Um den Ton herum

Test: Earthquaker Devices Aqueduct

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(Bild: Dieter Stork)

Vibrato ist einer der ältesten Gitarreneffekte überhaupt und fand sich schon in den 40ern und 50ern in Gitarren-Amps von Gibson und Magnatone. Das neueste Earthquaker-Pedal liefert einen Rundumschlag an Vibratoklängen – von Retro bis experimentell.

 

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Konzept

Kaum ein Begriff wurde in der Gitarrenwelt so missverständlich gebraucht wie der Terminus Vibrato. Ein Vibrato ist eine Tonhöhenvariation im Gegensatz zum Tremolo, bei dem die Lautstärke verändert wird. Leo Fender hat leider die Begriffe in den 50ern vertauscht und plötzlich gab es Gitarren mit Tremolo-Arm und Amps mit Vibrato. Das nur am Rande …

Das Aqueduct-Pedal liefert Vibrato im klassischen Sinne, zum Originalsignal wird ein mehr oder weniger stark modulierender Ton hinzugefügt. Zur Bauqualität gibt’s wenig zu sagen, wie von Earthquaker gewohnt, ist alles stabil gefertigt und sieht gut aus.

Die Bedienung ist übersichtlich und intuitiv. Es gibt zwei Regler für Effektgeschwindigkeit (Rate) und Stärke (Depth). Das dritte Poti wählt 8 verschiedene Modi an, bei denen die Wellenform des Vibratos verändert wird, von der Sinuskurve bis zur Dreieck- und Rechteckkurve.

Wer möchte, kann bei Wikipedia einen kurzen Ausflug in die Mathematik unternehmen und nachschauen, wie sich die Formen berechnen. Für den Rest gilt: Alle Formen klingen und verhalten sich unterschiedlich und die 8 Modi verschaffen dem Pedal eine beachtliche Palette an Klangvarianten.

Zum An- und Ausschalten gibt es zwei Möglichkeiten: Ein kurzer Tritt auf den Schalter versetzt das Pedal in Dauerbetrieb (Standard Latching). Hält man den Schalter gedrückt, kann man ihn für einzelne Töne oder Akkorde aktivieren, beim Loslassen hört der Effekt auf (Momentary Operation).

(Bild: Dieter Stork)

Praxis

Einer der bekanntesten Vibratosounds stammt aus Jimi Hendrix’ Uni-Vibe-Pedal und ist bei dem Song ‚Hey Baby (New Rising Sun)’ zu hören. Modus 1 namens Sine liefert genau diesen Klang, vorausgesetzt man belässt den Depth-Regler im moderaten Bereich.

Klingt nach einem stark leiernden Leslie und lässt sich gut im Band-Kontext einsetzen, da der Originalton erkennbar bleibt. Depth in höheren Regionen erzeugt einen sehr vokalen Klang, mit dem man Melodien eine Art Roboterstimme verpassen kann.

Die Triangle-Wave hat schon eine wesentlich stärkere Vibration und erzeugt eine Art Bending-Effekt in niedrigen Rate-Stellungen. Gibt man Regler-mäßig etwas Gas, kommt ein Klang heraus, den ich mal als „Singing Alien“ bezeichnen würde. Sehr psychedelisch, mit schwer erkennbarem Originalton und eher für reine Effektparts einsetzbar.

Ramp erzeugt ein schnelleres Vibrato, der Originalton ist aber besser erkennbar. In den unteren Depth-Einstellungen geht das in Richtung Phaser/Flanger und blubbert schön bei Akkorden. Fügt man noch eine fuzzartige Verzerrung hinzu und erhöht das Depth-Level, gibt es spannende Glide-Effekte, die etwas an einen Synthie-Arpeggiator erinnern.

Earthquaker meint zu diesem Sound: „This is where things get a little weird“ und dem kann ich nur zustimmen. Richtig abgefahren tönt der Square-Modus, der eine Art Dauertriller erzeugt. Das macht besonders beim letzten Ton eines Sololicks Spaß, wenn man den Effekt nur kurz aktiviert und so einen wirklich verrückten Trillerabschluss hinbekommt.

Akkorde bekommen durch diese Einstellung eine Art Tape-Echo-Oszillations-Klang, den man dann eben ganz gezielt und punktgenau einsetzen kann. Cool! Die Tonhöhe wird etwas abstrakt, es geht definitiv um Klang und keine definierte Harmonie mehr.

Noch kaputter klingt die Warped-Einstellung, die für eine Zufalls-Modulation sorgt und wahlweise an Akkorde auf einer verstimmten Gitarre mit Vibrato-Bar oder ein Solo auf einem komplett verstimmten Instrument erinnern.

Klingt mit viel Verzerrung äußerst wild und freaky, sollte aber dosiert verwendet werden. Die Stellungen Env D und Env R sind moderater und chorusartiger und werden durch die Anschlagsstärke gesteuert – mehr Attack heißt mehr Modulation. Leicht angespielt, hört man schöne Flächen oder Arpeggiosounds, härter reingehauen leiert es ordentlich.

Env P ist wieder ziemlich originell, denn nun erzeugt das Pedal eine Art Slide von unten in den Zielton. Besonders bei Akkorden klingt das wie ein vor dem Anschlag heruntergedrückter Vibrato Hebel und funktioniert auch mit Non-Vibrato-Gitarren.

(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Angesichts der Klangfülle des Aqueducts muss ich meine Einstufung von Vibrato als nicht so wichtigen Gitarreneffekt definitiv überdenken. Das Pedal liefert coole Retro-Leslie-Sounds genauso gut wie abgefahrene Synthie-Klänge und kaputte Klangkonstrukte.

Durch den Momentary-Operation-Modus lässt es sich wirklich wie ein Instrument spielen und kann kreativ in Solo-Linien oder Akkordfolgen integriert werden. Ein wirklich spannendes Werkzeug – vorausgesetzt man hat Spaß an neuen (und alten) verrückten Klängen!

PLUS

  • robuste Bauweise
  • große Bandbreite von Retro bis Synthieklang
  • gezielt für Einzeltöne und Akkorde aktivierbar
  • originelle, selten gehörte Sounds möglich

Preis: Earthquaker Devices Aqueduct, ca. € 239

www.earthquakerdevices.com

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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