Vielfalt auf kleinem Fuß

Test: Boss 200 Serie OD-200, DD-200, MD-200 & EQ-200

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(Bild: Dieter Stork)

Mit den vier Exemplaren der 200er-Linie bietet Boss kompakte und dennoch üppig ausgestattete Module an, die in vielerlei Hinsicht punkten können. Wir haben uns das Quartett näher angeschaut und neben all seinen Vorteilen auch ein paar Dinge gefunden, die man im Auge haben sollte.

Eine erste Anmerkung gleich zu Beginn: Wir werden in diesem Text nicht jedes Detail der einzelnen Geräte und sämtliche Sounds, Funktionen und Unteroptionen betrachten – das ist aufgrund ihres komplexen Aufbaus gar nicht möglich, denn die Bedienungsanleitungen der vier Einheiten summieren sich auf knapp 60 Seiten. Wir beschränken uns hier daher auf die wesentlichen Funktionen und wollen die 200er dabei in Relation zu anderen Konzepten setzen.

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Zusätzlich haben wir ihre Sounds mit einigen Boss-„Originalen“ verglichen. Diese überragen die Geräte in Sachen Abmessungen übrigens gar nicht mal so sehr: Alle 200er-Modelle nehmen mit ihren 101 mm Breite im Vergleich zu ihren Standard-Pendants weniger als den anderthalbfachen Platz auf dem Board ein. Und noch eins: Der EQ-200 geht konzeptionell und in Sachen Aufbau in eine etwas andere Richtung, wir lassen ihn daher zunächst aus und kommen später auf ihn zu sprechen.

KONZEPT & BEDIENUNG

Das verbliebene Trio, der OD-200 Hybrid Drive, das DD-200 Digital Delay und der Multi-Modulator MD-200 indes haben einige Gemeinsamkeiten. Als erstes bieten sie je zwölf Effekte respektive Sound-Optionen, die über einen Mode-Regler unterhalb des Displays angewählt werden. Die größeren Regler rechts oben verwalten die Hauptparameter, die kleineren darunter bieten zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten. Beim OD-200 ist dies ein Dreiband-EQ, der uns noch viel Freude bereiten wird.

Unterhalb davon sitzen zwei kleine Taster, von denen der rechte die Speicherplätze anwählt, der linke entweder für die „Tap Division“, also den Notenwert der Effektzeit zuständig ist (DD-200, MD-200) oder aber die Boost- und Gate-Sektion verwaltet (OD-200). Komplettiert wird das Bedienfeld durch zwei Fußschalter: Der linke aktiviert den Effekt, der rechte besitzt eine Doppelfunktion. Unbeleuchtet verwaltet er die Speicherplätze, bei aktivierter LED dient er als Tap-Taster (DD, MD) oder schaltet die Boost-Sektion zu (OD).

Auch die Anschlüsse gleichen sich: An der Stirnseite sitzen die Ein- und Ausgänge (Mono beim OD, Stereo bei den beiden anderen) sowie eine Buchse für einen externen Umschalter oder ein Expression Pedal. Die Geräte können wahlweise per optionalem Netzteil oder über drei beiliegende 1,5-Volt-AA-Batterien mit Strom versorgt werden. Links am Gerät befinden sich außerdem zwei MIDI-Buchsen sowie ein Micro-USB-Anschluss, über den man Programm-Updates laden kann.

Und damit kommen wir gleich zu einem ersten Fragezeichen: Wieso lassen sich unsere 200er nur durch die Speicher 1 bis 4 sowie den Manual-Modus schalten, wenn doch in der Bedienungsanleitung und auf der Boss-Homepage von 127 Speicherplätzen die Rede ist, die die Teile seit einem solchen Programm-Update zur Verfügung stellen? Hier hilft ein Blick ins Kleingedruckte: Man kann die Auswahl einstellen und sich via Taster/Schalter dann durch eine beliebige Menge von Presets im Rahmen dieser Gesamtmenge spielen. Diese Optionen und eine Vielzahl weiterer lassen sich über ein Untermenü verwalten.

Eine Anmerkung in eigener Sache: Auf dem OD und dem EQ war offensichtlich jeweils noch die alte Software installiert, denn hier ließen sich auch nach tiefgründigem Aktenstudium lediglich vier Speichersounds abrufen. Grundsätzlich kann man den 200ern aber eine relativ intuitive Bedienung – zumindest in Anbetracht ihrer Möglichkeiten – attestieren. Schauen wir uns die Probanden etwas näher an:

OD-200 HYBRID DRIVE

(Bild: Dieter Stork)

Gelb steht bei Boss für Verzerrung, auch wenn sich die Farbgebung seit den frühen Tagen und Legenden wie dem OD-1 und dem SD-1 merklich diversifiziert hat. Der OD-200 versammelt vor allem hauseigene Kreationen, angefangen mit eben jenem OD-1, dem BD-2 Blues Driver, DS-1 Distortion, ST-2 Power Stack oder den Modellen MT-2 Metal Zone und ML-2 Metal Core für die härtere Fraktion. Dazu kommen Fremdklassiker wie der TS808 von Ibanez, der Klon Centaur oder der Big Muff aus dem Hause EHX. Bei dieser Auswahl sollte eigentlich jeder Gitarrist fündig werden.

Ein weiterer Pluspunkt des gelben Multizerrers ist die Option, dem ausgewählten Drive einen Boost an die Seite zu stellen – entweder klassisch vorweg oder alternativ auch parallel. Die Auswahl entspricht dabei im Wesentlichen der der Verzerrer, zusätzlich stehen mit einem Mid-, einem Clean- und einem Treble-Booster drei weitere virtuelle Zuschaltgeräte zur Verfügung. Wir haben es also de facto mit zwei Effekteinheiten zu tun, die auch gemeinsam genutzt werden können. Die beiden Kollegen DD und MD beschränken sich da auf je einen Sound.

Die Boost-Sektion muss man sich erst ein wenig erarbeiten. Über den Parameter-Schalter lassen sich drei Optionen anwählen: Welchen Booster will ich (Type), welche Menge Gain schiebt er in den Drive (Pre) und wie stark verändert sich dann die Lautstärke (Post)? Auf dem Gerät steht, warum auch immer, Post allerdings vor Pre. So oder so: Man kann sich damit einen etwaigen Lead-Boost recht akkurat formen.

Und noch eins gilt es zu beachten: Wählt man Type an, wird im Display etwa „SCr“ für den TS808 angezeigt. Dies könnte man anfangs für ausgewählten Drive halten und sich dann wundern, warum der Mode-Regler etwa auf „X-Metal“ steht. Also: Das Display zeigt bei entsprechender Stellung von Param den gewählten Boost und nicht den Drive. Neben dem Boost verwaltet diese Einheit einen weiteren, sehr sinnvollen Helfer: ein Noise Gate, dessen Schließzeit (Decay) und Zugriffspegel (Thresh) justiert werden können.

Der OD bietet also jede Menge Optionen – wie aber klingt er? Exemplarisch habe ich dazu zwei Boss-Zerrer mit ihren 200er-Versionen verglichen: ein ST-2 Power Stack und einen Blues Driver, dessen Sound ich dem Kombi-Pedal JB-2 Angry Driver entnommen habe. Dabei fielen drei Dinge auf: Die Sounds waren mehr oder minder deckungsgleich, im Blindtest in den heimischen vier Wänden waren keine gravierenden Unterschiede feststellbar.

Aber ganz so einfach lassen wir die Sache dann doch nicht stehen, denn ein bereits erwähntes Feature macht hier jede Menge Mehrwert auf Seiten des OD aus: der Dreiband-EQ. Das Original-Power Stack bietet „nur“ Regler für Bässe und Höhen, der Blues Driver kommt, wie viele andere Verzerrer, lediglich mit einem einzelnen Tone-Poti. Im direkten Vergleich wird klar, wie viel mehr möglich ist, wenn sich die Frequenzen gezielter bearbeiten lassen. Hier hat der 200er klar die Nase vorn.

Wenn wir dann noch rechnen, dass ein ST-2 und ein BD-2 im Laden zusammen rund 180 Euro kosten und der OD-200 für 240 Euro über den Tresen geht, stellen sich in Sachen Kosten/Nutzen keine weiteren Fragen. Eine kleine Einschränkung gibt es dennoch: Bei vergleichbaren Sounds rauscht der OD vernehmbar mehr als die Originale. Hier schlägt dann die Stunde des Noise Gates.

DD-200 DIGITAL DELAY

(Bild: Dieter Stork)

Vergleichbares gilt auch für das Digital Delay: viele gute Sounds, viele Möglichkeiten, dazu Tap-Optionen und eine Delay-Zeit, die die gemoddelten Originale so nicht bieten konnten. Unter den zwölf Grund-Sounds finden sich neben Standards wie dem namensgebenden Digitalecho sowie einer Analog-Simulation auch eine Version von Rolands RE-201 Space Echo sowie mit „Drum“ ein Modell von Binsons Echorec2, das unter anderem in der Karriere von Pink Floyd eine prägende Rolle spielte. Dazu gibt es mit „Shimmer“, dem hauseigenen „Tera Echo“ oder „Pad Echo“ Ambient-artige Sounds und mit „Lo Fi“ einen Echoeffekt mit leichter Verzerrung.

Die meisten der Regler-Bezeichnungen sind von Delays bekannt, etwa „Time“ für die Verzögerungszeit oder „Feedback“ für die Anzahl der Wiederholungen, aber das DD hält auch speziellere Funktionen bereit, etwa eine in der Intensität regelbare Modulation des Effektsignals. Dazu kommt mit „Param“ eine Sonderfunktion, die je nach gewähltem Effekt unterschiedliche Parameter bearbeitet. Bei Lo-Fi ist dies etwa der Zerranteil.

Und noch einen Service bietet das Pedal: Der Regler rechts neben dem Display ist bei unseren drei Haupt-Probanden generell als Endlos-Poti ausgeführt und mit mehreren Funktionen versehen. Beim DD-200 kann er die Delay-Zeit etwa zwischen dem Tempo (in bpm) oder der Zeiteinheit (je nach Länge in Sekunden oder Millisekunden) umschalten, was dann auf dem Display gezeigt wird. Man ist also immer gut informiert. Und auch klanglich gibt es nichts zu meckern. Im Laufe der Jahre hat Boss in Sachen Delays immer wieder Maßstäbe gesetzt, auf dieses Erbe greift auch das DD-200 überzeugend zu.

MD-200 MODULATION

(Bild: Dieter Stork)

Der Wellenmacher der Serie liegt vom Aufbau her nahe an seinem Delay-Pendant und stellt die gängige Palette an Modulations-Sounds vom Chorus über Flanger, Phaser und Tremolo bis zum Auto Wah zur Verfügung, zudem liefert er mit „Slicer“ und „Overtone“ zwei Sondereffekte, die Boss als eigene Geräte im Programm führt bzw. führte. Der multifunktionale Endlosregler ist hier mit „Rate“ betitelt und bestimmt die Geschwindigkeit des Effektsounds. Dazu kommen „Depth“ für die Intensität und „E. Level“ für die Effektlautstärke.

Die Schalter und Taster entsprechen denen des DD, für weitergehende Sound-Anpassungen stehen drei nummerierte „Param“-Potis zur Verfügung, die für jeden Effekttyp individuell zugreifen. Nehmen wir als Beispiel die Version des legendären Boss-Chorus CE-1: Param 1 wählt hier zwischen dessen Chorus- und dem Vibrato-Sound, Poti 2 bestimmt den Klangcharakter der tiefen Frequenzen, und Regler 3 kümmert sich um die oberen.

Im Test trat dieser Sound gegen die Variante an, die der CE-2w Waza Craft Chorus bereit stellt. Ohne großes Drehen an den Parameter-Potis kam das MD dem Sound recht nahe, erreichte subjektiv empfunden aber nicht ganz dessen Tiefgang. Wenn man nun aber überlegt, dass Boss für den CE-2w € 199 aufruft und der MD-200 mit € 245 zu Buche schlägt, relativiert sich der Vergleich doch deutlich. Dieses Fazit kann man generell für die 200er-Serie ziehen: Man bekommt verdammt viel Effekt für sein Geld.

EQ-200 GRAPHIC EQUALIZER

(Bild: Dieter Stork)

Am Ende noch ein Wort zum Spezialisten der Serie: Im Vergleich zu seinen Kollegen bietet der EQ-200 deutlich weniger Abstufungen, sondern beschränkt sich auf seine namensgebende Kernkompetenz. Mit zehn Schiebern und einem Masterregler bearbeitet er gezielt spezielle Frequenzen, die übrigens auch verändert werden können – neben den aufgedruckten 30 Hz bis 12,8 kHz stehen zwei weitere Belegungen zur Verfügung. Das im Vergleich zum Rest der Linie größere Display erhöht den Komfort, vor allem, da es die Frequenzkurve des ausgewählten Sounds anzeigt, und man im Gegensatz zum Rest der Linie schon ziemlich genau weiß, was einen erwartet, falls man die Belegungen der Speicherplätze gerade nicht im Kopf hat.

Der 200er bietet natürlich deutlich mehr Möglichkeiten als Boss‘ beliebtes GE-7-Pedal, ist im Vergleich zu diesem aber auch mehr als zweieinhalb Mal so teuer. Von daher richtet er sich eher an Spezialisten, während seine drei Kollegen zur Brot-und-Butter-Abteilung gehören, die eigentlich jeder Gitarrist brauchen kann. Wer seinen Sound jedoch feintunen und verschiedene Kurven auf Abruf zur Verfügung haben möchte, findet in ihm einen sehr guten und kompakten Partner. Kleine Anekdote dazu: Wie weit so etwas führen kann, hat David Gilmour Ende der 1980er-Jahre gezeigt, als er jedem seiner insgesamt sieben Drive- und Kompressor-Pedale einen eigenen GE-7 an die Seite gestellt hat.

RESÜMEE

Kommen wir zum Fazit: Boss schafft mit den 200ern einen ziemlich beeindruckenden Spagat zwischen kompakt und vielseitig sowie gut und überwiegend intuitiv bedienbar. Das kleine Display schränkt die Informationsmöglichkeiten zwar etwas ein, auch der Umstand, dass die Speicherplätze nicht mit Namen versehen werden können sondern von „M-1“ (1) bis „M.27“ (127) durchnummeriert sind, trägt nicht zur Übersicht bei, trotzdem ist es gut, dass man es hat. Und wem das Ganze zu miniaturisiert erscheint, kann ja zumindest teilweise zur größeren Version greifen, denn mit dem DD-500 und dem MD-500 stellt Boss auch „ausgewachsene“ Multi-Delays und -Modulatoren zur Verfügung.

Abgesehen davon bieten das OD, DD und MD eine vollständige Palette gängiger Effekte – und einige darüber hinausgehende Sounds – in bewährter Boss-Qualität, die sich dank der Speichermöglichkeiten auch in einem breitem Spektrum abrufen lassen, sodass es eigentlich an nichts fehlt. Wer gerne mit wenig Geräten und auf kleinem Raum eine breite Palette an Sounds erzeugt, liegt hier definitiv goldrichtig.

Mit ihrem Konzept bilden die 200er einen platzsparenden und günstigen Ansatz zwischen Einzel- und Multieffekten. Zu welcher Gruppe man sich zählt, ist natürlich eine vollkommen subjektive Ansicht. Unabhängig davon sind die 200er eine echte Bereicherung des Effekt-Markts und stehen nicht nur in Sachen Preis/ Leistung weit vorne.

PLUS

● viel Auswahl auf kleinstem Raum
● Soundqualität
● Preis-Leistungs-Verhältnis
● jede Menge Optionen

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hatte das DD 200. Nichts gegen Boss, aber das DD 200 war mir zu kompliziert zu verstehen. Zuviele Parameter. Deswegen holte ich mir ein einfaches und verständliches Pedal. Tut es auch für mich….

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