Klein aber oho

Test: Blackstar Debut 15E

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(Bild: Dieter Stork)

Echt beeindruckend, was der englische Amp-Hersteller ständig an Produkten raushaut. Von ganz laut bis ganz klein ist alles dabei.

Nach den ID:Core-Modeling-Combos und den Fly-Zwergen bringt Blackstar die beiden kompakten Debut 10E und 15E an den Start, von denen Letzterer zum Test vorbeischaut. Keine Zauberei, aber analoge Technik und ein paar Raffinessen lassen den Kleinen ganz schön groß erscheinen.

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MDF & ALUBLECH

Knapp 4,5 Kilo lassen viel Gehäuse mit wenig drin vermuten. Stimmt, aber das Wenige scheint es auf den Punkt zu bringen. Die beiden 3″-Breitband-Speaker wecken in mir den Welpenschutzreflex. Nein, wie putzig! Das geschlossene Gehäuse aus 13 mm MDF, sauber verleimt und innen in den Ecken stabilisiert, schützt außen ein cremefarbener Vinylbezug. Vier flache Gummipads dienen als Füße, der schlanke Griff meistert das Fliegengewicht locker. Netzbuchse und -trafo hat man an der Rückwand verschraubt, das aus 1-mm Alublech gewinkelte Chassis wird von sechs Gewindeschrauben getragen, ein straffes Frontgewebe schützt die Lautsprecher.

Drinnen wird die einzige Platine von der Input-Buchse und den Potis gehalten. Mechanisch also alles im grünen Bereich, auch wenn der Netztrafo nach der Anlieferung wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängt. Hat offensichtlich einen Schlag abbekommen. Nun ja, der Amp läuft tadellos, und schließlich muss der Hersteller die Kosten im Blick behalten.

Anders als der kleinere 10E wird der Debut 15E von oben bedient: Klinkeneingang, Gain, Overdrive-Schalter (aktiviert den OD-Kanal), (Master)-Volume, Tone- und ISF-Regler der Klangreglung, Delay-On/Off-Switch, Delay-Time-Poti, zwei Stereo-Miniklinken (MP3/Line In für Audiowiedergabe und Emulated Out für Kopfhörerbetrieb, Recording o.Ä.). Der Netzschalter mit roter Status-LED macht die Bedienfläche komplett. Apropos Netzschalter: das Netzkabel ist – für manchen bestimmt wichtig – gerade mal 90 cm lang.

Bedienfeld des Blackstar Debut 15E (Bild: Dieter Stork)

ANALOG FEELING

Der erwartungsgemäß leicht und intuitiv zu handhabende Blackstar Debut 15E klingt tatsächlich imposanter als die zwei 3-Zöller befürchten lassen. Um cleane Sounds zu erzielen, dreht man bei vintage-style Humbuckern Volume voll auf und bewegt Gain bis maximal 2 oder 2,5. Strat-Einspuler liefern das gleiche Ergebnis bei Gain auf 5. Was dabei aus den Lautsprechern dringt, würde ich als gehobene Zimmerlautstärke bezeichnen. Abwarten, da geht noch was!

Etwa bei Gain 3 bzw. Gain 6 entstehen erste Break-Ups, also leichtes Anzerren, welches kontinuierlich und präzise kontrollierbar mit der Höchsteinstellung 10 in fettem, warmem, homogen zerrendem Crunch endet. Dabei erstaunt mich, wie sensibel der Debut 15E trotz seiner Halbleiterschaltung auf Spieldynamik und das Volume-Poti der Gitarre reagiert. Nimmt man bei Gain 10 das Gitarrenpoti auf 5 oder 4 zurück, ertönt ein praktikabler Cleansound mit dezent abgesenkten Höhen.

Der Overdrive Channel startet etwa bei Gain 2 mit der gleichen Zerrintensität, mit der der Clean-Kanal endet, zeigt dabei jedoch stärkere obere Mitten und Höhen, die dem Sound mehr Transparenz und Durchsetzungsvermögen verleihen. Ab hier lässt sich die Verzerrung per Gain über den gesamten Regelbereich völlig gleichmäßig bis zu fettem, harmonisch zerrendem, sustain-reichem HighGain-Lead steigern, wobei der Amp immer noch ein beachtliches Maß an Dynamik bewahrt und eine Lautstärke an den Tag legt, die eine nachbarliche Freundschaft abrupt beenden dürfte. Keine Spur also von blecherner Keksdose.

Der Debut 15E kommt mit zwei Klang regelstufen, wovon das Tone-Poti, selbst bei hohen Gain-Settings, noch ausreichend effizient die Balance zwischen Bässen und Höhen kontrolliert und bei Höchsteinstellung eine gute Portion Brillanz ins Klangbild mischt. Der benachbarte ISF-Regler (Infinite Shape Feature), ein Blackstar-Patent, bietet ein stufenlos überblendbares Spektrum von amerikanischem (knackige Bässe, aggressivere aber eher dezente Mitten, bissige aber keineswegs nervige Höhen) bis britischem Klangcharakter (erdiger, wärmer, fettere untere Mitten, etwas weichere Höhen) und zeigt selbst bei starker Distortion hohe Effizienz. Einfach klasse, welch breites Sound-Angebot der ISF-EQ bereithält. Bei Tone auf 6 rangiert mein favorisiertes ISF-Setting zwischen 6 und 7.

Dem Delay-Effekt hat Blackstar die Bezeichnung „Tape Delay“ verliehen und irgendwie passt das auch, denn jede Echowiederholung zeigt auch bei cleanen Sounds deutliches Zerren, ganz so als würde ein Bandechogerät einen zu hohen Eingangspegel abbekommen. Das Delay-Poti kontrolliert lediglich die Delay Time, die von schätzungsweise 20-ms-Slapbacks bis zu gestoppten 460-ms-Echos reicht. Ungeachtet der Gain/Volume-Einstellungen sind stets vier Delays hörbar, das letzte nur noch sehr leise. Wie bei einem Bandecho verlieren diese zunehmend an Höhen. Die werksseitig sehr praxisorientiert und somit keineswegs überladen abgestimmten Feedback- und Level-Parameter verleihen dem Sound angenehme Räumlichkeit.

Über den kleinen MP3/Line-Input können Audios in Stereo oder weitere Instrumente mit Line-Pegel abgespielt werden. Die Wiedergabequalität ist erstaunlich klar, Sub-Bässe darf man natürlich nicht erwarten. Die Wiedergabelautstärke muss per Output-Level des angeschlossenen Geräts eingestellt werden. Da der Debut 15E Breitbandlautsprecher an Bord hat, ist eine exzellent abgestimmte Speaker-Simulation maßgeblich an dessen Sound beteiligt, die erwartungsgemäß auch am Kopfhörerausgang bereitsteht. Daher kann dieser auch zur Direktabnahme oder zu Recording-Zwecken verwendet werden.

RESÜMEE

Okay, ich geb es zu. Nach erstem Belächeln hat mich der Blackstar Debut 15E nicht nur mächtig beeindruckt, sondern ich bin regelrecht schockverliebt. Bislang galten für mich die Transistorverstärker von Jürgen Rath (Rath Amp), der ja bedauerlicherweise nicht mehr unter uns weilt, hinsichtlich Sound und Speaker-Simulation als das Maß aller (Halbleiter-)Dinge. Der neue Zwerg von Blackstar kann da locker mithalten.

Einfach klasse, wie er trotz Transistortechnik, winziger Breitbandlautsprecher und Ultrakompaktgehäuse derart natürlich klingende und dynamisch reagierende Clean-, Crunch- und Leadsounds abliefert. Effiziente Klangregelmöglichkeiten, ein praxisorientiert abgestimmtes Delay, Aux-In- und Phones/Line-Anschlüsse komplettieren das Überraschungspaket.

PLUS

● Clean- und Distortion-Sounds
● harmonischer Zerrcharakter
● ISF-Klangreglung
● Speaker-Simulation
● Aux-Anschlüsse
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

MINUS

● Delay-Wiederholungen zerren auch bei Clean-Sounds
● Netzkabel nur 90cm

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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