Für Raser und Hacker

Test: Charvel Jim Root Signature Pro-Mod San Dimas Style 1

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(Bild: Dieter Stork)

WEISSER RASER!

Beim ersten in die Hand nehmen fällt mir auf, dass Jim Root es scheinbar nicht zu leicht mag. Keine Sorge: Die San Dimas ist absolut kein Schwergewicht, aber mit ihren 3,8 kg eben auch nicht so leicht, wie wir es von vergleichbaren Serieninstrumenten und Charvel-Gitarren mittlerweile gewohnt sind. Schon auf den ersten Blick wird deutlich: Die seidenmatte, leicht aufgeraute Lackierung in edlem Weiß verleiht der Gitarre eine besondere Haptik und Optik. Allerdings neigt die Oberfläche dazu, relativ schnell Spielspuren sichtbar werden zu lassen – besonders, wenn man häufig in langärmeliger Kleidung, etwa einem blauen Jeanshemd, spielt. In der Hand fühlt sich die Gitarre sofort vertraut an: Perfekt ausbalanciert hängt sie in klassischer Strat-Manier angenehm am Gurt. Das Gewicht ist spürbar, aber keineswegs übertrieben. Der Hals fühlt sich wie eine echte Rennstrecke an: extrem flach mit sanft abgerundeten Griffbrettkanten, was eine hervorragende Bespielbarkeit in allen Lagen ermöglicht. Spieler:innen mit sehr großen Händen könnten hier möglicherweise Probleme kriegen – allerdings ist Jim Root selbst nicht gerade klein und scheint bestens mit dem Halsprofil zurechtzukommen.

Die Carbonverstärkung erscheint mir angesichts des flachen Halses und der potenziell dicken Besaitung durchaus sinnvoll. Ich nehme positiv zur Kenntnis, dass bei meinem Versuch eines Neck Bendings eine beachtliche Biegesteifheit vorhanden ist. Die perfekt polierten Jumbo-Bünde sorgen für ein müheloses Griffgefühl und lassen die Saiten wie auf Glas über das Ebenholzgriffbrett gleiten. Bereits unverstärkt offenbart das Instrument eine tolle akustische Resonanz: Die tiefen Frequenzen wirken straff und definiert, während die Mitten sehr präsent sind, ohne dass die Gitarre unausgewogen klingt. Ein knackiges Attack setzt sich deutlich hörbar obendrauf, und die gesamte Gitarre wirkt ausgesprochen lebendig. Das gleichmäßige Ausklingen über alle Saiten lässt die Charvel Pro Mod kerngesund wirken – über das gesamte Griffbrett hinweg kann ich keinerlei Deadspots feststellen.

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Am Verstärker bestätigt sich der erste Eindruck: Clean liefert der Daemonium-Halstonabnehmer einen ausgesprochen klaren und definierten Sound, frei von störendem Mulm oder übermäßiger Kompression. Die Ansprache ist auch hier schnell und knackig und überzeugt sowohl am cleanen als auch am leicht angezerrten Amp. Besonders gefällt mir, dass diese Lebendigkeit auch beim Zurückdrehen des Volume-Potis vollständig erhalten bleibt. Der Steg-Humbucker bringt die Vorstufe meines Verstärkers natürlich deutlich mehr ins Schwitzen und rückt breitschultrige Mitten in den Fokus, ohne dass die Bässe zu stark ausgedünnt werden. Im Vollgas-Betrieb entfaltet die Jim-Root-Pro-Mod ihr volles Potenzial: Der Steg-Pickup überzeugt mit EMG-typischer, bissiger Durchsetzungskraft und einem straffen, messerscharfen Attack. Klanglich erinnert das Ganze durchaus an einen klassischen EMG 81, bietet aber eine spürbar größere dynamische Bandbreite und eine reduzierte Betonung der oberen Mitten. Dadurch wirkt der Sound etwas „organischer” und weniger komprimiert – ideal also für druckvolle, aber nuancierte High-Gain-Sounds. Auf der Hals-Position punktet der EMG-Daemonium-Humbucker mit beachtlicher Dynamik. Vor allem bei etwas reduzierter Verzerrung am Verstärker fühlt sich das Ansprechverhalten fast ein wenig wie bei einem leistungsstarken Singlecoil an. Slipknot verwenden live eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmungen, weshalb es nicht verwundert, dass auch tiefere Tunings völlig souverän gemeistert werden und der Sound straff und artikuliert bleibt.

RESÜMEE

Im Grunde genommen verbindet Jim Root mit seiner Charvel-Pro-Mod-San-Dimas zwei Dinge: Zum einen seine ausgeprägte Liebe zu schlichten, klassischen Fender-Designs, die auf das Wesentliche reduziert und zugleich stark modernisiert seinen Ansprüchen für die Slipknot-Liveshows gerecht werden. Und wenn man bedenkt, dass der Mann 1971 geboren wurde, kann man davon ausgehen, dass seine musikalische Prägung vor allem in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren stattfand. Und was war in dieser Zeit absolut omnipräsent? Richtig – die bis zur Unkenntlichkeit modifizierte Superstrat. Genau diese Stratocaster-Variante bildet die zweite Komponente und gleichzeitig die Basis für das heutige Charvel-Signature-Modell. Hier bekommt man ein Arbeitsgerät, das kaum reduzierter sein könnte – mit toller Verarbeitung, hervorragendem Sound und zu einem Preis, der angesichts des Gebotenen mehr als fair ist.

PLUS

  • Klangqualität
  • Verarbeitung
  • EMG Tonabnehmer mit Retro-Look
  • Konzept
  • Carbonversteifung des Halses


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich war von meinem Exemplar ehrlich gesagt enttäuscht. Das Ebonyfretboard wirkte eher von schlechter Qualität und sehr ausgetrocknet. Das Schlimmste war aber die Saitenlage bzw. Halseinstellung. Auch bei der Reklamation vor Ort konnte ein Gitarrentech keine einigermaßen flache Saitenlage einstellen, ohne dass es irgendwo schepperte. Entweder Hals krumm oder schlechte Bundierung oder Beides. Habe ich noch nie so erlebt. Da es keine Zweite gab, habe ich sie gegen eine nicht unwesentlich teuere Ibanez TOD 10 mit Zuzahlung eingetauscht, die fast perfekt ist.

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    1. Hallo Manfred Kohl,da hattest du anscheinend richtig übles Pech mit deiner Charvel,was mir in deinem Fall ehrlich sehr leid tut.

      Daß die Ebenholzgriffbretter bei manchen Charvel E.-Gitarren recht matt und stumpf wirken,ist laut Beschreibung („light aged“) ) ab Werk häufig so gewollt. So auch damalig bei meiner Charvel San Dimas Pro.-Mod. Nature. Ich behandelte sie sogleich mit einem guten,handelsüblichen Fretboard Oil auf Citrusbasis,und anschließend (nach dem trocknen) mit Griffbrettbalsam. Danach sah das behandelte Griffbrett dann wieder wie neu aus. Bezüglich deiner beschriebenen Halskrümmung/Saitenlageneinstellung der Charvel,absolut nicht möglich war,eine „vernünftig“ spielbare Einstellung hinzubekommen,ist natürlich sehr ärgerlich! Daß es wohl leider auch bei Charvel Guitars „echte Gurken“ gibt,möchte ich wirklich nicht bezweifeln,vermutlich liegt das eben immer noch einer teils schlampig nachlässigen Endkontrolle im jeweiligen Herkunftsland,die eine seriell gefertigte Gitarre aus der Fabrik so ohne korrekte Nachbearbeitung überhaupt nicht verlassen dürfte!

      Resümee: wenn es dich diesbezüglich vielleicht etwas tröstet,kann ich dir sagen,daß ich sogar bei einem regionalen Custom Handmade Gitarrenbauer im Landkreis Oberhavel/bei Berlin bei all seinen fertiggestellten,und im eigenen Shop vor Ort zum Verkauf ausgestellten E.-Gitarren leider feststellen mußte,daß die sehr scharfkantigen Bünde anscheinend nicht korrekt behandelt wurden! Daß so etwas gravierend Unfachmännisches sogar bei einem mittlerweile langjährigen Gitarrenbauer aus der einheimischen Region passiert,und von seinen Kunden höchstwahrscheinlich so akzeptiert wird,scheint mir unerklärlich zu sein!

      Wenn ich in diesem Zusammenhang mal darauf hinweise,daß es heutzutage die besten brauchbaren,und qualitativ hochwertigsten Werkzeuge,-sowie speziell hochmoderne präzise Maschinen zur professionellen Gitarren Herstellung gibt,verwundert es mich doch sehr,daß derzeit Gitarren zum Verkauf kommen,die entweder noch mit vielen Mängeln behaftet sind,-bzw. spieltechnisch ein echtes Desaster darstellen! Und dies leider sogar in der Handwerkskunst deutscher Gitarrenbauer,bei denen man solche besagten Nachlässigkeiten nun wirklich nie vermuten würde. Wobei hier die „Nachbesserung“ direkt vor Ort,ja offensichtlich noch möglich wäre.

      Merke: der Kauf einer Gitarre ist immer auch eine emotionale Vertrauenssache,egal ob nun von der Stange,oder aus dem einheimischen Guitar Custom Shop.

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  2. Die Charvel Pro.Mod. San Dimas E.-Gitarren sind allesamt qualitativ und klangtechnisch richtig gute Instrumente. Über die Floyd Rose Tremolos darf man getrost allerdings seine ganz eigene Meinung haben. Ich besitze selbst noch eine Charvel Hardtail Pro.Mod.San Dimas im Nature Look (allerdings mit HH-Seymour Duncan Bestückung und Gold Hardware),die auch in Mexico gebaut wurde,und ich würde sie ehrlich gesagt,nie wieder hergeben wollen,weil sie wirklich super handlich ist,relativ leichtgewichtig am Gurt hängt,und obendrein auch sehr sauber gefertigt wurde.

    Der damalig offizielle Verkaufspreis lag bei absolut fairen 1.ooo,-€uro.
    Gekauft im Neuzustand noch bei „Just Music“ (einst Europa‘s größter Flagship Guitar Store auf 5 Etagen im Denkmal geschützten „Elsner Haus“) in Berlin-Kreuzberg am Moritzplatz. „Just Music“ in Berlin mußte vor einiger Zeit für immer schließen,existiert heute leider nicht mehr,und hatte stets eine riesige Auswahl an Gitarren,die hier in der Hauptstadt absolut einzigartig war.

    Bezüglich der besagten Charvel E.-Strats aus mexikanischer Fertigung,kann ich letztendlich bis heute nur Gutes berichten,weil es echte Arbeitspferde „ohne Schnick Schnack“ unter den anderen,fast unzählig angebotenen Modern-Strat.-Nachbauten unterschiedlichster Hersteller sind,die ihrem Image zweifellos mehr als gerecht werden!

    Sehr gerne empfehlenswert!

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