. Der Drive ist, wie beschrieben, für sich genommen schon ein Highlight. Geht er doch in Richtung Tube Screamer, klingt aber insgesamt etwas kerniger und gibt dem Signal mehr Charakter mit. Laut Herstellerangaben übrigens eine komplette Eigenentwicklung, ohne sich explizit an bestehende Pedale anzulehnen.

Die einfachste Variante, den Infinite Jets zu nutzen, ist dann wohl Swell im manuellen Modus. Hier sind die Taster immer im Momentary Modus, werden also aktiv, so lange man sie gedrückt hält. Ein Sound der natürlich manuell, oder durch Pedale wie den (nicht mehr neu erhältlichen) Boss Slow Gear möglich sind. Spätestens durch das per Dimension hinzuregelbare Delay und den durch Repeat Waveform möglichen Tremolo-ähnlichen Effekt empfiehlt sich der Resynthesizer hier für einen Platz an der Sonne.

Meine Lieblings-Voice ist wohl schlicht und ergreifend gleich die Erste (Blur 0). Hier habe ich bestimmt noch mal eine Stunde verbracht. Ohne große Mühen kann man hier perfekte Drones erstellen und diese dann per aufgezeichneter Regler-Bewegung schön skurril verfremden. Je nach Bewegung, ergeben sich hier Effekte, die an Vibrato oder Flanger erinnern. Ich glaube, jemand sollte mal Jonny Greenwood und Ed O’- Brien von Radiohead Bescheid sagen.

Ich persönlich konnte mir hier ohne Weiteres Drones bauen, welche nicht nur für Spielpausen oder um sich selber zu begleiten nützlich waren, wie ja viele das EHX Freeze nutzen. Durch die Automatisierung und den LFO erwacht das bereits eingespielte Signal seinerseits zum Leben. Und wenn man dann noch die Möglichkeit bedenkt, dass man hier gleich zwei Sampler eingebaut hat, so wird schnell klar, wie verrückt es werden darf.

Empfehlenswert für smoothe Ambient-Klänge ist die Sine-Einstellung mit unendlicher Envelope Time.

Und waren wir eben bei Radiohead, so würden die Synth-Sounds sicher Adrian Belew Freude bereiten. Dimension regelt dabei einen Low-Pass-Filter. Hier können wir Gitarristen uns auch plastischer vorstellen, was eine entsprechende Modulation bewirkt, auch wenn der Effekt natürlich ebenso gerne in der Club-Musik-Szene genutzt wird. Spielt man nun etwas mit dem Dry-Regler herum, um sich selbst zu begleiten, wenn das Sample gehalten wird, so fällt auf, dass es gerade bei hohen Noten vorkommen kann, dass diese – eigentlich zum Dry-Signal gehörenden Töne – digital angezerrt klingen. Nicht unbedingt gewünscht, aber durchaus verzeihbar, da auch nicht stark ausgeprägt.

Glitch wiederum sorgt quasi „by design“ für Chaos, insbesondere der zweite Modus. Das ist selbst für ein generell schon sehr spezielles Pedal wohl eher ein Modus für ein oder zwei Songs, aber durchaus cool einsetzbar.

resümee

Eigentlich kann man hier das gleiche schreiben, wie bei meinem damaligen Test des Hologram Dream Sequence: „Ein Kreativtool, wie es das selten gibt.“ Ein sehr spezielles Einsatzgebiet, das aber wohl kein anderes Gerät derart gut meistert. Allein dafür muss man schon sagen, dass die knapp € 500 natürlich viel Geld sind, es aber einfach auch keine wirklichen Alternativen am Markt gibt.

Könnte das Gerät noch besser sein? Na klar. Gerade bei der gebotenen Vielfalt an Möglichkeiten fragt man sich, wieso kein MIDI an Board ist und wieso man mit zwei User Slots auskommen muss. Tatsächlich lässt sich aber dank der überschaubaren Anzahl an Reglern alles fix zwischen Songs einstellen. Möchte man allerdings die (wirklich coole) Aufzeichnung von Reglern nutzen, muss man sich halt wiederum über die Potis beugen. Zwar kann man mittels angeschlossenen Expression-Pedals eines der Potis (außer Voice) fernsteuern, dennoch kann sich das Infinite Jets nicht ganz entscheiden, ob es lieber auf dem Tisch oder unter den Füßen liegen möchte.

Aber kann man ihm das zum Vorwurf machen? Immerhin ist es das Einzige seiner Art und darf sich dementsprechend auch etwas Eigenwilligkeit leisten. Wer es sich ins Haus holt, macht das ja auch nicht, um sich das Leben leichter zu machen, sondern weil er sich aktiv mit der Findung neuer Sounds befassen will.

Ich jedenfalls werde gleich mal in der Redaktion anfragen, ob es groß auffallen würde, wenn das Pedal gar nicht mehr zurückkommt. Ihr wisst schon … Manchmal verlieren die Lieferdienste ja auch Sachen … Nein im Ernst: für jeden, der Bock auf was Neues hat und sich irgendwo im Feld um Ambient, Drone, Experimental oder Noise bewegt, wird es lieben. Alle anderen werden sich fragen, warum sie für Gitarreneffekte eine Bedienungsanleitung lesen sollen.

www.hologramelectronics.com

Preis (Street): ca. € 495

Hologram Electronics Infinite Jets

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(erschienen in Gitarre & Bass 09/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 1/2024
Gitarre & Bass 1/2024
IM TEST: Bacci Guitars Leonardo Dual Output Bariton +++ Guild Starfire VI Special +++ Fender Vintera II Telecaster Bass +++ Taylor 814ce Builder's Edition +++ Crazy Tube Circuits Motherload Fuzz +++ Spector Ethos 5 HP +++ Three Bananas Amplification Galaktopus +++ Tube WorkShop BassBoy +++ Poly Effects Josh Smith Flat V

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