Danritecaster

Test: Danelectro ‘64S

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(Bild: Dieter Stork)

Das ist doch … geklaut! Nein, nur ausgeliehen. Und zwar in Memoriam des 1992 verstorbenen Semie Moseley, Gründer von Mosrite. Bekannt wurden dessen Gitarren und Bässe mit den markanten Offset-Bodies durch die Ventures und die Ramones. Vor etwa 5 Jahren übernahm Danelectro dieses Design und bietet aktuell diverse Gitarrenmodelle und einen Bass damit an.

Auch die neue Danelectro ‘64S besitzt das Mosrite-Korpus-Design, ansonsten aber hat man ihr mit der spiegelverkehrten 6-in-Line-Kopfplatte und der klassischen Strat-Schaltung eine modernere Mainstream-Ausstattung verpasst.

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SCHRAUBHALS & EDEL-PICKUPS

Nicht nur die auffällige Silhouette verleiht dem Linden-Body das typische Mosrite-Bild, sondern auch das German-Carving, wie man im Fachjargon die umlaufende Hohlkehle des Deckenrands nennt. Hinten ist der Korpus völlig flach, besitzt aber eine dezente Kantenrundung. Abgesehen vom aufliegenden Federkammerdeckel und vom Konterblech der Halsverschraubung spielt sich hier nichts weiter ab. Die Danelectro ‘64S wurde inklusive Hals komplett schwarz lackiert und makellos spiegelglatt poliert. Alternativ sind die Finishes Vintage-White und 3-Tone-Sunburst erhältlich.

(Bild: Dieter Stork)

Der Ahornhals steckt in seiner passgenau gefrästen Aufnahme und wird von vier Holzschrauben gehalten. Für ausreichende Stabilität sorgt sein bis zwischen die Hals- und Mittel-Pickups reichender Fuß. Das polierte feinporige Pau-Ferro-Griffbrett trägt 22 vorbildlich bearbeitete Medium-Jumbo-Bünde, weiße Punktmarkierungen und Sidedots. Während die Kerben des GraphTech-Sattels präzise ausgerichtet wurden, ließe sich deren Abrichtung noch um einige Zehntelmillimeter optimieren. Dies käme nicht nur dem Spielkomfort, sondern vor allem der Saitenstimmung bei Akkorden in den ersten Lagen zugute. Thema: „Meine Gitarre ist nicht bundrein!“ Häufigste Antwort nach Inaugenscheinnahme: „Doch, ist sie wahrscheinlich, aber die Sattelkerben müssen tiefer.“

(Bild: Dieter Stork)

Oberhalb des Sattels ist der 2-Wege-Stahlstab direkt zugänglich. Die Saiten laufen geradewegs auf die präzise und geschmeidig arbeitenden Wilkinson-Locking-Tuner zu. Auf der parallel nach hinten versetzten Kopfplatte erhöhen zwei Vintage-Style Butterfly-Stringtrees den Druck der G3- bis E6-Saiten auf den Sattel.

(Bild: Dieter Stork)

Als Steg kommt das bewährte Wilkinson-WVS-50IIK-Vibrato zum Einsatz. Es hängt schwebend an zwei Schraubbolzen, der Drehmoment des Steckhebels kann per Inbusschraube eingestellt werden.

(Bild: Dieter Stork)

Mit Ausnahme des deckenseitigen Strat-Buchsenblechs trägt das 3-schichtige Schlagbrett (Schildpatt-Imitat/weiß/schwarz) die gesamte Schaltung. Drei hochwertige Lindy-Fralin-Vintage-Hot-Singlecoil-Tonabnehmer wandeln die Saitenschwingungen. Kontrolliert wird per 5-Weg-Blade-Schalter, Master-Volume und zweier Tone-Potis, wovon das hintere gleichzeitig den Steg- und Mittel-Pickup bearbeitet. Da der mittlere Einspuler ein Reverse-Wound/Reverse-Polarity-Typ ist, werden in den Schalterpositionen 2 und 4 Brummgeräusche vermieden.

(Bild: Dieter Stork)

Folgendes sollte nicht unerwähnt bleiben: Zum Lieferumfang der ‘64S zählen fünf Inbusschlüssel, darunter bei unserer Testgitarre zwei identische mit 2,5 mm. Leider fehlt der für die Höhenjustierung der beiden Vibrato-Schraubbolzen. Außerdem: In der Regel wickelt man bei Locking-Tunern die Saiten maximal eine halbe Drehung um die Beinwellen, hier wurden alle Saiten 1,5 Mal aufgewickelt. Da machen selbst Locking-Tuner wenig Sinn. Somit waren vor dem Spielen erstmal ein paar Justierarbeiten erforderlich.

STRATISTISCH

Mit ihren knapp 4 kg zieht die ‘64S paula-mäßig am sicher befestigten Gurt und zeigt dabei vernachlässigbare Kopflastigkeit. Auf dem Bein liegt sie perfekt ausbalanciert. Der hochglanzlackierte Hals besitzt ein angenehm rundes, vorzüglich in der Hand liegendes Profil mit komfortabler Breite. Die trefflich bearbeiteten Bünde gestatten – auch dank ihrer nicht übermäßigen Kronenhöhe – geschmeidige Lagenwechsel. Aufgrund des tiefen Halsansatzes lässt sich sogar der 22. Bund locker und stressfrei bespielen. Eine Reversed-Kopfplatte mit sechs Mechaniken an der Unterseite mag cool aussehen, trotz der kleinen Tuner-Knöpfe empfinde ich die Handhabung jedoch als unübersichtlich und wenig komfortabel.

Okay, alles Geschmackssache. Das Wilkinson-Vibrato gestattet fließende Up- und Down-Bendings und sogar Dive-Bombs bei hoher Stimmstabilität. Selbige ließe sich durch fachgerechtes Tuner-seitiges Aufziehen der Saiten noch optimieren. Ohnehin ist dieses Vibratosystem für mich eines der besten Non-Locking-Systeme auf dem Markt. Während die geschmeidig rotierenden Potis recht eng nebeneinander aber immer noch einigermaßen bedienbar platziert wurden, ist der Pickup-Schalter ständig im Weg. Entweder beim Rhythmusspiel in den Positionen 1 (Hals-PU) und 2, oder beim Bedienen des Volume-Potis in den Positionen 4 und 5. Wer also häufig das Volume-Poti nutzt, dürfte sich damit kaum anfreunden können.

Trocken angespielt präsentiert sich die Danelectro ‘64S ausgesprochen schwingfreudig, was nach jedem Anschlag an Hals und Korpus deutlich zu spüren ist. Dies zeigt auch ihr kraftvolles, ausgewogenes, Sustain-reiches Klangbild, das allerdings im Obertonbereich das letzte Quäntchen vermissen lässt. Mit der Bezeichnung „Vintage Hot“ bringt Lindy Fralin den Klangcharakter dieser Einspuler auf den Punkt. Zunächst liefern sie deutlich mehr Output als originale Vintage-Strat-Pickups, wobei die charakteristischen Strat-Sounds – hier tendenziell eher mid-60s – inklusive all ihrer Färbungen und Facetten uneingeschränkt übertragen werden.

Alle drei Fralins klingen ausgewogen, offen, klar, spritzig und sehr definiert, ohne ins Glasige bzw. Schrille abzudriften. Unabhängig von Clean- oder Zerrbetrieb tönen die Vintage-Hots voluminös und vollmundig, kommen bei High-Gain-Sounds druckvoll, fett, mit klaren, straffen Bässen und viel Sustain über die Lautsprecher und verlieren dabei weder von ihrer Balance und präzisen Saitentrennung noch von ihrer vorzüglichen Dynamik und Durchsetzungskraft. Auch die Schalterzwischenpositionen 2 und 4 überzeugen mit wunderbar näselnden Klängen, die auch bei Leadsounds nichts von ihrem Charakter einbüßen und gleichzeitig völlig brummfrei bleiben. Das Volume-Poti agiert gleichmäßig, ist aber selbst bei gemäßigteren Distortion-Sounds nicht in der Lage, auf praktikablen Klarklangpegel herunterzuregeln.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Danelectro bringt mit der ’64S eine gleichermaßen coole wie kultige Gitarre an den Start, die, vom werksseitigen Setup abgesehen, tadellos verarbeitet ist und sich komfortabel bespielen lässt.

Der einzige Mangel ist meines Erachtens die Positionierung des Pickup-Schalters bzw. der Potis, die den Bedienkomfort teilweise erheblich einschränkt und auf das extrem begrenzte Platzangebot des Pickguards zurückzuführen sein dürfte. Die Danelectro liefert dank bester Resonanzeigenschaften, Fralin-Einspulern und hochwertiger Hardware erstklassige Strat-Sounds, die ich tendeziell eher der Mid-60s-Ära zuordnen würde, die aber auch einen gewissen Modern-Touch zeigen.

PLUS

  • (Strat-)Sounds
  • Schwingeigenschaften & Sustain
  • Ansprache & Dynamik
  • Qualität Hardware
  • Lindy-Fralin-Pickups
  • Verarbeitung
  • Spielkomfort (mit Ausnahmen s.u.)

MINUS

  • Abrichtung der Sattelkerben
  • Platzierung Pickup-Schalter und Potis

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

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