Feine Stimmung

Test: EVH Wolfgang Special T.O.M.

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(Bild: Dieter Stork)

Bereits 2009 erschien unter dem eigenen Label des 2020 viel zu früh verstorbenen Eddie van Halen die erste EVH-Gitarre, die er nach seinem Sohn Wolfgang benannte, welcher selbst seit rund 20 Jahren erfolgreich musikalisch unterwegs ist. Etliche Modelle später landet die aktuelle Wolfgang Special T.O.M. auf meinem Tisch, eine mexikanische Variante der 2016er USA HT.

Im Gegensatz zur damaligen USA HT (HT = Hardtail) hat man bei unserer Protagonistin auf einen Klemmsattel verzichtet. Da macht angesichts präzise und geschmeidig arbeitender Mechaniken und reibungsarmem GraphTech-Tusq-XL-Sattel ein Feinstimmer-Stoptail doch wenig Sinn, oder?

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SCHWARZROT UND GOLD

Dank Oxblood Metallic Finish – hierzulande als Schwarzrot (RAL 3007) bezeichnet – und goldener Hardware macht unsere Wolfgang Special T.O.M. optisch richtig was her. Die cremefarbenen Pickup-Spulen und das Binding der gewölbten Decke unterstreichen diesen Eindruck.

Die Ergonomie betreffend belässt es der Hersteller bei rückseitig verrundeten Kanten und dem um 4 mm abgestuften, handlich gerundeten Übergang zum durch zwei Graphitstäbe stabilisierten verschraubten Hals. Somit ist die Rückseite komplett flach und wird lediglich von den präzise Oberkante bündig eingelassenen Kunststoffdeckeln der E- und Schalterkammern und den vier einzeln unterlegten Halsschrauben optisch unterbrochen.

Der hitzebehandelte Ahornhals mit stehenden Jahresringen (quartersawn) zeigt in seiner Aufnahme immerhin soviel Spiel, dass man die nicht ganz mittige Ausrichtung der Saiten auf dem Griffbrett mit einem leichten Ruck korrigieren kann. Nachdem ich die Halsschrauben noch ein wenig nachgezogen habe, sitzt alles perfekt.

Ansonsten kann ich dem Werks-Setup und der gesamten Verarbeitung Bestnoten attestieren: Halskrümmung, Saitenlage, Sattelabrichtung, vorbildlich bearbeitete Neusilber-Jumbobünde, spiegelglatt polierte Lackierung und per Hand aufgetragenes seidenmattes Urethan-Finish, das dem Halsrücken mit seinem leicht asymmetrischen Wolfgang-Profil angenehm holzigen Grip beschert. Das aufgeleimte Compound-Griffbrett flacht von 12″ bis zu 16″ Radius ab.

(Bild: Dieter Stork)

Schwarze Punkte und Sidedots unterstützen die Orientierung. Ein rückseitiger Kragen verstärkt den Übergang zur parallel versetzten kleinen Kopfplatte, auf der ein Niederhalter den Saitendruck auf den Sattel erhöht und EVH-gelabelte Tuner zuverlässig Dienst tun. Oberhalb des Hals-Pickups kann die Halskrümmung komfortabel per Speichenrad justiert werden. Die beiden EVH Wolfgang Humbucker hat man im Korpus verschraubt.

Halsjustierung per Speichenrad (Bild: Dieter Stork)

Lediglich die Höhe des Steg-Pickups lässt sich justieren. Verwaltet werden sie mittels soliden Toggle-Schalters, Master-Volume und -Tone-Reglern, beide vom US-Hersteller Bourns, dessen besonders leichtgängigen Potis Eddie für seine Violineffekte bevorzugt hat. Während das leichtgängige 500k Volume-Poti mit Treble-Bleed-Schaltkreis bedacht wurde, kommt der bewusst nur wenig zäher rotierende Tone-Regler mit 250k Widerstandswert aus. Ein stabiles Zargenblech trägt die straff zupackende Klinkenbuchse.

ROCK MACHINE

Von großen Knöpfen gesichert, hängt die Wolfgang Special T.O.M. ausgewogen am Gurt und bietet auch auf dem Bein Entspannung. Der sattelseitig mit knapp 40,6 mm recht schmale Hals ragt relativ weit in den Korpus, weshalb der Tune-o-matic-Steg und das Fine Tuner Stoptail näher zum Korpusende umziehen mussten.

(Bild: Dieter Stork)

Dies erleichtert Barré-Akkorde in den unteren Lagen und schränkt dank großzügig geschnittenem Cutaway und verrundetem Halsübergang den Spielkomfort in den höheren Gefilden nicht sonderlich ein. Der Halsrücken selbst bietet dank der holzig warmen, glatten Oberfläche und sorgfältig verrundeten Bund- und Griffbrettkanten allerhöchsten Spielkomfort.

Verrundeter Halsübergang (Bild: Dieter Stork)

Unplugged gibt sich die Wolfgang Special T.O.M. extrem schwingfreudig und spritzig, spricht direkt, konkret und akzentuiert an, entlässt die Töne blitzschnell aus den Startlöchern um sie langsam und kontinuierlich abklingen zu lassen. Alles in allem stelle ich exzellente Dynamik und respektables Sustain fest.

Trotz der 009-042 EVH-Besaitung tönt die Gitarre überraschend kraftvoll und ausgewogen und geizt auch nicht mit Obertönen. Am Amp zeigt sich, dass der Pickup-Schalter anders als bei ursprünglichen EVH-Modellen konventionell ausgerichtet ist, d.h. Schalterknopf oben = Hals-Humbucker, unten = Steg-Pickup. Zudem bietet die Schaltung keinerlei Alternativen à la Coil Splits, Out-of-Phase o.ä. Ein kompromissloses Rockbrett also.

Der cleane Verstärker präsentiert den Hals-Humbucker fett und druckvoll mit sattem aber definiertem Fundament, warmen, bluesig schmatzenden Mitten, samtigen Höhen und reichlich Obertönen, das Ganze rund, klar und luftig. Abhängig vom Anschlag kann er sowohl weich singen als auch bissig zupacken, unterstützt also in jeder Phase die Tonbildung.

Der Steg-Pickup gibt sich derweil überraschend mittig und warm, liefert kompakte Bässe, drahtige Mitten, geschmackvoll dosierte Höhen und ein breites Obertonspektrum. Aus der Kombi beider Pickups entwickeln sich klare, glockige Klänge, die sich nicht nur für cleanes Single-Note-oder Rhythmus-Spiel anbieten, sondern auch im High-Gain-Betrieb mit charaktervollen Sounds punkten.

Im Zerrbetrieb drückt der Hals-HB voluminöse Powerchords und tieffrequente Riffs aus den Speakern, bleibt dabei aber stets offen und differenziert. Selbst komplexere Vollakkorde zeichnen sich durch präzise Saitentrennung und Definition aus und bleiben stets erkennbar.

Im High-Gain-Betrieb lassen sich ihm durch variables, ausdrucksstarkes Spiel unterschiedlichste Klangfarben entlocken. Der Steg-Humbucker beeindruckt mit einem kraftvollen, durchsetzungsstarken Rhythmusbrett. Beim Solieren lässt sich jeder Ton mit dem Anschlag formen und wird dabei vom Sustain getragen. Nennenswerte Dynamikeinbußen sind währenddessen nicht zu verzeichnen.

Die beiden unterschiedlich weich rotierenden Bourns-Potis besitzen gleichförmige Regelcharakteristik, die präzise Kontrolle von Klang bzw. Verzerrungsgrad gestatten. Dank Treble-Bleed arbeitet Volume beim Zurückregeln ohne großartige Höhenverluste.

RESÜMEE

Wie bereits die zahlreichen Vorgängermodelle, so glänzt auch die neue EVH Wolfgang Special T.O.M. als robustes, zuverlässiges, top verarbeitetes Rock-Arbeitstier mit schnörkelloser Schaltung und dem Klangangebot zweier erstklassiger EVH-Humbucker. Dass die Halstasche leichtes Spiel zeigt, erweist sich in diesem Fall als Vorteil, da sich die Saiten auf dem Griffbrett mittig ausrichten ließen.

Neben besten Schwingungs- und Klangeigenschaften lässt sich die Gitarre nicht nur dank des speziellen Halsdesigns vorzüglich bespielen: Modernes C-Profil (Wolfgang Backshape), zunehmender Griffbrettradius, abgerundete Griffbrett- und Bundkanten, vorbildlich bearbeitete Bünde. Das geringe Gewicht und die perfekte Balance am Gurt und auf dem Bein kommen dem Spielkomfort ebenso zugute wie die leichtgängigen präzisen Bourns-Potis.

Kurz, tolle Gitarre, auch wenn ich das Fine Tuner Stoptail nicht nachvollziehen kann, da ja kein Klemmsattel am Start ist. Egal, man muss die Feinstimmer ja nicht benutzen.

Plus

● Clean- bis High-Gain-Sounds
● Ansprache, Sustain und Dynamik
● Qualität Hölzer und Hardware
● robuste Konstruktion
● Bourns-Potis & Treble Bleed
● Spielbarkeit
● Verarbeitung
● Preis-Leistungs-Verhältnis

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2025)

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