(Bild: Dieter Stork)
Jim Root – bekannt als Gitarrist von Slipknot und Stone Sour – steht seit über 25 Jahren für absolut gnadenlose Heavy-Sounds. Seine neue Signature-Gitarre aus Charvels Pro-Mod-Serie folgt dem passenden Konzept: Ein minimalistisches, aber hochfunktionales Instrument mit erstklassigen Komponenten und einer auf das Wesentliche reduzierten Ästhetik.
Mit der Pro-Mod San Dimas erweitert Jim Root sein Arsenal an Signature-Gitarren erstmals über die Marke Fender hinaus. Da Charvel aber wie Jackson zum amerikanischen Instrumentengiganten gehört, dürfte der Dienstweg sehr kurz gewesen sein. Verfolgt man Jim Roots Aktivitäten in den sozialen Medien oder sieht sich eines der aktuellen Videos über sein Tour-Rig an, wird deutlich, welch große Rolle sein Techniker Brad Clifford bei der Auswahl der Tour-Gitarren spielt. Durch ihn wird Roots Arsenal regelmäßig um alte Jackson- und Charvel-Gitarren aus den 80er-Jahren erweitert, sodass die neue San-Dimas-Signature eigentlich eine logische Weiterentwicklung ist.
JIM & FLOYD
Grundsätzlich basiert die neue Jim-Root-Signature-Gitarre auf der HH-San-Dimas-Style-1-FR – also kein Schlagbrett, zwei Humbucker und ein Floyd-Rose-System. Hier zeigt sich bereits der erste fundamentale Unterschied zu den drei bisherigen Fender-Signature-Modellen, die alle mit einer Fixed Bridge ausgestattet waren. Im Gegensatz zur oben erwähnten San-Dimas-Gitarre wird bei der Jim-Root-Gitarre ein Mahagoni-Korpus verwendet. Die deckende, etwas raue, mattweiße Lackierung ist sauber und gleichmäßig aufgetragen und macht einen tadellosen Eindruck. Die Korpuskontur ist an der Zarge angenehm abgerundet, wodurch sich die Jim-Root-San-Dimas von den bisherigen Signature-Modellen unterscheidet, die einen „kantigen” Übergang von Decke zur Zarge haben – also eher Vintage-Strat-Feeling als moderne Metal-Axt. Mit den üblichen vier Schrauben ist ein heller Ahornhals (nicht „karamellisiert” wie bei den regulären Pro Mods) befestigt, der für zusätzliche Festigkeit mit Carbonstäben verstärkt wurde. Die 22 Jumbo-Bünde sind tadellos verarbeitet und fühlen sich dank der leicht abgerundeten Kanten des sechs Millimeter dicken Ebenholz-Griffbretts sehr angenehm an. Für die nötige Orientierung auf dem Fretboard-Flanke sorgen fluoreszierende Side-Dots. Etwas erstaunt war ich über den traditionellen Hals-Korpus-Übergang: Während viele San-Dimas-Gitarren mittlerweile einen ergonomisch gestalteten Übergang mit versenkten Schraubenköpfen haben, scheint der Slipknot-Gitarrist es eher traditionell zu mögen. Nur eine kleine abgerundete Ecke unterscheidet den Übergang von einer klassischen Fender-Konstruktion. Am Halsfuß, an der Unterkante des Griffbretts, befindet sich ein kleines Trussrod-Wheel, mit dem die Halsspannung ohne nennenswerten Werkzeugeinsatz eingestellt werden kann. Auf der Kopfplatte, hinter dem Floyd-Rose-Locking-Sattel, befinden sich sechs einfache Charvel-Locking-Tuner, die auf der linken Seite der traditionellen Stratocaster-Kopfplatte montiert sind. Auf der Korpusseite hängen die Saiten in einem schwarzen Floyd-Rose-System der 1500er-Serie, das unterfräst in der Zarge sitzt und so nach unten und oben bewegt werden kann.
(Bild: Dieter Stork)
Eine Besonderheit sind die verbauten Tonabnehmer: Hier kommen Jim Roots Signature-Tonabnehmer von EMG zum Einsatz. Dabei handelt es sich nicht um eine Variante des üblichen 81/60-Duos, sondern um die Daemonium-Humbucker, die dank ihrer Open-Coil-Bauweise wie traditionelle passive Tonabnehmer aussehen. Sie basieren auf der Retro-Active-Serie, die den klassischen Look passiver Humbucker mit den Vorzügen des EMG-Vorverstärker kombinieren soll. Während am Hals eine AlNiCo-Konstruktion zum Einsatz kommt, ist der Steg-Tonabnehmer mit einem Keramikmagneten bestückt. Regelbar ist das Ganze nur über einen Volume-Regler und einen Dreiwegschalter.
(Bild: Dieter Stork)
Über das Innenleben der San Dimas gibt es wenig Aufregendes zu berichten – Schalter und Poti sind sorgfältig montiert, ansonsten gibt es hier nichts zu sehen. Insgesamt macht die Charvel-Jim-Root Pro-Mod einen hervorragenden Eindruck, was Konstruktion und Verarbeitung betrifft.
Handling und Soundcheck auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
WEISSER RASER!
Beim ersten in die Hand nehmen fällt mir auf, dass Jim Root es scheinbar nicht zu leicht mag. Keine Sorge: Die San Dimas ist absolut kein Schwergewicht, aber mit ihren 3,8 kg eben auch nicht so leicht, wie wir es von vergleichbaren Serieninstrumenten und Charvel-Gitarren mittlerweile gewohnt sind. Schon auf den ersten Blick wird deutlich: Die seidenmatte, leicht aufgeraute Lackierung in edlem Weiß verleiht der Gitarre eine besondere Haptik und Optik. Allerdings neigt die Oberfläche dazu, relativ schnell Spielspuren sichtbar werden zu lassen – besonders, wenn man häufig in langärmeliger Kleidung, etwa einem blauen Jeanshemd, spielt. In der Hand fühlt sich die Gitarre sofort vertraut an: Perfekt ausbalanciert hängt sie in klassischer Strat-Manier angenehm am Gurt. Das Gewicht ist spürbar, aber keineswegs übertrieben. Der Hals fühlt sich wie eine echte Rennstrecke an: extrem flach mit sanft abgerundeten Griffbrettkanten, was eine hervorragende Bespielbarkeit in allen Lagen ermöglicht. Spieler:innen mit sehr großen Händen könnten hier möglicherweise Probleme kriegen – allerdings ist Jim Root selbst nicht gerade klein und scheint bestens mit dem Halsprofil zurechtzukommen.
Die Carbonverstärkung erscheint mir angesichts des flachen Halses und der potenziell dicken Besaitung durchaus sinnvoll. Ich nehme positiv zur Kenntnis, dass bei meinem Versuch eines Neck Bendings eine beachtliche Biegesteifheit vorhanden ist. Die perfekt polierten Jumbo-Bünde sorgen für ein müheloses Griffgefühl und lassen die Saiten wie auf Glas über das Ebenholzgriffbrett gleiten. Bereits unverstärkt offenbart das Instrument eine tolle akustische Resonanz: Die tiefen Frequenzen wirken straff und definiert, während die Mitten sehr präsent sind, ohne dass die Gitarre unausgewogen klingt. Ein knackiges Attack setzt sich deutlich hörbar obendrauf, und die gesamte Gitarre wirkt ausgesprochen lebendig. Das gleichmäßige Ausklingen über alle Saiten lässt die Charvel Pro Mod kerngesund wirken – über das gesamte Griffbrett hinweg kann ich keinerlei Deadspots feststellen.
Am Verstärker bestätigt sich der erste Eindruck: Clean liefert der Daemonium-Halstonabnehmer einen ausgesprochen klaren und definierten Sound, frei von störendem Mulm oder übermäßiger Kompression. Die Ansprache ist auch hier schnell und knackig und überzeugt sowohl am cleanen als auch am leicht angezerrten Amp. Besonders gefällt mir, dass diese Lebendigkeit auch beim Zurückdrehen des Volume-Potis vollständig erhalten bleibt. Der Steg-Humbucker bringt die Vorstufe meines Verstärkers natürlich deutlich mehr ins Schwitzen und rückt breitschultrige Mitten in den Fokus, ohne dass die Bässe zu stark ausgedünnt werden. Im Vollgas-Betrieb entfaltet die Jim-Root-Pro-Mod ihr volles Potenzial: Der Steg-Pickup überzeugt mit EMG-typischer, bissiger Durchsetzungskraft und einem straffen, messerscharfen Attack. Klanglich erinnert das Ganze durchaus an einen klassischen EMG 81, bietet aber eine spürbar größere dynamische Bandbreite und eine reduzierte Betonung der oberen Mitten. Dadurch wirkt der Sound etwas „organischer” und weniger komprimiert – ideal also für druckvolle, aber nuancierte High-Gain-Sounds. Auf der Hals-Position punktet der EMG-Daemonium-Humbucker mit beachtlicher Dynamik. Vor allem bei etwas reduzierter Verzerrung am Verstärker fühlt sich das Ansprechverhalten fast ein wenig wie bei einem leistungsstarken Singlecoil an. Slipknot verwenden live eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmungen, weshalb es nicht verwundert, dass auch tiefere Tunings völlig souverän gemeistert werden und der Sound straff und artikuliert bleibt.
RESÜMEE
Im Grunde genommen verbindet Jim Root mit seiner Charvel-Pro-Mod-San-Dimas zwei Dinge: Zum einen seine ausgeprägte Liebe zu schlichten, klassischen Fender-Designs, die auf das Wesentliche reduziert und zugleich stark modernisiert seinen Ansprüchen für die Slipknot-Liveshows gerecht werden. Und wenn man bedenkt, dass der Mann 1971 geboren wurde, kann man davon ausgehen, dass seine musikalische Prägung vor allem in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren stattfand. Und was war in dieser Zeit absolut omnipräsent? Richtig – die bis zur Unkenntlichkeit modifizierte Superstrat. Genau diese Stratocaster-Variante bildet die zweite Komponente und gleichzeitig die Basis für das heutige Charvel-Signature-Modell. Hier bekommt man ein Arbeitsgerät, das kaum reduzierter sein könnte – mit toller Verarbeitung, hervorragendem Sound und zu einem Preis, der angesichts des Gebotenen mehr als fair ist.
PLUS
- Klangqualität
- Verarbeitung
- EMG Tonabnehmer mit Retro-Look
- Konzept
- Carbonversteifung des Halses

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)