Britische Ostalgie

Test: Fredric Effects Verzerrer & Regent 150 Preamp

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(Bild: Dieter Stork)

Was man früher gar nicht mal so gut fand, ist heute irgendwie wieder cool: Diesen seltsamen Effekt kennen wir nicht nur, wenn wir alkoholisiert zu David Hasselhoffs „Looking for Freedom“ abgehen – sondern auch, wenn es um alte Gerätschaften geht. In diesem Fall Verstärker und Effektgeräte aus der DDR.

Fredric Effects aus dem Norden von London haben die (N)Ostalgie für sich entdeckt. Nach dem „Dresden Synth Fuzz“ und dem „West Germany Tremolo“ legen Tim und Stacey nun den „Verzerrer“ sowie den „Regent 150 Preamp“ vor – und nennen ihre Firma auf den Gehäusen augenzwinkernd „Fredric Musikelektronik VEB“. Tim sagt, er sei über ein Faible für Musima- und Migma-Gitarren auf die Amps und Effekte der DDR gekommen. Unter Benutzern waren die damals gar nicht mal so beliebt – es gab aber auch nichts anderes. Wir schauen uns die Nachbauten mal vorurteilsfrei an.

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Beide Pedale sind, mit teilweise originalen („new old stock“) Bauteilen, penibel verarbeitet und recht leicht – 422 Gramm beim Verzerrer, 300 Gramm beim Regent 150. Stirnseitige Anschlüsse hat nur der Verzerrer, während sie beim Regent 150 an den Seiten liegen – unvorteilhaft für die eng bepackten Pedalboards von heute. Das Regent 150 folgt den MXR-Standardmaßen, der Verzerrer ist nur unwesentlich größer – sie nehmen also nicht viel Platz auf dem Board weg. Beide Geräte befinden sich ausgeschaltet im True Bypass, brauchen 9V DC und lassen sich auch mit Batterien betreiben.

Regent 150 Preamp

(Bild: Dieter Stork)

Ich bin zwar nicht in der DDR aufgewachsen und dort als Musiker geprägt worden, aber den Vermona Regent 150 Verstärker kenne ich auch aus dem einen oder anderen vollgestellten Wessi-Proberaum, wo er meist ein Schattendasein fristet – das allerdings mit solider Klangkultur und relativ zuverlässig. Wenn der eigene, hochmoderne Bolide mal wieder nicht will, ist so mancher froh, dass da so ein altes Teil rumsteht; es gibt aber auch Musiker, die benutzen derartige Amps als Ausdruck gesellschaftlichen Trotzes. Wie dem auch sei … ursprünglich dachte sich Tim von Fredric Effects, dass ein Nachbau des Preamps dieses alten Verstärkers im Pedalformat eher Low-Fi ausfallen würde – weit gefehlt, wie wir gleich sehen werden.

Das Design des Regent 150 Preamp orientiert sich an den alten Vermonas und kommt mit nur drei bunten Knöpfen aus: Bass, Treble und Volume. Es handelt sich bei dem Gerät keinesfalls um einen Overdrive oder ein Fuzz – es ist so clean, wie ein Pedal nur clean sein kann. Eingeschaltet fällt sofort auf, dass dem Klang mehr Klarheit hinzugefügt wird. Man könnte auch von der viel zitierten Wolldecke sprechen, die man vom Amp wegzieht.

Mit den beiden Ton-Reglern lässt sich das Signal nun weiter formen, den Pickups oder auch dem Amp anpassen. Der Volume-Regler hat hohe Lautstärkereserven, allerdings ist Unity Gain (also gleiche Lautstärke wie bei ausgeschaltetem Pedal) erst bei ca. 12 Uhr erreicht – damit lässt sich der Regent 150 als Booster wie auch als Minus-Booster einsetzen.

Seine Klangformung hängt stark vom Rest des Setups ab: Einem komplett cleanen Signal fügt er eine gewisse Klarheit hinzu, einen bereits schmutzigen Ton „räumt er auf“ und sorgt für etwas mehr Kompression. Der fiesen Säge eines Fuzz’ verpasst er einen Mitten-Boost, der den Sound durch den Mix schneiden lässt wie ein heißes Messer durch Butter. Die Suchtgefahr ist groß, da der Klang gefühlt „besser“ wird – so mancher wird den Regent 150 Preamp nie mehr ausschalten wollen. Besonders geeignet halte ich ihn für die Auffrischung von mumpfigen Humbuckern, mit denen Budget-Gitarren oft ausgerüstet sind, die im cleanen Betrieb nicht so wirklich überzeugen wollen. Auch etwas matt klingenden Verzerrern oder zerrenden Amps haucht das Pedal ungeahntes Leben ein.

Verzerrer

(Bild: Dieter Stork)

Ja, das Pedal heißt wirklich so: Verzerrer. Laut Fredric Effects handelt es sich um einen originalgetreuen, aber praxisgerechteren Nachbau des „Böhm Trickverzerrers“. Das Original war nicht so einfach zu bedienen und anzuschließen, der Nachbau folgt natürlich modernen Standards. Das Pedal hat fünf Regler: Tone, Input Level, Volume, Intensity und Bias.

Dazu kommen noch mehrere interne Dip- Switches, mit denen sich der Sound weiter formen lässt – ihre Einstellungen ab Werk entsprechen denen des Originals. Da sich Tone und Volume von selbst erklären, gehe ich nur auf die anderen Regler ein, die sich stark interaktiv verhalten: Intensity ist der Gain-Regler, Input-Level regelt die Stärke des Signals, das auf den Schaltkreis trifft, und Bias bewirkt Änderungen im Sustain-Verhalten – um es einfach zu halten.

Das Grundtimbre des Pedals ist … ein Faustschlag ins Gesicht des Establishments! Spuckend, röhrend, flabbernd, beißend – die Liste ließe sich fortführen. Weit entfernt von der „sauberen“ Fuzz-Kultur eines Big Muffs, und auch nicht wirklich nah an klassischen Fuzz Faces (da eher bei Silikon-Varianten, nicht so sehr Germanium-Typen). Zunächst ist man etwas überwältigt, aber dann erschließen sich die vielfältigen Einstellmöglichkeiten und der Verzerrer entfaltet seinen ganzen gewaltigen Charme.

Was zunächst nach Chaos klingt, lässt sich nämlich erstaunlich gut zähmen und formen. Von der Kreissäge bis zum angeschmutzten und doch recht cleanen Overdrive ist alles drin. Bias nach links gedreht ergibt stotternde, furzige Sounds ohne jedes Sustain, nach rechts kommen schmatzige Octavia-Anleihen mit hinzu. Mit weniger Gain geht es in Richtung Ringmodulator. Der Regler Input-Level ist an sich dazu gedacht, das Pedal an den Output verschiedener Pickup-Typen anzupassen, dient aber auch der Klangformung. Die Videos auf YouTube werden den Möglichkeiten übrigens nur teilweise gerecht, vor allem in den Bereichen Overdrive und leichter Ringmodulator kann das Pedal weit mehr.

Fazit

Die beiden neuen Fredric Effects Pedale haben beide einen ganz eigene Charme: Der Regent 150 Preamp ist eine sehr gelungene Wiederbelebung eines fast vergessenen Schaltkreises mit vielseitigem Praxiswert. Der Verzerrer liefert klassische Säge-Sounds der 60er – man denke an den Soundtrack zum Kult-Trashfilm ‚Vampyros Lesbos‘ – und erweist sich im Test als enorm vielseitige Kiste und ist damit jede Ostmark wert ist.

PLUS

  • tadellose Verarbeitung
  • inspirierende, erstklassige und einzigartige Sounds
  • hohe Vielseitigkeit (vor allem Verzerrer)

MINUS

  • keine Anleitung beim Regent 150
  • nur englische Anleitung beim Verzerrer

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019)

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