Schweizer Greuterbonbon

Test: Greuter Natural Selection Overdrive

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(Bild: Dieter Stork)

Das multifunktionale Taschenmesser, hochwertigste mechanische Uhren, leckere Schokolade oder wohltuende Bonbons: All diese tollen Erfindungen kommen aus der Schweiz. Und dann sind da natürlich noch die Effektpedale von Sascha Greuter. Was es mit seinem neuesten Streich auf sich hat, wollen wir hier klären.

Greuter Audio ist vor allem für die hervorragenden Fuzz-Pedale bekannt geworden. Mittlerweile hat sich die Produktpalette deutlich verbreitert, und so findet sich im Portfolio des Herstellers mittlerweile allerhand Spielzeug für Gitarristinnen und Gitarristen. Das neueste Pedal von Sascha Greuter hört auf den Namen Natural Selection und wendet sich dem Bereich natürlich klingender Overdrive-Sounds zu. Vor allem der Klangcharakter der Gitarre soll bei diesem Pedal erhalten bleiben und ein möglichst direktes Spielgefühl vermittelt werden. Hören wir mal, was es mit diesem Gerät auf sich hat.

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MADE IN SWITZERLAND

Rein optisch kann ich schon mal bestätigen: ja, es ist ein Greuter. Der eigenständige Look mit den beiden übergroßen (im Durchmesser 32 mm, um genau zu sein) Reglern für Volume und Drive, ist einfach zu einem Markenzeichen der Boutique-Pedale der Schweizer geworden. Dazu gesellen sich drei kleinere Potis für Bass, Middle und Treble sowie ein Mini-Schalter mit der Bezeichnung S/G (steht für Silizium/Germanium). Über dem Fußschalter befindet sich eine silbern eingefasste, grüne LED, die einen farblichen Kontrast zu der ansonsten komplett gelb-schwarzen Optik darstellt. Schraubt man den Gehäuseboden ab, wird eine erstaunlich große und ziemlich sauber bestückte Platine sichtbar.

Auf der Website des Herstellers wird beschrieben, dass die Verzerrung „sich durch eine komplexe Schaltung mit ausgewähltem JFET-Transistor über einen Op-Amp mit zwei speziellen Anordnungen aus Dioden“ ergibt. Dass hier ein höherer Aufwand als bei einem Feldwaldundwiesen-Overdrive betrieben wird, ist zumindest aufgrund der großen Anzahl von hochwertigen Bauteilen auf der Platine durchaus glaubhaft. Ein schönes Detail sind die stirnseitig verbauten und kräftig zupackenden Klinkenbuchsen, die im Übrigen nicht fest mit der Platine verbunden, sondern sauber verkabelt sind. Rein handwerklich gibt es beim Natural Selection Overdrive absolut gar nichts zu meckern – hier bekommt man Schweizer Präzision geliefert.

(Bild: Dieter Stork)

ALLES GANZ NATÜRLICH

Für den Test des Pedals starte ich mit allen Reglern in der Mittelstellung und einem clean eingestellten Verstärker. Den kleinen Kippschalter lasse ich zunächst im Germanium-Modus. Aktiviere ich nun das Pedal, ertönt ein überraschend milder und überaus offen klingender Crunch-Sound, der einem Malcom Young sicher Freude bereitet hätte. Die Mitten treten ein kleines Stück in den Hintergrund und machen Platz für leicht nachgiebige Bässe (vor allem auf den tiefen Saiten hörbar) und ein strahlendes aber keinesfalls hart klingendes Höhenspektrum.

Bereits in dieser Einstellung des Natural Selection Overdrive merke ich, wie unterschiedlich meine verschiedenen Testgitarren klingen. Der höhenreiche Klang meiner Yamaha Pacifica 311 bleibt ebenso gut erhalten wie der etwas mittig-muffige Ton meiner japanischen Gibson-LS-6-Kopie. Drehe ich nun den Gain-Regler weiter auf, verdichtet sich der Sound deutlich hörbar und nimmt an Verzerrung, Sustain und Tragfähigkeit zu, was vor allem den hohen Saiten zu Gute kommt. Besonders im Germanium-Mode ist hier eine schöne „Nachgiebigkeit“ in der Verzerrung zu hören, die besonders Singlenotes in den hohen Griffbrettlagen sehr gut steht.

Wer lieber einen etwas kantigeren und mittiger ausgeprägten Sound sucht, erreicht dies ganz einfach mit dem Wechsel in den Silizium-Betrieb: Hier werden die Bässe deutlich schlanker und ein muskulöses Mittenbrett bahnt sich seinen Weg in die vorderen Reihen. Vor allem meiner Fender Telecaster mit einem Humbucker am Steg, steht diese Klangvariante des Natural Selection Overdrive ausgesprochen gut. Die Klangregelung des Pedals arbeitet auf dezente aber dennoch effiziente Art und Weise. Zwar hat man nie das Gefühl, den Sound übermäßig verbiegen zu können; dennoch ist genug Flexibilität gegeben, das Pedal an die jeweilige Gitarre anpassen zu können.

Am besten gefällt mir das Testpedal übrigens vor einem leicht verzerrt eingestellten Verstärker: Das Gain-Stacking funktioniert in beiden Betriebsmodi ausgesprochen gut, vor allem, wenn man die kräftigen Lautstärkereserven des Greuter Pedals nutzt, um der Vorstufe des Verstärkers etwas mehr einzuheizen.

RESÜMEE

Braucht die Welt ein weiteres Overdrive-Pedal? Wahrscheinlich nicht. Braucht die Welt ein Overdrive-Pedal von Sascha Greuter? Unbedingt! Nicht nur liefert der Mann eine konstant hohe Verarbeitungsqualität, sondern stellt abermals unter Beweis, dass er ein Paar ausgesprochen gut funktionierende Ohren hat. Die Klangtiefe und die Finesse mit der das Natural Selection Overdrive abgestimmt wurde, ist schlichtweg beeindruckend. Hier bekommt man ein wunderbar natürliches und dennoch erstaunlich flexibles Overdrive Pedal, das sowohl vor einem richtig cleanen als auch einem leicht zerrenden Verstärker überaus gut funktioniert. Ob nun als Always-On-Pedal, als reinen Soloboost oder als Baustein in einer Gain-Stacking-Schaltung mit anderen Overdrive-Pedalen – das Natural Selection Overdrive erweist sich als echtes Schweizer Taschenmesser für das Pedalboard.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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