Black Wasabi

Test: ESP / E-II EX-NT BK

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(Bild: Dieter Stork)

Dass ich eine aktuelle Gitarre japanischer Herkunft auf den Seziertisch bekomme, ist inzwischen eher die Ausnahme, da ein Großteil der Hersteller, darunter auch LTD (by ESP), ihre Low- bis Mid-Budget-Lines kostengünstiger in anderen Fernostländern produzieren lassen. Made-In-Japan-Instrumente (MIJ) haben seit jeher einen sehr guten Ruf, und so wundert es nicht, dass MIJs der 70er- und 80er-Jahre sogar unter Sammlern begehrt sind.

Aktuell bietet ESP seine Gitarren und Bässe unter den vier Labels ESP, ESP USA, E-II und LTD an. Davon werden nur ESP-USA- und LTD-Produkte außerhalb Japans gefertigt. Unsere Protagonistin zählt zur E-II-Reihe, die früher ESP Standard hieß.

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VORSICHTIGE ANNÄHERUNG

Ooch, die tut nichts, sie will nur gespielt werden! Dass man ein solch scharfes Design meist in die Metal-Schublade packt, wird der E-II EX-NT ebenso wenig gerecht, wie einer Flying V. Der 38 mm dicke Mahagoni-Body, im unteren Cutaway und an der oberen Extremität vorne und hinten facettiert, beschert der EX-NT ein höchst rückenfreundliches Gewicht. Eine Kunststoffplatte deckt das rückseitige, innen matt lackierte E-Fach Oberkante bündig ab. In einer zweiten Kammer aus gebürstetem Stahlblech klemmt die per stabilem Clip angeschlossene 9-Volt-Batterie an einem schwenkbaren Deckel.

Mit Ausnahme des robusten Toogle Switch kommen alle Elektrikkomponenten von EMG. Während die Kabelverbindungen zum Schalter verlötet wurden, hat man alle anderen gesteckt, auch die der zargenseitig montierten Klinkenbuchse. Als Gurtknöpfe finden große Dunlop-Locking-Pins Verwendung, deren gurtseitige Stecksicherungen zum Lieferumfang zählen.

ESP E-II EX-NT
Vorbildliche Bundbearbeitung (Bild: Dieter Stork)

Den Mahagonihals hat ESP nach dem Set-Thru-Prinzip verleimt, bei dem der Halsfuß bis in die Mitte der beiden Pickups reicht und damit die Schwingungsübertragung fördert. 22 Xtra-Jumbobünde verteilen sich über das Ebenholzgriffbrett, auf dem Perloid-Punkte und Sidedots die Lagen und ein ESP-Block-Inlay den zwölften Bund markieren. Bundbearbeitung und -politur sind vorbildlich und zeugen von höchster Sorgfalt. Den Übergang zur rückwärtig geneigten Kopfplatte stabilisiert ein Kragen, für den optimal aus- und abgerichteten Sattel greift ESP auf Knochen zurück.

Ein Kunststoffplättchen verschließt den Zugang zum Halsjustierstab, Gotoh-Magnum-Lock-Trad-Tuner ermöglichen geschmeidiges, präzises Stimmen. Korpusseitig trägt die EX-NT einen modernen Tune-o-matic-Steg mit Stoptail, beides von Gotoh. Die aktiven EMG-60- und -81-Humbucker besitzen gebürstete Black-Chrome-Kappen. Verwaltet werden sie per Master-Volume, Master-Tone und Dreiwegschalter.

ESP E-II EX-NT
Kopfplattenrückseite mit Locking-Tunern und Halskragen (Bild: Dieter Stork)

VIELVIELSEITIGES LEICHTGEWICHT

Je nachdem, ob man die E-II EX-NT stehend oder sitzend spielt, wechseln sich Kopflastigkeit und Ausgewogenheit ab. Entsprechende Gurtlänge vorausgesetzt, lässt sich die Balance mit dem Unterarm oder Ellenbogen durch bloßes Auf- oder Anlegen am Korpus leicht wieder herstellen. Schwer vorstellbar, aber Explorers und deren Verwandte erweisen sich als höchst entspannt spielbare Gitarren.

Da der Hals nicht ganz so flach gestaltet wurde wie bei vergleichbaren Shred-Äxten, sondern eine ovale Rückenrundung aufweist, schmiegt er sich perfekt in meine Hand. Seine dezent mattierte Oberfläche bietet, anders als das spiegelglatte makellose High Gloss von Korpus und Kopfplatte, komfortablen Grip. Der Hals bereitet Spielspaß, da die Kanten der hohen Bunddrähte großzügig verrundet und sorgfältig poliert wurden, und sich dank des ergonomischen Halsübergangs die höchsten Lagen ungehindert bespielen lassen.

Deutlich an Korpus und Hals zu spüren, gibt sich die EX-NT überaus schwingfreudig. Daraus resultieren ihre direkte und spontane Ansprache, flinke, spritzige Tonentfaltung und ein gemächlich und gleichförmig abklingendes Sustain. Tonal äußert sich das in kraftvollem, ausgewogenem Klangbild mit straffen und definierten Bässen, stringenten Mitten, klaren, seidigen Höhen und achtbarem Obertongehalt, der allerdings oberhalb der dritten Ebene (Flageolett im fünften Bund) endet – zumindest unplugged.

Ran an den Amp. Zuerst der Clean-Channel. Der EMG 60 in der Halsposition entlockt ihm ausgewogene, warme, offene Klangbilder, in denen selbst tiefe Frequenzen differenziert übertragen werden. Gleichzeitig verleiht der charakteristische EMG-Schimmer den Plain-Saiten klare, samtige Höhen, während die (noch ein wenig verhaltenen) Obertöne für Transparenz und Vitalität sorgen. Der 81-Steg-Pickup scheint durch seine straffen, prägnanten Mitten etwas mehr Output zu liefern und schafft es, sich problemlos im Band-Kontext durchzusetzen, ohne dabei Bässe, Brillanz und Transparenz auf der Strecke zu lassen.

Bringt man den Schalter in die Mittelstellung, liefert das Humbucker-Paar perlende, glockige Klänge für spritzige Akkorde und luftige Arpeggien. Am high-gain zerrenden Amp tönt der Hals-Pickup sehr fett und wuchtig, bleibt dabei aber differenziert und transparent, sodass selbst volle Barré- und sogar erweitere Akkorde erkennbar bleiben. Bassriffs und Powerchords kommen kraft- und druckvoll.

Da Zerrsounds das Obertonspektrum erweitern, bleibt das Klangbild stets lebendig und offen. Wenn sich der leistungsstarke EMG-81-StegHumbucker den Zerrkanal des Amps zur Brust nimmt, dringen straffe, differenzierte Akkorde, kompakt punchende Bässe z. B. für tief gestimmte Metal-Riffs und drahtig schmatzende Mitten ans Ohr. Mit zunehmender Attack legen die Höhen an Biss und Aggressivität zu. Zwar werden Leadsounds vom langsam und kontinuierlich abklingenden Sustain getragen, komprimieren jedoch nicht übermäßig und lassen daher viel Raum für nuanciertes, ausdrucksstarkes Spiel.

Überhaupt reagieren die EMGs unabhängig vom Verzerrungsgrad stets sehr dynamisch auf die Spielweise, empfehlen sich nicht nur für beinharten Metal jeglicher Couleur, sondern halten ein breites Sound-Spektrum für alle möglichen Musikrichtungen bereit. Das aktive Pickup-Set gibt Einstreuungen keine Chance, arbeitet selbst bei extremer Verzerrung nebengeräuscharm und garantiert auch bei langen Gitarrenkabeln verlustfreie Signalübertragung. Die butterweich rotierenden und kontinuierlich arbeitenden Potis lassen sich mit Hilfe ihrer gerändelten Metallknöpfe präzise und komfortabel bedienen. Während der Volume-Regler Output und Zerrintensität kontrolliert, greift Tone eher nuanciert ins Klanggeschehen ein.

EMG-Stecksystem im E-Fach
Dunlop Locking-Gurtpins
Matt trifft Hochglanz

 

RESÜMEE

Mit der E-II EX-NT schickt ESP eine schlichte, coole, aber auch elegante Japanerin ins Rennen, von der man annehmen würde, sie hätte ausschließlich Metaller:innen als potentielle Kund:innen im Visier. Aber, neben den erwarteten Sounds der härteren Gangart meistert sie auch Clean- und Crunch-Klänge aufs Feinste. Dank hochwertiger Tonhölzer, Set-Thru-Hals und erstklassiger Hardware punktet sie mit exzellenten Resonanzeigenschaften und unterstützt damit ausdrucksvolles, variables Spiel, jede Form von Dynamik und nicht zuletzt das Sustain. All das übertragen die EMG-Humbucker sehr detaillreich.

Die EX-NT wurde rundum makellos verarbeitet. Hervorzuheben sind der traumhafte Fretjob, der den Hals trotz hoher Jumbos bestens bespielbar macht, das perfekte High-Gloss-Finish von Korpus und Kopfplatte sowie die angenehm mattierte Oberfläche des Halsrückens.

PLUS

● Sounds (Clean, Crunch & Lead)
● Ansprache, Dynamik & Sustain
● Qualität Hölzer & Hardware
● Spielkomfort
● Verarbeitung
● Optik
● Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

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