De schwatte Düwel

Test: Bogart Mad Jazz Morales Custom

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(Bild: Dieter Stork)

Der selbsterklärte Scheich vom Deich aus Schleswig-Holstein, meerumschlungen, Extrovertiertheitsmeister, bekannt aus Film, Fernsehen und aus diversen Bassforen – Mad Jazz Morales (steht wirklich im Ausweis!), der sich als immerwährenden Neuling sieht, hat sich einen Bass bauen lassen, der die Suche nach dem ultimativen Instrument für ihn endgültig beendet.

Der bundlose Sechssaiter ist ein eigener Entwurf in Kooperation mit Stefan Heß von Bogart, der ihn auch fertigte. Ist es der endgültige, ultimative Bass? Mad Jazz sagt, er ist es, und er sollte es wissen, er hatte schon einige! Und wie wirkt er auf uns Normalsterbliche? Wir werden sehen!

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SECHS SAITEN, (FAST) KEINE BÜNDE

Der Bass hat den klassischen Bogart-Blackstone-Korpus. Wenn man etwas immer noch so Futuristisches denn klassisch nennen kann: Der Korpuskern ist mazedonische Balkan-Erle, mit einer Hülle aus einem glasfaserverstärkten Aluminium-Gelcoat, der dem Body Form und Festigkeit verleiht, und mit einem Integralschaum mit guten Resonanzeigenschaften ausgeschäumt wird. Beim Morales-Custom ist er mattschwarz strukturiert, mit den MJM-Logos in Reflexionslack abgesetzt.

SKC-Carbonhals mit gut sichtbarer Webstruktur (Bild: Dieter Stork)

Der Hals ist vierfach angeschraubt und gibt sich durch seine sichtbare feine Webstruktur als Carbonhals aus dem Hause SKC zu erkennen. Eine ungewöhnliche Optik präsentiert das Griffbrett. Als wäre ein bundloser Sechssaiter nicht schon ungewöhnlich genug, sind beim Phenolgriffbrett die bundmarkierenden Linien, wie man sieht, nicht durchgehend, sondern in der Mitte unterbrochen. Außerdem sind sie, wie die Dots, die mit den entsprechenden Abständen auf den Linien sitzen, Luminlays, die nach einer gewissen Lichtzufuhr eine Zeit lang nachleuchten.

Bundlos hin oder her, ein Bundstäbchen gibt es trotzdem, denn der Bogart hat einen Nullbund. Der ist selbstverständlich passend abgerichtet, nicht so hoch, als ob darauf weitere Bundstäbchen folgen würden (alles schon gesehen … ). Das Headpiece ist von ETS und aus Messing. Mit zwei Schrauben ist es an der Stirnseite des Halses befestigt, mit sechs Madenschrauben werden die Saiten fixiert. Die Öffnung in der Mitte ist der Zugang zum Halsstab.

Griffbrett mit unterbrochenen Markierungen (Bild: Dieter Stork)

Den braucht ein Graphithals strenggenommen nicht, aber gerade beim Fretless finde ich es wichtig, die Halskrümmung exakt anpassen zu können, je nachdem wieviel Schnurren gewollt ist – oder lieber doch ein kontrabassiger Approach mit sperrigerer Bespielbarkeit. Am anderen Ende der Saiten sitzt wieder eine ETS-Kreation: eine Brücke mit sechs Einzelelementen und ein Tuner-Tailpiece, in dem die Ballends eingehängt werden.

Der ohnehin kompakte Headless-Bass, der locker in das großartige, mitgelieferte Mono-Gitarren-Gigbag passt, wird durch die 32-Zoll-Mediumscale-Mensur noch handlicher. Mal sehen, wie sich das spielen lässt! Zur Abnahme ist der Bogart mit Bartolinis bestückt. Unter den identischen Soapbar-Kappen verstecken sich unterschiedliche Abnehmer. Der XXM46M ist ein Split Reverse P, mit einer Spule für H bis A näher zum Steg, einer für D bis C näher zum Hals. Der XXM46C am Steg dagegen ist ein Quadcoil, also ein Pickup mit vier Spulen.

Volume, Balance und Tone regeln den Klang, mit kleinen Eigenheiten und Extras, dazu später mehr. Ein weiteres Custom-Feature dieses Basse ist die Ausgangbuchse im Strat-Schiffchen. Der Warwick-E-Fach-Deckel ist ohne Werkzeug zu öffnen, ebenso wie das Batteriefach. Während sich letzteres als Dummy entpuppt und vielleicht für zukünftige aktive Aufrüstungen nützlich sein wird, zeigt das E-Fach saubere Abschirmung, die allerdings den Deckel außen vor lässt, und aufwendige Verdrahtung.

Sauber abgeschirmtes E-Fach mit Eingangsbuchse und akurater Verkabelung (Bild: Dieter Stork)

MEISTERSÄNGER

Wenig überraschend ist die Balance im Sitzen wie im Stehen hervorragend, da merkt man den nicht vorhandenen Headstock. Ein veganer Richter-Ledergurt samt MJM-Logo kommt beim Bass übrigens gleich mit – gut so, denn an die Loxx-Strappins passt kein normaler Gurt, die Gegenstücke sind schon montiert. Der Hals hat eine angenehme, flache D-Form und mit 53 mm Breite am Nullbund praktisch Konzertgitarren-Maße. Das entspricht ungefähr meinem bundlosen Sechser, bei dem fächert es zur Brücke aber auf fast 20 mm Saitenabstand auf, wogegen der MJM nur 16 mm hat. Neben der kürzeren Mensur sorgt das natürlich für eine gewisse Eingewöhnungsphase, die aber dank der tollen Bespielbarkeit und der fantastischen Ansprache Spaß macht und wie im Flug vergeht.

Wie schon angedeutet, bedürfen Volume- und Balance-Regler einer weiteren Erklärung. Balance ist gegenüber den meisten Schaltungen andersherum, sprich: Aufdrehen bringt den Stegabnehmer ins Spiel, Zudrehen den am Hals. Das zeigt der Potiknopf auch entsprechend an, dessen Markierung in der einrastenden Mittelstellung nach unten zeigt und dann passend zur Potibewegung zum Hals oder zum Steg.

Im Volume-Poti ist noch eine Zugfunktion versteckt, die beim Steg-Pickup die stegnäheren Spulen abschaltet. Aber das ist noch nicht alles: Geht man mit dem Balance-Poti in Richtung Hals-Pickup, werden bei gezogenem Volume die beiden vorderen Spulen des Steg-PU dazuaddiert. Kleines Kuriosum: Ist dabei der Hals-Pickup am Poti voll angewählt, wird der Ton dünn und sehr hell, einen Millimeter zurückgedreht ist alles, wie es soll.

Steg/Stimmeinheit von ETS (Bild: Dieter Stork)

Verglichen mit traditioneller gebauten Fretless-Bässen, kann der Bogart sehr klar und präsent klingen. Wer sich dabei ob des geringen Holzanteils des Bogart Gedanken macht, ob der vielleicht zu klinisch und zu wenig warm klingt, wird positiv überrascht. Mit dem Balance-Regler in Mittelstellung, Volume und Tone auf, an neutral eingestelltem Amp, macht sich der Steg-Pickup sofort als dominanter Teil der beiden Abnehmer bemerkbar. Das gibt dem Ton eine dicke Mittennote, aber mit ordentlich Draht, unterfüttert von einem irrsinnig resonierenden Bassbereich bis in die tiefsten Lagen auf der H-Saite.

Jegliche Postulate, wonach eine so tiefe Saite unbedingt eine lange Mensur benötigt (oder gar eine noch verlängerte) um klingen zu können, drückt der Bogart einfach weg, eher besteht die Herausforderung darin, die Schwingfreudigkeit zu bändigen. Um die Höhen in zahmere Bahnen zu lenken, habe ich mehrere Möglichkeiten: Die Höhenblende am Bass ist gut abgestimmt, mit dem Stegabnehmer solo wird es noch traditioneller. Weitere Variationen bietet der Bogart mit dem Pickup-Split, der in der Lautstärke nicht allzu sehr abfällt, und auch der Wechsel von Hals-Pickup zu Hals plus gesplittetem Steg per Zug am Volume-Regler statt das Balance-Poti bewegen zu müssen, kann gefallen.

Allerdings muss man mit Einstreuungen leben, brummfrei wäre der verwendete Bartolini nur, wenn statt der beiden vorderen Spulen eine P-Konstellation geschaltet würde. Da die Pickup-Bestückung aber wie so vieles an diesem Bass eh Custom ist, wäre ein anderes Set kein Problem. Apropos Custom und anderes Set: Auch die schwarz beschichteten DR-Saiten sind ein Kundenwunsch, die dem Ton eine ziemlich harte Note verleihen. Mit konventionelleren Saiten, wie den Bogart-eigenen, singt der Bass vor allem auf G- und C-Saite deutlich mehr.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Was bringt einem die Lektüre eines Tests über ein so individuelles Instrument? Die Frage darf man stellen, und ich kann indirekt darauf antworten, dass der Test für mich eine spannende Erfahrung war. Auf meiner persönlichen „sollte ich mal drüber nachdenken“-Liste steht plötzlich ein Medium-Scale-Headless-Sechssaiter-Fretless, der da vorher nicht stand …

Stefan Heß hat so ziemlich alle Register gezogen und einen spannenden Bass kreiert, der zeigt, was möglich ist – optisch eher unauffällig, in Details ausgefuchst. Objektiv gibt es eigentlich nichts zu mäkeln, außer dem einstreuempflindlichen Split und dem dabei auftretenden sehr leisen Ton in der einen Extremposition des Balance-Reglers, aber das soll nicht von der beeindruckenden Bespielbarkeit und der großartigen Klangausbeute ablenken. Dem stolzen Besitzer wünsche ich ebenso viel Spaß, wie ich ihn beim Testen hatte!

PLUS

● Konzept
● Bespielbarkeit
● Werkseinstellung
● Sound
● Optik
● Zubehör

MINUS

● Brummen bei Steg-Split
● dünner Ton in einer Einstellung (siehe Text)

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich liebe diesen Bass!

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    1. Das wollen wir ja wohl hoffen! 😉

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