Fliegende Obertöne

Test: Eich GT-3500 Head & G212W Cabinet

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(Bild: Dieter Stork)

Ganz traditioneller Purismus scheint bei aktuellen Gitarrenverstärkern nicht mehr gefragt zu sein und nur sehr selten erblickt heutzutage ein moderner Non-Mastervolume Rock-Verstärker das Licht der Welt. Der Eich GT-3500 ist so ein Ausnahmefall.

Reissues von Verstärkern aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern gibt es selbstverständlich von den großen Namen in unserer Branche wie Sand am Meer. Nur eine komplette Neuentwicklung mit modernem Anstrich hat schon seit den Zweitausendern geradezu Seltenheitswert. Ganz neu ist die Basis, auf der Thomas Eich seinen Verstärker entwickelt hat, streng genommen auch nicht, denn Thomas ist seinerzeit der Produkt-Designer für THC („totally hand-crafted“ – nicht Tetrahydrocanabinol!) Verstärker gewesen und hat damals schon ähnlich konzipierte Amps bis zur Marktreife entwickelt. Nun fertigt Herr Eich ganz selbstbewusst unter eigenem Namen und mit – laut seiner Aussage – etwas verbesserter Rezeptur, seinen modernen Puristen. Et voilà, es ist der GT-3500 geworden.

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VERARBEITUNG, LOOK UND BEDIENELEMENTE

In charmantem weißem Tolex mit schwarzen „Rennstreifen“ präsentiert sich die neue Produktpalette der Eich E-Gitarrenverstärker und somit auch unser Testkanditat.

Ganz super sauber ist der Bezugsstoff am Topteil, wie auch der uns zum Test zur Verfügung stehenden 2×12er Box leider nicht aufgebracht, hier und da hat sich ein kleines Luftbläschen zwischen dem Tolex und dem Holz der Gehäuse gebildet. Das ist kein gravierender Mangel, sollte aber bei dieser Preisklasse so nicht passieren. Ansonsten ist die Verarbeitung der beiden Produkte auf hohem Niveau. Da wackelt nichts, die Poti-Achsen drehen sich sauber ohne ungewolltes mechanisches Spiel, die Klinkenbuchsen sitzen bombenfest, das Spaltmaß ist perfekt eingehalten und alle Schrauben sind handfest angezogen, damit nichts klappert.

Eine derart perfekte Verarbeitung wie wir sie bei den Eich Produkten vorfinden, wäre vermeintlich typisch deutsch, hat aber tatsächlich leider Seltenheitswert. Was neben der peniblen Verarbeitung ebenfalls sehr positiv auffällt, ist das erstaunlich rückenfreundliche Gewicht der Box – immerhin eine 2×12er mit Übergröße – und eben auch des Topteils.

Thomas Eich hat hier augenscheinlich sehr genau auf das für die Gehäuse verwendete Holz geachtet und somit ein paar Kilogramm herausgeschunden. Bei sehr vielen anderen Herstellern wäre eine derartige Maßnahme leider aus Kostengründen unter den Tisch gefallen und vergleichbare Produkte wiegen daher fast immer zwei, drei Kilo mehr.

Zunächst hatte ich auf eine leichte Pinie getippt, am Telefon hat Thomas mir dann aber verraten, dass es sich hierbei um teilweise mehrschichtige Pappel handelt – eine extrem gute und zeitgemäße Wahl, wie ich finde. Der GT-3500 ist im eigentlichen Aufbau ein relativ simpel gehaltener Verstärker. Ein einziger Kanal, kein Master-Volume, kein Einschleifweg. Selbstverständlich wird uns aber ein Eingangslautstärke-Regler, ein typischer, eher britischer, dreibandiger Equalizer und ein Presence-Regler für die negative Gegenkopplung zur Gestaltung der Sounds an die Hand gegeben.

(Bild: Dieter Stork)

Das reicht auch fast schon aus, wie wir gleich sehen werden, dennoch befindet sich das eigentlich interessante und vor allem nicht ganz gewöhnliche Ausstattungsmerkmal des GT-3500 auf der Rückseite des Topteils. Hier sitzen drei Schalter um die richtige Lautstärke des Verstärkers möglichst genau auswählen zu können und dennoch eine passende Endstufenkompression – auch bei mittleren Lautstärken – zu erzielen: einmal ein Half-Power/Full Power-Switch um zwei der vier 6V6-Endstufenröhren abschalten zu können, dazu gesellen sich ein Triode/Pentode-Switch und ein Class A/Class A/B-Schalter.

Im Half-Power, Triode, Class A Modus (alle Schalter sind nach oben geschaltet) erzielt man dann eine Nennleistung von nur noch 9 Watt. Schaltet man alle drei Schalter nach unten und betreibt somit vier Endstufenröhren im Pentoden-Modus mit Class A/B Arbeitspunkt im typischen, modernen Push-Pull Prinzip, leistet der GT-3500, so wie man es schon vom Produktnamen ableiten kann, satte 35 Watt. Diese drei Schalter, die man in beliebigen Schalterstellungskombinationen benutzen kann, ersetzen zwar technisch kein Master-Volume-Poti, helfen aber gewaltig dabei, die richtige Ansprache des Amps bei der gewünschten Lautstärke zu finden.

SOUND

Da ich die in den frühen Zweitausendern von Thomas Eich konzipierten Verstärker noch recht gut in Erinnerung habe, bin ich beim ersten, schnellen Test des GT-3500 nicht völlig überrascht gewesen. Der Amp klingt genauso, wie ich es erhofft hatte. Ein derartig farbenfrohes, lautes und reichhaltiges Obertonspektrum, kenne ich nur von sehr modernen und extrem hochpreisigen High-Gain-Verstärkern – da wird die Luft aber auch echt dünne – ein Larry kann das ähnlich, ein Bad Cat oder Matchless beinahe und ein wirklich guter Marshall 1959 Plexi, der an einem frühen Freitagnachmittag von glücklichen Briten bei Sonnenschein gebaut wurde, kann das auch.

Aber keiner der genannten Amps kann es so gut, wie der Eich GT-3500 ‒ wenn wir bei zivilen Lautstärken bleiben wollen. Selbstverständlich ist der Eich-Verstärker sehr dankbar zu spielen und reagiert extrem nuanciert auf Tonabnehmerwahlschalter, Lautstärke-Poti und Anschlagsdynamik des Gitarristen und ist außerdem sehr nebengeräuscharm.

Auch die Abstimmung der 2×12er Box auf den Verstärker ist nahezu perfekt gelungen. Die Eich Custom Lautsprecher passen klanglich sehr gut und unterstützen den grundsätzlichen Klangcharakter des Amps besser, als die von mir zum Vergleich herbei gezogenen Celestion Vintage 30, G12M Heritage oder Jensen C12N Typen.

Das Volume-Poti ermöglicht es, sehr genau den Punkt zwischen Clean und Crunch einzuregeln. Dieser Sweetspot, den viele Gitarristen so sehr suchen, ist genau das, was der GT bedient. Nicht mehr und nicht weniger, denn die Gain-Reserven sind bei weitem nicht ausreichend, um mit klassischen Tonabnehmern modernen Rock oder gar Metal spielen zu können und auch die Abstimmung der Endstufe ist nicht gerade trocken und tight.

Sollten dennoch genau diese Spielarten zum Repertoire gehören, dann überrascht der Eich GT-3500 mit einer unverhofften Gutmütigkeit. Die Kiste mag Tube Screamer, OCDs, Klon Clones und sogar den Fortin 33 Boost und lässt sich somit als Pedal-Plattform zweckentfremden. Zweckentfremden trifft es allerdings …

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Thomas Eich bietet mit dem Eich GT-3500 Topteil einen durchaus wiedererkennbaren Charakterdarsteller unter den einkanaligen E-Gitarrenverstärkern an, der tatsächlich relative alternativlos am Markt ist. Selten hört man ein solch lebendiges, geradezu sprunghaftes Obertonspektrum bei ebenso noch nutzbarer Lautstärke.

Im Studio dürfte der Verstärker am besten aufgehoben sein, denn dieses offene Klangbild ist nicht nur absolut musikalisch, sondern auch hochgradig pragmatisch als Soundbasis vor dem Mikrofon. Als Pedal-Plattform ist der GT-3500 ebenfalls sehr gut nutzbar, das grenzt allerdings an Blasphemie …

PLUS

● extrem offen klingender Vollröhrenverstärker
● Obertonspektrum
● Dynamik und Transparenz der Sounds
● geringes Gewicht

MINUS

● Tolex mit leichten Mängeln

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

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