Tap & Tüftel

Test: Eventide MicroPitch Delay und UltraTap

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(Bild: Dieter Stork)

Mit dem H9 gab Eventide 2015 ein starkes Statement im Genre der Multieffekte ab. Nun, knapp sechs Jahre später, erscheinen in kurzer Folge die beliebtesten Modi aus dem Rundumschlag als Standalone-Pedale. Wir legen uns die beiden neuesten davon unter den Fuß.

Mit dem melancholischen Blackhole begann Eventide bereits im vergangenen Jahr die Serie, die Gerüchten zufolge auch noch weitere Effekte aus dem H9 als Einzelpedale hervorbringen wird. Die beiden Neuzugänge sind das Ultrap Tap und das MicroPitch Delay. Oberflächlich betrachtet wildern beide im selben Genre (Delay im weitesten Sinne) jedoch mit unterschiedlichem Fokus, wie wir gleich sehen werden.

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Wie schon das Blackhole kommen die Neulinge in soliden Stahlgehäusen, die mit Maßen von 10 x 11 x 6 cm in etwa der Größe kleinerer Doppelschalter-Pedale entsprechen. Sämtliche Anschlüsse befinden sich an der Stirnseite – sehr vorteilhaft für ausufernde Pedalboards. Mit um die 500 Gramm Gewicht vermitteln die Geräte robuste Wertigkeit, sind aber nicht gerade leicht. Beide Geräte verfügen über Mono und Stereo-Aus/Eingänge, einen Anschluss für Midi oder den PC für ein Update der Software, sowie den recht durstigen 9V DC Eingang, der mit um die 500 mA beliefert werden will. Batteriebetrieb ist nicht vorgesehen.

Selbstverständlich lassen sich bei beiden Geräten viele Funktionen auch per Expression-Pedal ansteuern. Die Anordnung und Funktion der Regler ist bei beiden Geräten ähnlich, und anfängliche Panik ob der zahllosen Funktionen der doppelt belegten Potis weicht schnellem Verstehen und raschen Ergebnissen. Beiden Teilen liegen Schablonen bei, die man über die Regler legen kann, und auf denen die vorhandenen Presets vorgestellt werden – sehr schlau, so kann man die ursprünglichen Reglereinstellungen der mitgelieferten Presets nachvollziehen und gezielt tweaken.

Neben einem Netzteil zählt zum Lieferumfang der beiden Geräten ein Quick-Guide, der spartanisch rüberkommt, in der Praxis aber zur Bedienung und zum Verständnis der Geräte völlig ausreicht.

Nahezu identische Platinen, doppelstöckig angeordnet

 

MICROPITCH DELAY

Das MicroPitch Delay basiert auf den legendären Studio-Modulen H910 bis H3000, den ersten digitalen Harmonizer-Effektgeräten der Welt, die in den 1980er- und 1990er-Jahren auf unzähligen Produktionen eingesetzt wurden und den typischen glasigen Sound jener Epoche erzeugten. Einer der berühmtesten User: Niemand geringerer als Eddie Van Halen auf quasi allen Alben der mittleren 80erbis 90er-Jahre.

Genau wie die Legenden basiert alles auf Mikro-Verzögerungen des Signals – Mini-Delays, wenn man so will –, die eine Veränderung der Tonhöhe (Pitch-Shift) und damit einen Chorus-Effekt erzeugen. Ist das MicroPitch Delay also eigentlich ein Chorus? Jein – es ist viel mehr als das, beziehungsweise kann es viel mehr als ein normaler Chorus. Es addiert zwar leichte Tonhöhenveränderungen des Signals, allerdings konstant und nicht in Wellenform wie ein Chorus. Ein reines Delay ist es allerdings auch nicht, wer nur das sucht, wird woanders einfacher bedient.

Gehen wir die Regler und damit die Möglichkeiten des Geräts durch: Links unten befindet sich der (True)Bypass-Schalter, der auch eine Halte-Funktion hat für die momentane Anwendung. Rechts, wie es sich heute für ein digitales Delay gehört, sehen wir einen Tap-Taster. Der aber hat mehrere Funktionen: Primär dient er dem Durchschalten der Presets. Die kleine LED darüber ist auch ein Taster, dort schaltet man in den Tapmodus. Übrigens wählt man die Presets mit dem rechten Schalter nur an, mit dem linken muss man die Auswahl bestätigen.

Eine vertikale Reihe von fünf LEDs zeigt die Presets an. Per Midi sind 127 Presets speicher- und abrufbar. Die beiden Reglerreihen sind, von oben links und mit der jeweiligen Sekundär-Funktion, die man mit dem LED-hinterlegten Schalter rechts oben anwählt: Mix (Tone), Pitch A (Delay A), Pitch B (Delay B), darunter Depth (Mod), Rate/Sens (Feedback) und Pitch Mix A/B (Out Lvl). Einige dieser Potis sind selbsterklärend.

Zusammengefasst handelt es sich beim MicroPitch um ein Doppel-Delay mit Modulation/Pitch-Funktion. Die Vielfalt der damit einstellbaren Sounds ist geradezu erschlagend. Eventide war sich dessen wohl bewusst, weshalb dem Gerät die erwähnten Pappschablonen mit den Presets beigelegt wurden, die man über die Regler legen kann. Sie dienen der Orientierung dafür, was das MicroPitch Delay so alles kann.

Und das ist eine ganze Menge: Vom Doubler über verschiedenste Chorus-Varianten bis zum epischen Swell-Effekt mit viel Geschimmer, SlapBack-Echo usw. Besonders cool: Mit dem eingebauten Envelope Filter kann man den Pitch des Delay-Signals hinauszögern, er kommt einem also bei den gespielten Noten nicht in die Quere, sondern ertönt nur in Spielpausen beim Abklingen. Man denke an den Mittelteil von Don Henleys ‚Boys of Summer‘ oder so manche Passage in den eher sphärischen Songs von a-ha.

Insgesamt ist das MicroPitch Delay eine Wundertüte, mit der Stunden vergehen können, ohne dass man alle Möglichkeiten und Sounds auch nur annähernd ausgeschöpft hätte. Die Qualität ist dabei über jeden Zweifel erhaben, allenfalls Analog-Gourmets könnten hier ob fehlender „Wärme“ die Nase rümpfen. Die Soundkultur ist eben die der 1980er-Jahre, der Klang kristallin und im Wortsinne „clean“ – it is what it is.

 

ULTRATAP

Noch ein Delay? Wieder ein deutliches: Jein. Denn im Vergleich zum MicroPitch Delay hat das UltraTap einen etwas anderen Fokus. Wo jenes sich auf Pitch Shifts konzentriert und eher im Bereich Chorus wandelt, dringt das UltraTap in den rhythmischen, ja „Slicer“-Bereich vor. Gehen wir auch hier die Regler durch: Links wieder Bypass/Hold, rechts wieder der Multifunktionstaster Tap/ Presets, links oben die 5er-Kette LEDs für die Presets (auch hier sind 127 per Midi möglich). Von oben links sind die Regler: Mix (Tone), Taps (Slurm), Length (Pre-Delay), Feedback (Chop), Spread (Spd/Rise/Rel), Taper (Out Lvl).

Fokussieren wir uns auf die nicht selbst erklärenden Regler, so wird deutlich, dass hier eine Menge Tremolo-Sounds in den Delays mit im Spiel sind. Das wird vor allem am Regler „Feedback (Chop)“ deutlich, mit dem sich die Wellenform des in den Delays hörbaren Tremolos einstellen lässt. Von der Sinuskurve über den Sägezahn zum Zufalls-Impuls, weiter zum anschwellenden Sound: Endlos viele Möglichkeiten erfreuen den Tüftler.

Der Regler daneben – Spread – regelt die Abfolge und Länge der Delay/Tremolo-Klänge, man fühlt sich ans Morse-Alphabet erinnert: Von kurzkurz-lang bis lang-lang-kurz und alles dazwischen. „Taper“ daneben regelt, ob die nachgelagterten „Chops“ aus Delay/Tremolo lauter oder leiser werden. Doch damit nicht genug: Slurm hat es in sich, denn dieser Regler macht aus dem UltraTap nochmal einen komplett anderen Effekt – einen Ambient-Synth. Er dient dem Verwaschen des Sounds: Damit lassen sich träumerische, weiche Variationen des ansonsten recht glasharten Gehäksels zaubern.

Es handelt sich beim UltraTap zwar eigentlich um einen Mix aus Delay und Tremolo, während das MicroPitch eine Mischung aus Chorus und Delay ist. Doch es ist auch eine Ambient-Zauberkiste. Damit eignet es sich zwar primär für Anwender, die vor allem rhythmische Erweiterungen ihres Gitarrensignals im Sinn haben, die weit über das hinausgehen, was Pink Floyd und U2 vorgelegt haben. Oder eben für Tüftler, die Lust haben, sich vom eigentlichen Gitarrencharakter zu verabschieden und wahrlich epische Sound-Landschaften zu kreieren. Auch dem UltraTap ist insgesamt ein ultracleaner Klangcharakter zu eigen, der analoge Feinschmecker eventuell nicht anspricht – die dürften aber auch nicht die primäre Zielgruppe sein.

Zu beiden Pedalen gibt es praktische Preset-Schablonen

 

RESÜMEE

Mit dem MicroPitch Delay und dem UltraTap legt Eventide nach dem Blackhole zwei weitere Standalone-Effektpedale vor, die sich mit unzähligen Einstellmöglichkeiten den beliebtesten Effekten aus dem H9 widmen. Es handelt sich bei beiden um Spezialgeräte für Tüftler – Gitarrist*innen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne sei hier eine Warnung ausgesprochen.

Eventide versteht es dabei, mit überraschend einfacher Bedienbarkeit und einsteigerfreundlichen Hilfsmitteln wie den Preset-Schablonen eine hohe Nutzerfreundlichkeit zu schaffen. Ob das für den Live-Betrieb praxisnah ist, muss jeder selbst entscheiden – wertvolle und enorm vielseitige Werkzeuge für den Heimgebrauch und das Studio sind diese Kleinode auf jeden Fall. Stellt sich natürlich die Frage, ob man sich nicht doch das H9 holt und alle Effekte in einem Pedal günstiger hat. Allerdings dürfte die Bedienbarkeit für harte Sound-Kreateure bei den Standalones deutlich besser sein.

www.eventideaudio.com

Preis (Street): jeweils ca. € 319

PLUS

● tadellose Verarbeitung
● inspirierende, erstklassige und einzigartige Sounds
● hohe Vielseitigkeit
● vergleichsweise einfache Bedienbarkeit
● hervorragende Presets erleichtern den Einstieg

(erschienen 06/2021)

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