Der B(e)elzebub

Test: Faustus Klangmanufaktur Sulphur Typ II

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(Bild: Dieter Stork)

Retro-Gitarren sind nach wie vor angesagt. So erfährt auch die RD-Form von Gibson nicht nur im eigenen Hause eine Renaissance. Viele Hersteller lassen sich vom ausladenden Hüftschwung der Schönheit aus den späten 70er-Jahren inspirieren und entwerfen eigene Designs, deren Wurzeln aber klar erkennbar bleiben. Genau so verhält es sich im Falle der Sulphur Typ II.

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Die RD war weiß Gott kein durchschlagender Erfolg – ganz im Gegenteil. Die von Bob Moog ziemlich pfiffig entworfene Elektronik ermöglichte zwar ein breites Spektrum an Regel­möglichkeiten; der Zeitgeist der späten 70er-Jahre jedoch war be­reits an diesem Konzept vorbeigezogen. Zudem waren die massi­ven Ahornbretter recht groß, schwer und mit der 25,5″ Mensur auch so gar nicht Gibson-typisch. Wir Gitarristen waren einfach schon immer konservative Gewohnheitstiere. 2019 also begeht Faustus den vom amerikanischen Kulthersteller geebneten Pfad und stellt mit der Sulphur die eigene Interpretation des RD-De­signs vor. Hinter dem Namen verbergen sich Philipp Bindarra und Ulrich Belz, die mit ihrem kleinen Unternehmen „Belz Elektroma­gie“ neben Gitarren auch noch Verstärker und Pedale bauen und im mittelhessischen Eschenau ansässig sind.

PECH & SCHWEFEL

Um es gleich vorwegzunehmen: Wie bei vielen Gitarren, die auf Gibsons RD-Modell basieren, ist auch die Sulphur Typ II keine klei­ne Gitarre. Einmal aus dem mitgelieferten (und sehr robust wir­kenden) Gator-Case befreit, zeigt sich, dass dieses Instrument auch an großen Gitarristen nicht lächerlich klein wirkt. Die gänz­lich mit einem hauchdünnen, schwarzen Satin-Finish aus Nitrolack versehene Sulphur Typ II wirkt bereits auf den ersten Blick glei­chermaßen hochwertig wie elegant. Die Lackierung wurde so dünn aufgebracht, dass die Maserung des einteiligen Erlekorpus’ nicht nur zu sehen, sondern auch noch zu spüren ist.

Beim ersten Spielen fällt weiterhin positiv auf, dass der nach hinten ausladen­de Body mit einem dezenten Shaping versehen ist. Dies ist inso­fern dankenswert, weil einem sonst die ungebrochene Kante der Korpuszarge in den Unterarm schneiden würde. Der einteilige Ahornhals wurde sauber verleimt und weist ein recht ausgewoge­nes C-Profil auf, das satt und angenehm in der Hand liegt. Die nach hinten leicht abgewinkelte Kopfplatte trägt sechs goldene Duesen­berg-Z-Locking-Tuner, die mit ihren Tulpen-Flügeln gut zur schwungvollen Form der Kopfplatte passen.

Die gesamte Gitarre ist von einem cremefarbenen Binding eingefasst, welches einen schönen Kontrast zu der schwarzen Farbe und der goldenen Hard­ware bildet. Leider liegt hier auch der erste Kritikpunkt der Sulp­hur Typ II verborgen. Vor allem beim Übergang vom Hals zum Kor­pus finden sich einige kleine Unsauberheiten in der Einfassung, die zwar rein kosmetischer Natur, jedoch in diesem Preisgefüge einfach etwas ärgerlich sind. Die 22 Medium-Jumbo-Edelstahl- Bünde von Wagner sind sauber in das dunkle Ebenholzgriffbrett eingesetzt und abgerichtet.

(Bild: Dieter Stork)

Passend zum Gesamtbild wurden in das Holz großzügige Perlmutt-Inlays eingelassen. Die Tune-o-ma­tic Brücke sowie das Stop Tailpiece sind genau wie die Kappen der Tonabnehmer in Gold gehalten.

Interessant wird es bei den Pick­ups und der Elektronik: In der Hals-Position finden wir einen haus­eigenen, mit 7,5 kOhm eher moderat veranlagten Mini-Humbu­cker, der auf den Namen „Heraklit“ hört und mit Alnico-V-Magne­ten ausgestattet wurde. Auf der Stegposition wurde der mit 11,5 Ohm deutlich kräftigere Sokrates-Hybrid-Humbucker verbaut. Hier haben wir als Besonderheit, die kombinierte Verwendung von Al­nico-IV- und Alnico-II-Magneten, was ja in dieser Zusammenstel­lung nicht so häufig zu finden ist. Die Elektronik wirkt mit den bei­den Tone-Reglern, den zwei Volume-Potis sowie dem Toggle-Switch recht gewöhnlich – tatsächlich versteckt sich aber mehr hinter dem klassischen Schalt-Layout.

Spannende Pickup-Kombination (Bild: Dieter Stork)

Während sich hinter der Push/Pull-Funktion des einen Lautstärke-Potis die Coil-Split-Funk­tion verbirgt, ermöglicht das Ziehen eines der Tone-Regler eine Out-Of-Phase-Konstellation der beiden Pickups. Dadurch ergeben sich natürlich zahlreiche Sounds, die weit über die schlichte Les-Paul-Schaltung hinausgehen. Die Verarbeitung der Elektronik ist auf einem durchaus hohen Niveau, wenngleich im E-Fach leider keinerlei Abschirmung zu finden ist. Eine weitere Besonderheit fin­det sich unter dem Mini-Humbucker. Um ein nachträgliches Ein­bauen eines großen Doppelspulers einfach umsetzen zu können, hat der Hersteller die Sulphur Typ II von vornherein mit einer entsprechend großen Ausfräsung versehen. So kann ohne nachträgli­che Holzarbeiten ein entsprechend großer Tonabnehmer mühelos verbaut werden.

MITTENBRETT

Im Sitzen gespielt fällt auf, dass die Sulp­hur Typ II vor allem auf dem rechten Bein ruhend, erstaunlich komfortabel zu bespielen ist. Hier ist nichts im Weg und die Gitarre liegt toll in der Hand. Am Gurt zeigt sich ein leichter Zug in Richtung Kopfplatte, was aber eine grundsätzliche Eigenschaft dieser Form ist und im Falle der Faustus auch nicht wirklich stört. Ein einigermaßen rutschfester Gurt kann hier einfach Abhilfe schaffen.

Die Werkseinstellung der Sulphur Typ II ist über alle Maßen zufriedenstellend – bes­ser geht es nicht. Interessant ist die Wahl der Werksbesaitung: Hier haben sich Faustus für die 24k goldbeschichteten Saiten der Firma Optima entschieden, die dank ihrer Farbe optisch natürlich hervorragend passen. Akustisch gespielt, signalisieren bereits die ersten Powerchords, dass wir es hier mit einer schön resonierenden Mittenkeule zu tun ha­ben. Der Ton ist von einem schnellen Attack und einem glasklar umrissenen Bassbereich geprägt, der viel Platz für ein breit angelegtes, angenehm holzig klingendes  Mittenspektrum lässt. Obwohl die Gitarre mit ihrem ausladenden Korpus und dem Gewicht von knapp 4 kg nicht wirklich als Feder­gewicht bezeichnet werden kann, legt die Sulphur Typ II ein Klangbild an den Tage, welches man hier so nicht vermuten würde. Die kräftigen Mitten werden ergänzt durch eine tolle Auflösung, die zwar eine gewisse Portion Twang mitbringt, jedoch nicht zu spitz klingt.

Am Verstärker darf zunächst der Mini-Humbucker zeigen, was er so zu bieten hat. Glasig schimmernd, mit kräftigen Mitten und einer ordentlichen Portion Höhen, zeigt der Heraklit-Tonabnehmer, dass er seiner Gattung alle Ehre macht. Unvermittelt zwingen sich bluesige Licks in die Finger, die einen Johnny Winter sicher stolz gemacht hätten. Das eher drahtig gehaltene Bass-Spektrum des Pickups sorgt dafür, dass hier kein ungewollter Matsch entsteht, aber trotzdem genug Fundament geliefert wird, um einen fetten, leicht komprimierten Lead-Sound im Overdrive-Kanal des Verstärkers zu erzeugen. Gesplittet wird der Ton dann noch mal eine deutliche Spur bissiger und bringt einen ordentlichen Twang in den Höhen.

Auf der Steg-Position geht die Sulphur Typ II mithilfe des Sokrates-Pickups wesentlich hemdsärmeliger zur Sache – von Feingeist und philosophischem Geschwurbel keine Spur. Der Humbucker packt in den Tiefmitten kräftig zu und sorgt für ein tiefes Grollen, ohne aber dabei das Höhenspektrum aus den Augen zu verlieren. Auch hier haben wir einen knackig umrissenen Tieftonbereich, der für ein tightes Attack sorgt und auch bei tieferen Stimmungen im High-Gain-Kanal eine fantastische Auflösung bietet. Im Singlecoil-Betrieb bekommt man einen immer noch angenehmen und erstaunlich warmen Ton, der zwar nicht wie bei einem vollwertigen Einspuler klingt, jedoch trotzdem eine tolle Alternative zum Humbucker-Modus darstellt.

Zu guter Letzt bietet die Mittelstellung des Toggle-Switches die Möglichkeit, beide Pickups zusammenzuschalten, was besonders bei eher cleanen Sounds hervorragend funktioniert. Auch die Out-Of-Phase-Schaltung erzeugt trotz ihres in den Mitten stark ausgehöhlten Tons absolut brauchbare Klänge, die besonders mit einem leichten Crunch-Sound gut zur Geltung kommen. Klanglich weiß die Sulphur Typ II auf allen Ebenen zu überzeugen. Die Auswahl der Hölzer in Verbindung mit der hohen Qualität der eigenen Tonabnehmer, sorgt für ein absolut überzeugendes Ergebnis. Angemerkt sei noch, dass die verwendeten Optima Saiten über die gesamte Zeit des Tests nur sehr wenig Verschleiß erkennen ließen.

Body-Shaping für den Spielkomfort (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Faustus liefert mit der Sulphur Typ II einen furiosen Einstand und schickt ein Modell auf den Markt, welches eine interessante Nische besetzt. Die rundum edle Optik, der wunderbar offensive Klang, die tolle Spielbarkeit, die Materialwahl sowie die Pickups wissen auf ganzer Linie zu überzeugen. Lässt man die leichten, kosmetischen Mängel in der Verarbeitung einmal außen vor, haben wir hier ein Instrument, das rundum Freude macht. Hier bekommt man eine wirklich durchdachte Gitarre mit einer Vielzahl an beeindruckenden Sounds und einem eigenständigen Klangcharakter.

PLUS

  • Optik
  • Ausstattung
  • Tonabnehmer
  • Bespielbarkeit
  • Klangcharakter
  • 648 mm Mensur

MINUS

  • leichte Schwächen in der Verarbeitung
  • keinerlei Abschirmung im E-Fach

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

 

Produkt: Fender Stratocaster
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