Modeling für die Massen

Test: Fender Tone Master Pro & Tone Master FR-12

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(Bild: Dieter Stork)

Auch wenn die Modeling-Technologie sich in vielen Bereichen etabliert hat, so gilt sie doch woanders noch als notwendiges Übel, Tech-Nerd-Thema oder wird einfach ignoriert. Nur ist es dieses Mal kein kleines Start-up, welches der Welt zeigen will, wie Modeling geht, sondern Fender.

Und hier muss ich das wohl keinem mehr sagen: Fender gibt es eben schon seit 1946 und der aktuelle Umsatz des Unternehmens wird auf rund 700 Mio. USD geschätzt. Vermutlich meinen die das also ernst, wenn sie sagen, dass man mit ihrer neuen Modeling-Bodeneinheit Tone Master Pro zu folgendem im Stande sein soll: „Unleash a Universe of Sound“.

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Zwar lässt uns die Homepage wissen „Tone Master Pro ist unsere erste Multi-Effekt-Workstation für Gitarristen“ und verschweigt somit mindestens den vor rund zehn Jahren erschienenen Mustang Floor, doch selbst wenn dem nicht so wäre, habe ich noch sehr gut den Fender Cyber Twin von 2001 in Erinnerung. Damals hat Fender analoge Schaltkreise mit digitalen Effekten kombiniert – und ich habe meiner Freundin erzählt, ich müsse nie wieder neues Equipment kaufen, wenn ich den hätte (rückblickend betrachtet natürlich völlig illusorisch).

Über den sieben Zoll großen Farb-Touchscreen lassen sich die Amps, Effekte und das Routing anlegen und justieren. (Bild: Dieter Stork)

HARDWARE

Der Tone Master Pro ist schon ein ordentlicher Kasten. Aber dabei mit seinen knapp vier Kilogramm gar nicht so schwer, wie man meinen könnte. Ich hatte ihn mir anhand der Fotos kleiner vorgestellt und etwas Sorge, dass die zehn Fußschalter zu dicht aneinander liegen. Dem ist aber nicht so, mir gefällt das Format und die Aufmachung sehr gut. Das Interface wird vom sieben Zoll großen Farb-Touchscreen dominiert und hiermit wird auch nahezu alles geregelt. Daneben gibt es noch drückbare Encoder für den einfachen Preset-Wechsel und die Lautstärke. Die Fußschalter besitzen einzelne Mini-Displays („Scribble Strips“ würde man bei Line 6 sagen) und sind drehbar – so können auch hier Parameter geändert werden.

Auf der Rückseite fällt einem sofort das rote Pilot Light ins Auge. Einerseits ein nettes Gimmick in Anlehnung an die Fender-Amps, andererseits schlaues Marketing, weil so die Musikerpolizei bei Gigs direkt in der Rückansicht schon erkennen kann, dass es sich um den Tone Master Pro handelt. Über das verbaute Netzteil freue ich mich sehr. So braucht man nicht noch ein spezielles Teil mehr mit sich herumtragen und mögliche Qualitätsprobleme bleiben einem hoffentlich auch erspart (ja, wir schauen dich an, Quad Cortex).

Eine ganze Menge Anschlüsse finden sich auf der Rückseite des Geräts: Neben den üblichen Ins und Outs auch noch ganze vier FX-Loops. (Bild: Dieter Stork)

Als Input steht einem eine Klinkenbuchse und/oder eine Mic/Line XLR/Klinke Combo-Buchse zur Verfügung. Daneben finden sich vier(!) Loops, Output 1 mit Klinke oder XLR, Output 2 mit Klinke, ein Aux-In, ein Kopfhöreranschluss, zwei Expression-Pedal-Anschlüsse, einer für einen Toe-Switch und eine Buchse für die Steuerung eines Amps. Daneben gibt es noch MIDI-In sowie -Out/ Thru, Platz für eine Micro-SD-Karte und einen USB-C-Anschluss. Von den vier genannten Loops sind zwei rein analog aufgebaut und liegen hinter dem analogen Input, vor der A/D-Wandlung. Hier kann man beispielsweise anspruchsvolle Fuzzes oder Wahs unterbringen und sie dennoch ins Routing des Tone Masters aufnehmen. Coole Sache.

BEDIENUNG

Jetzt aber zum Filetstück vom Fender: Dem User-Interface. Denn anders als eigentlich die gesamte Konkurrenz, hat Fender hier probiert, alles so realitätsnah wie nur möglich zu halten und dementsprechend ein skeumorphisches Interface geschaffen. Also eines, das exakt so aussieht wie die echten Amps und Effekte. Wenn man einen Vibro-King-Amp auswählt, so hat dieser halt einen Fat-Switch, Volume, Treble, Bass und Mid. Und sonst nichts. Keine Alternativmenüs, keine „Deep-Editing“-Parameter. Entscheidet man sich für einen Princeton Reverb, hat dieser direkt auf der virtuellen Frontplate des Amps auch Regler für Reverb, Speed und Intensity. Man muss nicht extra Effekte auswählen, sondern die Amps kommen mit dem, was sie auch in echt haben.

Zudem unterscheidet Fender, anders als die Konkurrenz, zwischen Combo-Amps, Half-Stacks und Amp-Heads. Und auch das ergibt hier total Sinn. Wenn ich einen Twin will, wähle ich den einfach als Combo und bin fertig. Wenn mir dann auffällt, dass ich schon immer eine Mesa 4x12er an einem Twin(-Head) testen wollte, kann ich das noch umstellen und auch die Grafik ändert sich entsprechend. Das ist schon echt gut gemacht und wird vielen Nutzern das Leben sehr viel leichter machen. Dazu kommt, dass ein Großteil der Amps im Tone Master von Fender selbst kommen und somit auch die Originalnamen verwenden dürfen. Endlich ein Bassman und nicht etwa ein „Bassguy“. Das hat bei Fremdprodukten natürlich seine Grenzen und so gibt es auch hier einen „British 800“, „Marksman“ oder „Uber“.

Möchte man weitere Effekte in die Signalkette einfügen, drückt man eines der Plus-Symbole und wählt aus der geordneten Liste aus. Hier stehen Drives, Modulation, Delay, Reverb, Dynamics, EQ, Filter und Pitch zur Auswahl. Auch die Effekte wurden möglichst authentisch modelliert und dargestellt, sodass man viele sofort erkennt. Zwar gibt es hier nicht so viele Originalnamen zu bewundern, aber ich habe mich sehr über die Monty-Python-Anspielung gefreut: Der Paul Cochran Timmy heißt hier „Enchanter“.

Die Position der Amps und Effekte kann man ganz einfach per Drag and Drop ändern. Sobald man einen Amp oder Effekt auswählt, wandeln sich die Fußschalter des Tone Master Pro zu Encodern und zeigen jeweils änderbare Parameter direkt an. Durch einen Dreh am Fußschalter kann man so beispielsweise Gain und Volume ändern. Das ist deutlich komfortabler und genauer als auf dem Display und die Riffelung der Schalter, die einen hier haptisch unterstützt, erinnert etwas an die Potiknöpfe einer Telecaster. Wiederum ein nettes Detail.

Vermutlich sowohl um die Bedienung zu erleichtern als auch Prozessorleistung zu sparen, kann man keine freien Routings innerhalb der Presets vornehmen. Stattdessen gibt es 12 vorgegebene Signalpfade, etliche davon auch inklusive des Mic/Line-Eingangs.

(Bild: Dieter Stork)

SOUND

Klar, klingen sollte es schon auch noch gut, insbesondere bei dem aufgerufenen Preis. Was läge näher, als für unseren Test mit cleanen Fender-Amps zu starten? Gepaart mit einer 1979er Fender Strat und einer Parker Southern Nitefly als moderne Tele ergibt sich genau das, was man sich erhofft: Perlende, klare Höhen, angenehme, satte Bässe, etwas zurückgenommene Mitten, einfach ein wunderbarer Clean-Sound.

Auch wenn man das Gain der Amps etwas höher dreht, bleibt die Fender-Charakteristik klar erhalten und vom dynamischen Übergang in Gain-Gefilde bis hin zum voll aufgedrehten Silverface (The Hives, anyone?) ist alles drin und klingt alles super. Auch die Effekte wie Reverb und Tremolo sind über jeden Zweifel erhaben.

Neben den algorithmischen ‘63 und ‘65 Spring Reverbs bietet Fender hier auch die (seltener anzutreffende) Faltungshall-Variante an. Letztere klingt deutlich anders und ist insgesamt dezenter. Hier gibt es kein besser oder schlechter, beide klingen super und man wird schnell den jeweils passenden Einsatzzweck finden. Fügt man den Convolution(/Faltungs-)Reverb in ein Preset ein, so kann man keinen der Fender Amps mit „eingebautem“ Hall mehr auswählen. Das scheint dann doch zu viel für den Prozessor zu sein. Dementsprechend ist es auch nicht möglich zwei solcher Amps (also beispielsweise Deluxe Reverb und Princeton Reverb) mit aktiviertem Hall im gleichen Preset zu nutzen.

Geht man zu den Mid-Gain-Amps über, merkt man, dass die Liste schon dünner wird. Klar, auch Fender-Amps lassen sich super für diese Anwendung nutzen und interessanterweise haben es sogar der Bassbreaker und der Blues Junior ins Modeling geschafft.

Dennoch hat man „nach oben hin“ nun weniger Auswahl. Es gibt einen AC30, Mesa Mark, Plexi, JCM 800 und zu meiner Freude auch einen Silver Jubilee (John Frusciante lässt grüßen). Scrollt man noch etwas weiter, erscheinen ein Friedman, der EVH 5150, ein Rectifier und ein Überschall. Es wird also die gesamte Bandbreite von zart bis hart bedient – nur eben noch(?) nicht ganz so gut bestückt, wie bei der Konkurrenz. Die Sounds mit mehr Gain sind ziemlich gut. Allerdings gibt es da gerade bei den Marshalls in den Höhen immer einen Anteil, der meinen Ohren nicht ganz so gut gefällt. Ich kann nicht klar ausmachen, ob ich hier Aliasing höre oder einfach an andere Sounds gewöhnt bin, aber das klingt bei anderen Modelern noch ein bisschen besser. Ausnahmsweise liegt es auch mal nicht an der Impulsantwort. Ich habe diverse eigene probiert und der Sound wird nicht besser, sondern nur anders – also Kompliment an Fenders IRs. Mittels parametrischem EQ etwas die Höhen rausdrehen hilft aber schon mal.

Und bitte nicht falsch verstehen: Der Tone Master Pro klingt super. Mir gefallen im direkten Vergleich die Marshall-Style-Modelle in einem Axe-Fx III etwas besser. Alles Geschmackssache.

Die Effekte des Fenders gefallen mir ausnahmslos gut. Dass die Hallräume super sind, hatten wir ja schon, aber auch die Delays klingen traumhaft. Und: Fender hat tatsächlich einen Feedback-Generator unter die Effekte gemischt. Das gibt es selten, dabei macht das Pedal wirklich großen Spaß und hilft einem ein „größeres“ Spielgefühl zu erreichen.

FR-12 CAB unter der Lupe und Resümee auf Seite 2

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Guten Tag.

    Was würden Sie mier empfehlen, für
    e- Gitarrenverstärker. Habe einen Fender Röhrenverstärker 50 Watt spiele bei der Blasmusik mit, als Gitarrist.
    Für die Musik ist der Verstärker …ehe zu schwach.
    ( hatte mei e E- Gitarre Yamaha bei Ihnen auf Reparatur untersuchung, und bin sehr zufrieden.👍)
    grüsse aus Südtirol.

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  2. Viel Geld – zumindest bei uns in Deutschland – für einen Modeler, der die Konkurrenz nicht abhängen, sondern allenfalls in Teilbereichen aufschließen konnte. Im Erzeugerland sieht das Preis/Leistungsverhältnis natürlich besser aus. Momentan bietet in meinen Augen ein Helix LT oder Fractal FM3 einen vergleichbaren Bedienkomfort und bessere Drive-Sounds für deutlich weniger Geld. Entscheidend für den Kauf sind m.E. die künftigen Updatemöglichkeiten. Fender muss nur hie und da etwas nachbessern, sein Angebot erweitern und einige zusätzliche Models ergänzen, dann sieht die Sache gleich anders aus. Preislich bewegt man sich dann auf Neural-Niveau, und wenn etwas richtig taugt, kauft man’s ja auch gerne.

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  3. In Anbetracht der Tatsache, dass es in dem Segment schon sehr gute und bewährte Geräte gibt, ist es als Einsteiger schon fast arrogant mit einem derart hohen Preis zu beginnen. Das man dann auch noch viel weniger Ausstattung bietet, verstärkt mein Urteil eher noch.
    Auf der anderen Seite kann weniger auch mehr bedeuten. Zumal wenn man tatsächlich schneller ansprechende Sounds hinbekommt. Was mich beim Helix doch sehr stört, ist, dass die Grundeinstellungen vieler Module einfach schlecht sind und es viel zu viele Parameter gibt. Schön wäre, wenn zumindestens zwische Easy und Expert auswählen könnte.
    Um schnell mal was auszuprobieren, habe ich mir den Fender GTX 100 gekauft und finde das Bedienkonzept (wie auch den Sound) immer noch klasse und meine Hoffnung, dass auch dieses Gerät hier davon profitiert hat, scheint sich bestätigt zu haben. Allerdings ist ein Update für den GTX schon einige Jahre her, was ich aber auch nicht vermisse. Beim Tone Master wird man wohl sehr viel mehr pflegen müssen (das macht Line6 hervorragend). Aber bei dem Preis wird es schwierig werden, Begeisterung zu erzeugen. Geht mir jedenfalls so.

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  4. …schade, dass der Headrush Prime als Alternative nicht vorkommt. Ähniches Bedienkonzept, top Sound und Features….

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