Nordlichter

Test: Hagstrom Viking Deluxe ’67 Viking II

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(Bild: Dieter Stork)

Ein Basis-Design – zwei vollkommen konträre Auslegungen! Das populäre Viking-Modell hat viele Gesichter. Zwei davon treten jetzt gegeneinander an.

Die originalen Gitarren des schwedischen Herstellers Hagstrom wurden von 1965 bis 1979 gebaut, erwarben sich schnell ein gutes Renommee und auch prominente Musiker wie David Bowie oder Frank Zappa waren zu der Zeit mit ihnen zu sehen. Das Viking-II-Modell schaffte es sogar bis in die Hände eines gewissen Elvis Presley, der 1968 ein hübsches rotes Exemplar in dem TV Special ‚Elvis‘ spielte. Nach Hagstroms Rückkehr auf das internationale Parkett im Jahre 2004 entwickelten sich diese Klassiker des europäischen Gitarren-Designs schnell wieder zu Rennern, was ihrem immergrünen Look, aber auch einer gründlichen Überarbeitung und modernen Fertigung für verbesserte Spielbedingungen zu danken ist. Heute ist das Programm umfangreicher denn je und umfasst neben einer großen Palette von Electrics auch Bässe und Acoustics.

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VERSCHIEDENE ABLEGER VOM GLEICHEN STAMM

Das Remake der Ur-Viking-II von 1967 tritt hier sozusagen gegen die Viking Deluxe als moderne Universalversion dieses ikonischen Gitarren-Designs an. Die vorliegenden Viking-Exemplare zeichnen sich bei aller formalen Verwandtschaft tatsächlich durch die größten denkbaren Unterschiede in der Auslegung von Thinline-Konstruktionen aus. Sind Kopfplatten, Halsbefestigungen, Brücken und Pickups schon augenfällige Hinweise auf die geäußerte These, so ist die größte Differenz in der Korpusbeschaffenheit zu finden: hier Semiacoustic mit Sustainbock (Viking Deluxe) – dort Hollowbody (’67 Viking II).

Das Modell Viking Deluxe kommt mit einem drucklaminiertem Double-Cutaway-Korpus aus geflammtem Ahorn, dessen Mitte ein durchgehender massiver Sustainblock füllt. Der erreicht wegen der Wölbungen von Decke und Boden in der Korpusmitte immerhin etwa 5,5 cm Stärke und ist perfekt ein- und angepasst. Der Decke verschaffte man zwei großzügig gestaltete f-Löcher, die wie die Korpusränder auch mit cremefarbenen Bindings eingefasst sind.

Der in Höhe des 19. Bundes eingeleimte Hals aus kanadischem Ahorn bekam ein gebundenes Griffbrett von 15″ Radius aus Resinator Wood aufgesetzt (ein drucklaminierter Holz-Verbundwerkstoff, der eine dichtere und stabilere Struktur als Standard-Hölzer aufweist). Perloid-Block-Inlays kennzeichnen die Lagen; 22 Medium-Jumbo-Frets zeigen gute Verarbeitung. Der firmentypisch gestaltete Kopf mit Hagstrom-Lilie auf schwarzer Front ist ebenfalls eingebunden und mit Mechaniken im Art-déco-Style ausgestattet.

Der patentierte H-Expander-Halsspannstab, bewährter Standard bei Hagstrom-Gitarren, ist vom Kopf her erreichbar. Über den Sattel aus Kunststoff (GraphTech Black Tusq XL) laufen die Saiten mit einer Mensur von 628 mm hinüber zur Tune-O-Matic Roller Bridge, um dann vom Hagstrom-„Tremar“-Vibrato gekontert zu werden.

Roller Bridge mit Tremar-Vibrato (Deluxe); Long-ThrowTune-O-Matic-Brücke mit Hagstrom-Trapezsaitenhalter (’67 Viking II) (Bild: Dieter Stork)

Die Elektrik umfasst zwei HJ50-Humbucker in Chrome-Kappen, die von individuellen Volume- und Tone-Reglern verwaltet werden. Mit dem auf das Horn vorn oben gesetzten 3-Wege-Schalter lassen sich die Tonabnehmer konventionell anwählen. Bleibt noch das Pickguard mit Hagstrom-Schriftzug zu erwähnen. Decke und Boden der Gitarre sind in der Farbe Cloudy Seas lackiert, die Zargen und der Halsrücken präsentieren sich in einem eleganten weißen Finish.

Die Hagstrom ’67 Viking II ist vollkommen anders aufgestellt und verfügt über einen Vollresonanzkorpus aus Ahornschichtholz. Ein etwas hinter den Steg platzierter Klotz im Korpusinneren stabilisiert die Decke. Wie die Deluxe verfügt auch die Viking II über ein mehrlagiges Korpus-Binding und eingefasste f-Löcher. Der in Höhe des 16. Bundes mit deutlich kleinerem Halsfuß auf den Korpus geschraubte Hals aus kanadischem Hartahorn wurde um ein mehrlagig eingebundenes Griffbrett aus Resinator Wood ergänzt. Auch er verfügt natürlich über den obligatorischen H-Expander-Halsstab.

22 Medium-Jumbo-Bünde zeigen ebenfalls klaglos saubere Verarbeitung; Pearloid-Block-Einlagen (hier auch im ersten Bund) kennzeichnen die Lagen. Ins Auge springt dann der an Fender erinnernde Kopf mit sechs in Reihe montierten Mechaniken (Hagstrom 18:1, gegossen).

Der bekannte Hagstrom-Kopf bei der Deluxe, 6-in-Reihe Kopfplatte bei der ’67 Viking II (Bild: Dieter Stork)

Mit geradem Zug werden die Saiten unter einem Niederhalter hindurch zum NuBone-Sattel (künstlicher Knochen) geführt. Am Korpus werden sie mit 624 mm Mensur über die Long-Throw-Tune-O-Matic-Brücke auf Holzblock zum Hagstrom-Trapezsaitenhalter geführt.

Elektrik: Zwei ausgangsstarke HagstromH-52-Alnico-5-Mini-Humbucker im Gold-Foil-Stil, anwählbar über den unten auf das Horn gesetzten 3-fach-Wahlschalter. Dazu kommen zwei Volume- und zwei Tone-Regler (mit Push/Pull-Coil-Split-Funktion – huch, wie modern!).

Hagstrom-HJ50-Humbucker bei der Deluxe; H-52-Alnico-5-Gold-Foil-Mini-Humbucker bei der 67er (Bild: Dieter Stork)

Auch die rundum deckend hochglänzend schwarz lackierte ’67 Viking II verfügt über ein Pickguard; die Hardware-Farbe ist Gold.

UNTERSCHIEDLICHE KALIBER – INDIVIDUELLE KLANGAUSLEGUNG

So eng die prinzipielle Verwandtschaft im Viking-Kontext auch sein mag – derart gravierende Unterschiede in den konstruktiven Details, bei der Elektrik und auch der Ausstattung müssen unweigerlich zu differierenden Ergebnissen führen. Schon im Gewicht liegen die Schwestern recht weit auseinander. Die Viking Deluxe bringt annähernd 4 kg auf die Waage, die ’67 Viking II wiegt dagegen lediglich 3 kg. Auch die Halsprofile sind keineswegs identisch geformt und den unterschiedlich ausgelegten Mensuren ist ebenfalls ein leichter Unterschied in der Saitenspannung und Ansprache geschuldet. Im Einzelnen heißt das:

Die Viking Deluxe ist schon von ihrem gravitätischen Gewicht her ein richtiges Schlachtross und verlangt nach einem breiten Gurt, an dem sie dann aber ganz ausgewogen hängt. Ihr Hals ist mit gut 43 mm Breite und gerundetem Rücken von stattlichen Maßen und bietet ohne Einschränkung Raum für alle Artikulationsformen und Fingeraktionen. Die akustischen Klanganlagen der Deluxe sind von straffer, dezidierter Klangentfaltung geprägt. Alles erscheint fest, stramm und klar gegliedert im Akkord. Sattes ebenmäßiges Sustain ist darüber hinaus über das ganze Register hinweg zu erzielen. Eine gefestigte Persönlichkeit also durch und durch.

Am Amp sorgen die HJ50-Humbucker für eine angemessen seriöse Umsetzung dieser gediegenen Grundeigenschaften. Der Hals-PU stellt den tragfesten Ton mit kraftvollem Gestus heraus, lässt ihn nach markant akzentuiertem Anschlag ebenmäßig ausschwingen. Breit aufgefächerte Akkorde und frei abrollende Arpeggios zeigen harmonische Rundung und Tiefe, Sololinien artikulieren frisch und farbenreich. Damit geht eigentlich fast alles von Jazz bis Rock. Wechseln wir zum Steg-Pickup, so zeigt dieser nur leichte Mittenkompression und eignet sich ebenfalls bestens für das bewegliche Begleitspiel mit lässigem rhythmischen Peak. Im Overdrive zahlen sich die von der Konstruktion bereitgestellten, gesunden Grundbedingungen nun besonders aus. Powerchords und Heavy-Riffs werden druckvoll umgesetzt, Lead-Sounds kommen fett und obertonstark, profitieren von der straffen Tonstruktur mit Sustain bis zum Abwinken.

Und natürlich verfügt die Viking Deluxe noch über das Tremar-Vibrato, ein System mit weicher Federaktion, das sich vornehmlich für heimeliges Schimmern eignet, aber das macht es ganz wunderbar und stimmstabil.

Die ’67 Viking II ist mit nur rund 3 kg von gänzlich anderem Kaliber, fast schon ein Federgewicht. Mit ihrem schmalen Hals von 40,5 mm Breite am Sattel fühlt man sich fast schon an eine Gibson ES der späten 60er-Jahre erinnert. Der Zuschnitt des Halsprofils ist aber rundum gefällig und gewährt mit gut eingerichteter Saitenlage und sauberer Bundierung leichten Griffbrettzugang. Das Gefühl von Handlichkeit wird durch den früheren Halsansatz, verglichen mit der Deluxe, nochmals deutlich unterstützt, denn der Hals ragt bei der ’67 Viking II weniger lang heraus. Der akustische Basis-Sound der leichten Hollowbody ist von überraschend vitalem Schwingverhalten geprägt, es tönt trocken und kompakt. Offen und kraftvoll schießen Akkorde aus den f-Löchern, die Gitarre resoniert eindrucksvoll am Körper ihres Spielers. Das Klangbild ist dabei keineswegs oberflächlich, sondern bietet bestens aufgelöste Mehrklänge mit beeindruckender Saitenseparation. Auf knackig holzigem Bassfundament bauen warme Mitten und spritzige Höhen schlüssig zu transparent geschichteten Akkorden auf. Der Anschlag wird perkussiv und direkt umgesetzt, ganz so, wie man es von einer vollakustischen Konstruktion erwartet.

Gehen wir in den Amp, so setzen die Gold-Foil-Mini-Humbucker die lebhaften akustischen Schwingungen in beeindruckend lebhafte, angenehm staubfreie Sounds um. Aus einer Melange von Holz und Stahl formt sich ein kernig-luftiger Ton, der schon über den Hals-Pickup allein gespielt viel Kehle entfaltet, sich in der Kombination der beiden Mini-Humbucker aber zu einem toll glasigen Jingle-Jangle aufschwingt. Der Steg-Pickup allein bietet drückenden Twang und gute Schärfe, die sich mit gezogenem Volume-Poti (Coil/Split) gar in Richtung Rasiermesser potenzieren lässt. Dank des recht hohen Widerstandswerts der Mini-Humbucker bieten die Einzelspulen zwar spezielle, aber durchaus kompetente, hohlwangig-kehlige Klangoptionen an. In Zerrpositionen wird das perkussive Tonverhalten der ’67 Viking II dann besonders stark hervorgehoben.

Angeschlagene Noten federn leichtfüßig vom Griffbrett, entwickeln sich schnell und mit guter Standhaftigkeit und besitzen ein schönes Spektrum an Tonfarben. Trocken, holzig, leicht knarzig und twangy. Nur mit zuviel Lautstärke dürfen wir die sensible Dame nicht bedrängen, dann nämlich hupt sie uns trotzig von der Seite an. Der ausgesprochene Charme der Hollowbody-Gitarre unterliegt nun einmal bestimmten Grenzen, alles andere würde den Charakter schlicht verwässern.

RESÜMEE

Hagstrom hat sich längst wieder hohe Geltung verschafft in der internationalen Musikszene. Und das ist wohlverdient, dank solch funktionsstarker Instrumente, wie die an dieser Stelle ins verhörende Kreuzfeuer genommenen Viking-Exemplare. Die warten nicht nur mit höchst unterschiedlichen Bauweisen und Ausstattungen auf – ihre Sounds und Handhabungseigenschaften sind es ebenfalls. Das Remake des frühen Viking-Modells, die ’67 Viking II, tritt als klassische Vertreterin der Beat-Generation auf. Sie versprüht dieses besondere, trocken-holzige Flair der frühen Jahre, das sich aber mit seinem charaktervollen Timbre auch vielen musikalischen Stilen im Hier und Jetzt bestens angleichen lässt.

Nicht zuletzt macht die Coil/Split-Funktion der starken Pickups das Instrument sehr beweglich. Die Viking Deluxe dagegen ist ein augenfälliger Straßenkreuzer und moderner Allrounder, der mit seinem kraftvoll und gut breit gestalteten Hals plus vitaler Tonumsetzung der HJ50-Humbucker bestens aufgestellt ist. Gradlinig, ohne Schalttricks geht er zur Sache. Satte, aber auch differenzierte Sounds warten auf ihren Einsatz. Ein verlässliches Arbeitstier mithin, das seinem gravitätischen Look fraglos gerecht wird. Beiden Gitarren ist darüber hinaus in Summe ein erfreulich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zuzusprechen!

PLUS

  • klassisches Design, moderne Auslegung
  • Schwingverhalten
  • langes Sustain (Deluxe)
  • gute Pickups
  • kraftvolle Sounds
  • zweite Klangebene per Coil/Split (’67 Viking II)
  • verschiedene Halsprofile (für jeden was dabei)
  • Tremar Vibrato (Deluxe)
  • Spieleigenschaften
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

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