Luxustreter vom schwarzen Stern

Test: Blackstar Dept. 10 Boost, Dual Drive & Dual Distortion

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(Bild: Dieter Stork)

Mit einer Röhre als Sound-Geber will sich Blackstars jüngstes Trio einen Platz auf den Effektboards erspielen. Dafür haben die Briten zwei ihrer Pedale noch so einiges mehr mit auf den Weg gegeben. Wer nach einer Allround-Lösung sucht, sollte unbedingt weiterlesen.

Beginnen wir mit dem Namen: Dept. 10 ist die firmeninterne Bezeichnung für Blackstars Entwicklungsabteilung, in der – laut eigener Aussage – spezialisierte Ingenieure, die allesamt auch aktive Musiker sind, ständig nach neuen Ideen forschen, um den perfekten Sound zu kreieren. Die vorliegende neue Serie beschreiben die Macher als „die fortschrittlichsten Röhrenpedale, die der Markt zu bieten hat.“

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Das Herzstück der Pedale ist eine ECC83-Triodenröhre, die mit einer internen Spannung von mehr als 200 Volt für einen „organischen Klang, natürliche Dynamik und musikalische Verzerrung“ sorgen will. Offenbar ist man bei Blackstar ziemlich stolz auf die jüngsten Errungenschaften. Während der Booster noch recht überschaubar bestückt wurde, präsentieren sich die beiden größeren Pedale, das Dual Drive und das Dual Distortion, als vollausgestattete Allround-Helfer, die den passenden Zerr-Sound an die verschiedensten Abnehmer senden können: vom Gitarren-Amp über ein Mischpult bis hin zu einem Digital-Recording-Setup.

Dafür hat Blackstar seine „Cab Rig“-Technologie entwickelt, die als DSP-Speaker-Simulation dem Klang einer professionell mikrofonierten Gitarrenbox so nah wie nur möglich kommen will – und das über eine Vielzahl von Komponenten, die über die hauseigene, kostenlose „Architect“-Software bis ins Detail bearbeitet und in den Geräten gespeichert werden kann. Wer sich nicht mit der digitalen Welt auseinandersetzen mag, kann das gerne auch erst mal lassen, denn drei virtuelle Cabs inklusive Mikrofonierung und Raumklang wurden den beiden Doppel-Drives bereits implantiert. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf das deutlich konventioneller gehaltene Boost-Pedal.

BOOST

(Bild: Dieter Stork)

Wie alle Pedale der Serie kommt der Boost mit einem Röhrenschützenden Bügel, wie bei seinen Kollegen schaut zwar die Spitze der ECC83 aus dem Gehäuse heraus, ein Röhrenglühen ist jedoch nicht zu erkennen, dafür sitzt der Kolben zu tief in den Geräten. Neben dem Boost-Poti verfügt das Pedal über einen Zweiband-EQ mit Reglern für Bässe und Höhen, die ihre entsprechenden Frequenzen nicht nur absenken, sondern auch anheben können (Cut & Boost), sowie einen Buffer/Line Driver, der den Sound auch bei längeren Kabelwegen frischhält.

Damit bietet sich das Pedal für verschiedene Einsatzzwecke an: pegelneutral als Buffer, auf der linken Seite des Spektrums als dezenter Cleanboost für einen wärmeren und volleren Klang, weiter aufgerissen als Anschieber für einen cleanen Amp in Richtung Crunch oder natürlich als ein milder bis kräftiger Push für einen bereits zerrenden Amp.

Die beiden EQ-Bänder bleiben in der Mittelstellung der Potis unangetastet, rechts davon werden sie geboostet, links zurückgenommen. Die beiden Filter bearbeiten das Signal ab ihrem Zugriffspunkt breitbandig ober- respektive unterhalb des Spektrums – wenn man also Höhen und Bässe zurücknimmt, tönt es deutlich mittiger, was wiederum zusätzliche Optionen in Richtung Solo-Boost eröffnet. Im Test kam der Boost erst vor einem cleanen und dann angecrunchten 800er-Marshall zum Einsatz, in beiden Konfigurationen wertete der weiße Treter den Sound auf, durch den EQ war er dabei – erwartungsgemäß – flexibler als etwa der vom Tester gerne verwendete Xotic EP Boost.

Fazit: Der konventionellste der drei Treter ist ein kleiner, aber feiner Sound-Former, der sich für alle der genannten Möglichkeiten anbietet. Ein schönes Teil, das mit einem Ladenpreis von € 189 zwar nicht als Schnäppchen durchgeht, seinen Job aber überzeugend verrichtet.

DUAL DRIVES: KONZEPT & AUSSTATTUNG

Da die beiden Großen der neuen Serie in Sachen Ausstattung quasi identisch sind, möchte ich anhand des Dual Drive näher auf die üppigen Möglichkeiten der Pedale eingehen. Zunächst einmal handelt es sich um zweikanalige Verzerrer, deren Klangoptionen getrennt voneinander eingesetzt werden können. Eine Kopplung beider Einheiten ist nicht vorgesehen. Hat man einen der beiden Sounds aktiviert und tritt auf den anderen Fußschalter, wechselt der Kanal. Beide Seiten sind identisch aufgebaut: Je Kanal gibt es ein Gain- und ein Volume-Poti, dazu kommt die Auswahl zwischen zwei Grundsounds.

(Bild: Dieter Stork)

Eine Dreiband-Klangregelung mit Bässen, Mitten und Höhen teilen sie sich ebenso wie den für Blackstar typischen „ISF“-Regler, der die EQ-Sektion grundsätzlich verändert und damit den Klangcharakter stufenlos zwischen den Sound-Polen USA und UK überblendet. In der Mitte unterhalb der Röhre findet sich der Cab-Rig-Schalter zur Auswahl eines von drei virtuellen Lautsprecher-Setups.

(Bild: Dieter Stork)

Diese Boxen-Simulation liegt sowohl an der entsprechend betitelten Buchse wie auch dem XLR-Ausgang an. Weitere Anschlussmöglichkeiten sind, neben dem Instrumenteneingang und dem Output in Richtung Amp oder weiterer Effekte, eine USB-Audio-Schnittstelle zur digitalen Welt sowie je eine Send- und Return-Buchse für den integrierten Effektweg. Was sich bereits opulent liest, wird in der Anwendung zu einem echten Luxus. Aufgrund der mannigfaltigen Optionen können wir die Möglichkeiten der beiden Doppel-Drives an dieser Stelle nur anreißen, als Fazit lässt sich jedoch ziehen, dass sie sich als Sound-Zentralen präsentieren, die in fast jeder Umgebung sehr gut funktionieren – und dabei auch noch richtig gut klingen.

ANBINDUNGEN

Generell tut Blackstar sich und vielen Gitarristen dadurch einen Gefallen, dass die beiden Drives optisch als völlig normale Doppelzerrer mit insgesamt vier Sound-Optionen daherkommen, die sich zunächst mal ganz konventionell vor dem Amp der persönlichen Wahl nutzen lassen. Wer mag, kann es dabei auch belassen, denn bereits in dieser Disziplin funktionieren beide Pedale hervorragend. Im Test waren dies verschiedene Röhren-Amps, in einem Fall habe ich das Dual Drive via FX-Weg des Verstärkers auch mal direkt in die Endstufe gespielt.

Auch das kann man machen – der Blackstar sorgt für den Sound, die Endstufe macht ihn laut. Wer zuhause in Ruhe üben will, kann einen Kopfhörer in die „Cab Rig“-Buchse stecken und bekommt dann ein frequenzkorrigiertes Signal aufs Ohr, ohne dass etwaige Nachbarn gestört werden. Zu Testzwecken habe ich diesen Output außerdem in einen Marshall-Woburn-Aktiv-Lautsprecher geführt, der ansonsten meist zur Musik-Wiedergabe genutzt wird. Auch das funktioniert ohne größere Einschränkungen.

Wer ein solches Signal bei Gigs in Richtung Mischpult schicken will, kann den XLR-Ausgang verwenden – und seinen Amp auf der Bühne als Luxus-Monitor nutzen, denn die Ausgänge arbeiten parallel. Bleibt als Letztes noch der USB-Ausgang, mit dem man das Pedal als Interface für die Anwendung am Rechner nutzen kann. Anders herum können darüber auch die Cab-Rig-Sounds bearbeitet werden.

(Bild: Dieter Stork)

CAB RIG & ARCHITECT

In der Cab-Rig-Speaker-Simulation lassen sich über die Architect Software zahlreiche Parameter justieren, dieses Werkzeug ist extrem flexibel und lädt zum Tüfteln und Experimentieren geradezu ein: Im Angebot sind insgesamt 23 verschiedene virtuelle Cabinets (je sieben 2×12″- und 4×12″-Varianten, dazu sechs 1×12″-Modelle und je eine 1×10″- und 2×10″-Ausführung) sowie eine DI-Option ohne Simulation.

Parameter der Amp- und Cab-Simulation

Diese Grundlagen können anschließend umfangreich feingetunt werden, unter anderem über verschiedene Mikrofone und deren Positionierungen sowie diverse Raumgrößen und -arten oder auch die Röhrenauswahl der simulierten Endstufe – und das sind noch lange nicht alle Parameter. Wer gerne an Sounds bastelt, findet hier eine reichhaltige Spielweise. Die bevorzugten drei Ergebnisse lassen sich dann ins Pedal laden.

Boxenauswahl in der Blackstar-Architect-Software

SOUNDS

Bei so vielen Spezifikationen können wir die Sounds der beiden Pedale trotz dieses längeren Textes nicht allzu detailliert beschreiben, aber eins sei vorab gesagt: Sowohl das Dual Drive als auch das Dual Distortion klingen fantastisch. Das rote Dual Drive stellt mit den vier Grundsounds Clean (CL) Crunch (CR, beide Kanal 1) sowie Crunch (CR) und Overdrive (OD, beide Kanal 2) die komplette Palette vom dezenten Cleanboost über leichten bis heavy Crunch hin zu einem satten Overdrive zur Verfügung, die allesamt extrem dynamisch rüberkommen und für die meisten Anwendungen von Blues bis Hardrock passen sollten.

Wer es deftiger mag, greift zum schwarzen Dual Distortion. Die beiden Modes von Kanal 1 sind betitelt wie beim Dual Drive, auf der rechten Seite geht es dann mit OD 1 und OD 2 deftiger zur Sache. Hier können sich Freunde von Scooped-Sounds via Mittenregelung gezielt ihren Klang basteln. Wie gut mir die beiden Pedale gefallen haben, fiel mir im Nachhinein beim Abhören der Testaufnahmen auf: Von rund anderthalb Stunden Audiomaterial waren rund drei Viertel reines Gitarrenspiel durch die Historie von Rock und Metal.

Man kann es im Fall des Testers also so formulieren: Die beiden Teile klingen so gut, dass man gar nicht mehr aufhören mag. Am Ende noch zwei kleine Anmerkungen, die ebenfalls für die beiden Pedale sprechen: Durch den Effektweg lassen sich spezielle Sounds zusammenstellen, die dann mit einem Tritt komplett aktiviert werden, im einfachsten Fall etwa ein Zerrsound mit Delay. Dies erwies sich in der Anwendung als extrem komfortabel.

Und: Die kleinen Füße der Pedale bestehen aus einem Material, das sie auf einem Parkettboden bei normaler Anwendung fast unverrutschbar macht. Blackstars Department Nr. 10 hat also nicht nur mit opulenten Optionen jongliert, sondern auch auf die Details geachtet. Damit sind die beiden Drives auch für rund 300 Euro ein sehr gutes Angebot.

RESÜMEE

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Ob exzellente Grundsounds, jede Menge Anschlussoptionen vom Amp bis zum Rechner oder kluge Lösungen bis runter in die Details – vor allem das Dual Drive und das Dual Distortion überzeugen auf ganzer Linie. Der Boost ist in Sachen Ausstattung konventioneller gehalten, macht seine Sache aber ebenfalls sehr gut. Mit der Dept.-10-Serie liefert Blackstar drei erstklassige Tools ab.

PLUS

● Sounds
● Ausstattung & Bandbreite (Dual Drive & Dual Distortion)
● Cab Rig mit umfangreichen Optionen
● Preis-Leistungs-Verhältnis (Dual Drive & Dual Distortion)

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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