11 Freunde

Test: Electro-Harmonix Oceans 11 Reverb

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Electro-Harmonix Oceans 11(Bild: Dieter Stork)

Electro-Harmonix macht gerne zwei Dinge … 1. Ziemlich verrückte Pedale 2. Ziemlich nützliche, günstige Pedale. Das Oceans 11 gehört definitiv in Kategorie 2.

Auf den ersten Blick wirkt das Oceans 11 wie ein simples Reverb Pedal. In der Handhabung ist es dies auch. Allerdings wissen wir ja, dass Danny Ocean gerne 10 Verbündete um sich weiß. Und so haben wir es hier auch mit elf verschiedenen Halltypen zu tun. Dazu noch ein Mode-Knopf für Sekundärfunktionen und schon kann man eine ganze Menge Leistung in einem sehr kleinen Gehäuse unterbringen.

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verarbeitung, konzept und bedienung

Gut verpackt inklusive Netzteil und deutschsprachiger Bedienungsanleitung findet sich das Oceans 11 zum Test ein. Die geringe Größe ist sehr Pedalboardfreundlich, und sollte man es doch lieber auf dem Schreibtisch nutzen wollen, so sind die Füßchen schon angebracht. Wenn man das Gerät aufschraubt, hat man Zugriff auf den innenliegenden Tails-Schalter. Zudem kommt einem ein Stück Plastik in Form der Grundplatte des Gehäuses entgegen. Die einzige Funktion, die ich diesem zuschreiben konnte, war es, einem das Leben beim zuschrauben zu erschweren.

Das Pedal wirkt robust und die Potis weisen einen angenehmen Widerstand auf. Der Schalter funktioniert ohne ein Knacken und eignet sich so auch für leise Umgebungen. Lediglich die Poti-Knöpfe verlieren schon nach kurzem Test einen Teil ihrer schwarzen Farbe zur Markierung der Einstellung. Aber hier wird zur Not Klebeband helfen.

Das Pedal weist neben der Input- und Output-Buchse noch die Infinite-Buchse auf. Hier kann ein externer Fußtaster angeschlossen werden, welcher die Infinite-Funktion steuert und somit den Hall endlos erklingen lässt.

Das EHX-Pedal bietet elf verschiedene Algorithmen. Einige hiervon sind mit weiteren Effekten gekoppelt, sodass in simpler Form auch Delay und Tremolo, sowie Modulationseffekte bereitstehen. Während das FX-Level und die Anwahl des Effekttyps selbsterklärend sind, variieren die Funktionen der anderen beiden Potis je nach Effekt. Im einfachsten Fall regelt Time die Abklingzeit des Halls und Tone den Klang. Dreht man im Uhrzeigersinn wird der Sound heller, dreht man gegen den Uhrzeigersinn wird der Effekt dunkler und rückt insgesamt mehr in den Hintergrund. Bei einigen der Algorithmen kann man über diese beiden Regler aber alternative Funktionen einstellen, sodass die Benennung nicht unbedingt immer korrekt ist.

Auch innerhalb der einzelnen Halltypen gibt es nochmals Variationen, sodass man eigentlich von mehr als elf Spitzbuben sprechen könnte. Während Hall, Spring, Plate, Revers, Auto-Infinite und Shimmer noch mit je einem Modus auskommen, können in den anderen Typen mittels Mode Taster weitere Modi abgerufen werden. So finden sich beispielsweise beim Tremolo-Effekt verschiedene LFO Wellenformen. Im Mod-Modus sind Chorus, Flanging oder beide zugleich verfügbar. Da wird schon etwas Rechenpower benötigt.

Der zuvor erwähnte Tails-Schalter im Gehäuse-Inneren wählt, ob die Hallfahne beim Deaktivieren des Pedals ausklingt, oder lieber sofort stoppen soll.

All diese Funktionen sind im beigelegten Handbuch gut erklärt. Da man heutzutage ja doch eher selten eine ausführliche Anleitung in gedruckter Form erhält, ist das durchaus ein Lob wert. Es wirkt zwar manchmal ein wenig, als hätte man Google Translate bemüht, dennoch bleibt alles gut verständlich.

11 spitzbuben

Elf Modi und viele davon noch mit weiteren Optionen? Wir fangen einfach mal vorne an: Ganz links am Wahlrad befindet sich der Hall-Effekt. Einer Konzerthalle nachempfunden, bietet er sich für die allermeisten Gelegenheiten an und ist im positiven Sinne unaufdringlich. Dreht man ihn weiter auf, so funktioniert er auch gut für Ambient-Sounds. Hier gibt es allerdings besser geeignete Kandidaten und die maximale Reverb-Dauer würde auch etwas zu wünschen übrig lassen.

Natürlich darf ein Spring-Reverb nicht fehlen. Hier sogar mit witziger Zusatzfunktion: Tappt man zweimal schnell den Fußtaster, so klingt dies tatsächlich so ähnlich, als würde man einen Spring Reverb mit echten Federn treten. Auch sonst ist der Sound gar nicht zu verachten. Andere Hersteller würden nur für diesen Effekt den gesamten Preis des Pedals aufrufen. Auf jeden Fall ein Highlight des Oceans 11 und durchaus ein Antesten für jeden Wert, der „nur“ ein Spring Reverb sucht. Der Algorithmus ist dem Fender 6G15 nachempfunden, und so regelt das Time-Poti hier die Dwell-Einstellung.

In die Reihe der Klassiker reiht sich Plate gekonnt ein. Der Plattenhall funktioniert wunderbar für Gitarre und Bass, aber insbesondere auch für andere Mixes. Hier ist man direkt in der Welt der 70er-Jahre-Tonstudios angekommen.

Mit dem Revrs-Effekt wird EHX schon deutlich spezieller. So wird es einem ermöglicht, den beliebten Studio-Trick auch live einzusetzen. Ziemlich cool insbesondere für den Beginn von Songs oder spezielle Breaks. Da sich das FX-Level hier auch auf 100% einstellen lässt, bleibt nichts mehr vom trockenen Signal über, welches bei diesem Effekt stören würde.

Der nächste Modus nennt sich Echo und kombiniert Delay und Hall. Hier wird einem simplen Digital-Delay ein Plattenhall nachgeschaltet. Da nun zwei Effekte gesteuert werden müssen, verwandelt sich der Tone-Regler in das Poti für die Anzahl der Echos. Die Delay-Zeit wird sinnigerweise mit Time eingestellt.

Weiter geht es mit den kombinierten Effekten: Bei Trem wird ein Tremolo auf das Effekt- und das trockene Signal gelegt. Mittels Mode-Taster lassen sich verschiedene Wellenformen durchlaufen. Die Dreieckseinstellung im grünen Modus klingt wunderbar klassisch und gefällt mir am besten. Aber auch das Rechteck im roten Modus hat seine Daseinsberechtigung und ist mit den „choppy“ Sounds eher für modernere Sounds ausgelegt. Diesen Modus hatte ich zunächst mit voll aufgedrehten Reglern getestet und sehr „kaputte“ Sounds erhalten. Für einen klassischen Effekt sollte man sich eher in der unteren Hälfte des Time-Reglers bewegen, aber hey: Mehr kreative Möglichkeiten für Menschen auf der Suche nach krassen Sounds sind immer willkommen.

Im Mod Modus wird der Mode-Taster noch wichtiger. Hier wählt er zwischen Chorus/Vibrato, Flanging und der Kombination aus Chorus und Flanger. Wohlgemerkt: das kommt jeweils auf das Reverb oben drauf! Fragt man sich nun, wie man insbesondere im letzten Modus noch Feineinstellungen vornehmen soll, so ist die Antwort so einfach wie auch logisch: Das Oceans 11 merkt sich einfach die Einstellungen aus den vorhergehenden (Einzel-Effekt) Einstellungen. Klingt komplizierter als es ist. Nicht abschrecken lassen, einfach mal selber testen.

Spätestens jetzt kommen wir zu den Highlights des Pedals: Dyna, Auto-Inf, Shim und Poly. Und hier kann ich mich nur schwer entscheiden, welche Einstellung mir am besten gefällt.

Bei Dyna gibt es zwar auch Ducking und ein Noise Gate, insbesondere der Grüne Modus überzeugt aber. Hier findet ein Crescendo (Swell) des Halls statt. Wunderbare Ambient-Flächen oder melodische Solosounds sind so möglich. Das kann man zwar auch manuell mit dem Volume-Poti der Gitarre oder einem Volume-Pedal machen, aber hier wird einem die Arbeit ziemlich gut abgenommen. Dies funktioniert auch vor verzerrten Amps oder Drive-Pedalen richtig gut.

Leichte Verwandtschaft zeigt sich hier zum Auto-Infinity Modus. Dieser funktioniert in etwa so wie das EHX Freeze. Das Reverb verlängert deinen Sound ins unendliche, merkt dabei aber wenn du neue Noten spielst und blendet sanft zu diesen über. Schaltet man das Pedal zwischendurch aus und hat den Tails Schalter aktiviert, so bleibt der Hall einfach stehen. Wunderbar also, um über einen stehenden Ton zu solieren, oder einfach nur die Pause zwischen Songs zu überbrücken.

Als nächstes finden wir den Shimmer Modus. Dieser darf ja nun schon seit einiger Zeit bei keinem Reverb mehr fehlen und wird deswegen mal besser und mal schlechter implementiert. Allein wegen der Preisklasse hatte ich mir hier nicht allzu viele Hoffnungen gemacht, da das Pitch-Shifting des Halls, welches für den Effekt verantwortlich zeichnet, doch recht rechenintensiv sein kann. Unerwarteterweise kann das Oceans 11 hier wirklich überzeugen.

Bei anderen Pedalen zerbröckelt das Pitching in den hohen Frequenzen oft unschön digital. Hier ist dies kaum wahrzunehmen. Selbst mit voll aufgedrehtem Tone-Regler klingt der Effekt zwar recht aufdringlich, aber nicht nervig. Und spätestens wenn man das Poti in 12-Uhr-Stellung bringt, fügt sich der Effekt ganz wunderbar in den Hintergrund ein und erzeugt eine tolle Soundfläche. Ich könnte mir vorstellen, dass das Pedal bei einigen Usern nie diesen Modus verlassen wird.

Zuletzt gibt es noch den Poly Modus. Hier handelt es sich um einen polyphonen Hall. Es sind also zwei Algorithmen zugleich am Werk. Insbesondere spannend, wenn einer relativ kurz und der andere sehr mächtig eingestellt ist.

Tatsächlich verfügen die Algorithmen neben den verschiedenen Modi alle über Sekundärfunktionen, welche über die Potis gesteuert werden können. In den allermeisten Fällen stellt man hier die Pre-Delay Zeit und das Feedback ein. Warum ich das erst jetzt erwähne? Weil das meiner Meinung nach schon von Werk aus sehr gut eingestellt war. Spannend wird es jedoch beim Spring Reverb, da hier die Federlänge und der Preamp Drive geregelt werden können.

resümee

Puh, das Pedal hat mich wirklich überrascht. Ich hatte zunächst ein recht simples Gerät mit Sounds der Mittelklasse erwartet. Simpel ist es, allerdings bietet es durch 11 Algorithmen, jeweils verschiedene Modi und dann noch die Poti-Sekundärfunktionen auch eine ganze Menge unerwarteter Möglichkeiten mit. Aber tatsächlich kann man das auch ganz getrost ignorieren, den Regler auf seinen Lieblings-Hall stellen und mit den verbleibenden drei Potis glücklich werden. Dass es dann noch fast immer die Möglichkeit zum Inifinity-Hall gibt, ist natürlich ein großes Plus.

Nicht ganz so toll ist die leichte Dynamik-Einbuße, welche mit der Nutzung des Geräts einhergeht. Aber irgendeinen Grund muss es ja auch noch dafür geben, dass man lieber Eventide, Strymon, Empress oder Konsorten kauft. Für deren Preise gibt es immerhin fast vier Oceans 11. Und wenn man bedenkt, dass selbst die schlechter ausgestatteten Holy Grails aus dem eigenen Hause mehr kosten, so kann man dem Oceans 11 uneingeschränkt eine Preis-Leistungs-Empfehlung aussprechen. Ein Pedal, das vielleicht für gehobene Ansprüche nicht das einzige Reverb auf dem Bord bleiben wird, für Spezialeffekte oder alle ohne High-End-Ambitionen aber ein super Deal ist.

www.ehx.com

Preis: ca. € 140

PLUS
• Vielseitigkeit
• Preis
• Shimmer
• Infinite
MINUS
• leichte Kompression des Sounds

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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