Vintage Deluxe

Test: Belz Animal

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(Bild: Dieter Stork)

Ja, die Wiege der Boutique-Amp-Bewegung steht in den U.S.A., doch es gibt es natürlich auch in unseren deutschen Landen ambitionierte Hersteller, die auf dem Produktsektor mitmischen. Wie wir hier sehen. Die Homepage verkündet gar „Belz Elektromagie“, mystische Vorahnungen tun sich auf.

Kein Wunder, wenn der Name des Herstellers kaum bekannt ist. Ulrich Belz hat seit vielen Jahren mit Röhrentechnik zu tun, sowohl auf dem HiFi-Sektor als auch bei Instrumenten-Verstärkern, unter anderem im Bereich Service, er ist aber (bislang) eher eine lokale Größe im Frankfurter Raum. Mit den vielen Jahren an Erfahrung hat er sich vor einiger Zeit selbst daran gemacht, Gitarrenverstärker herzustellen. Denen liegen klassische Schaltungen – ergänzt durch spezielle Lösungen und Modifikationen – zugrunde.

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Fünf Amp-Modelle sind im Moment im Angebot. Darauf beschränken sich die Aktivitäten allerdings nicht. Hinzu kommen zwei Cabinets, diverse FX-Geräte und es werden sogar zwei E-Gitarrenmodelle angeboten, die optisch entfernt der Gibson-RD gleichen.

Belz Animal(Bild: Dieter Stork)

retro mit mods

Boutique, was heißt das eigentlich? Kurz gefasst könnte man sagen: in erster Linie überdurchschnittliche bis herausragende Qualität des Produkts. Der Begriff meint aber auch „besondere Lösungen auf Basis klassischer Röhrenschaltungen“ und/oder „elitäre Konzepte“. Jedenfalls ist gemeint, dass man sich von der Massenware abhebt. Belz Elektromagie selbst benutzt den Begriff nicht. Die Art des Unternehmens und der Produkte passen jedoch klar in die Kategorie. Wir sind gespannt, ob der Animal Besonderheiten zu bieten hat.

Also gleich erst mal das Amp-Chassis demontieren und gucken, was schaltungstechnisch Sache ist. Ein sauber gefertigtes Alu-Gehäuse mit 2 mm Wandstärke kommt zu Vorschein. Die Anordnung der Trafos und die Röhrenbestückung (3x 12AX7, 2x KT66, GZ34) geben erste Hinweise zum Themenkomplex, der Blick auf die point-to-point handverdrahtete Elektronik im Inneren macht es dingfest. Wir haben es im Kern mit einer Replica vom JTM45/Marshall zu tun. So der erste Eindruck. Das betrifft aber nur die Endstufe, wie sich nach genauer Untersuchung offenbarte.

Ulrich Belz hat nämlich zwei legendäre Marshall-Konzept zusammengeführt. Die Vorstufe ist im Stil der JCM800-Serie (Modelle 2204/2203) aufgebaut. Deswegen die Kombination Gain-/Volume-Regler plus High- und Low-Input! Besondere Merkmale des Konzept sind weiterhin eine On/Off-schaltbare Klangregelung, ein serieller FX-Weg (passiver Insert vor der Phasentreiberstufe), die umschaltbare Gegenkopplung und – sehr sinnvoll – ein Entstörfilter im AC-Wechselstrom-Eingang.

„Boutique heißt überdurchschnittliche bis herausragende Qualität des Produkts“ habe ich eingangs gesagt. Okay, Substanz und Verarbeitung des Belz Animal erfüllen die Vorgabe. Schön anzusehen ist vor allem die sorgfältig ausgeführte PTP-Verdrahtung. Die Bauteile sind definitiv sehr hochwertig und liegen somit auf dem Niveau des Klassenstandard (Koppel-Kondensatoren von Vishay, Trafos liefert Welter, erstklassige Röhrenfassungen etc.).

Belz Animal
PTP-Verdrahtung, sorgfältig ausgeführt (Bild: Dieter Stork)

Besondere Sorgfalt widmet Belz nach eigenen Aussagen den Röhren, indem sie „individuell mit einem Messsystem geprüft und selektiert“ werden. Ulrich Belz kann diesbezüglich aus dem Vollen schöpfen, weil er einen großen Bestand an alten NOS-Röhren zur Verfügung hat (NOS: New Old Stock, neu aus altem Bestand). Das „Tier“ in diesem Test ist mit einer ECC808 (V1, Valvo) und zwei 12AX7 (Valvo, Siemens) bestückt, die GZ34- Gleichrichterröhre stammt ebenfalls von Siemens, die beiden KT66 kommen aus chinesischer Fertigung, sind aber ebenfalls besonders hochklassige selektierte Typen.

Auf Wunsch mit Aufpreis wird die Endstufe ebenfalls mit NOS-Röhren bestückt. Ein weiteres Leckerli: Der Kunde kann bestimmen, welche Koppelkondensatoren (Marke/Typ) verbaut werden. Zur Verwendung der bei Gitarren-Amps nicht alltäglichen ECC808 gibt Belz an, dass die Röhre wegen der soliden mechanischen Bauweise und der vorteilhaften Klangeigenschaften ausgewählt wurde.

symbiotisch

Vieles von dem, was sich in der Boutique-Szene an Amps tummelt, gleicht dem Ansatz des Animal. Elemente aus unterschiedlichen Ecken der Vintage-Technik finden in neuer Rezeptur zusammen. Das kann ein Wagnis sein, hier, wo eben „nur“ zwei Marshall-Generation zueinander finden, ist die Sache von vorneherein unbedenklich. Was nicht heißt, dass sich quasi automatisch eine hochwertiges Sound-Aggregat daraus formt. Ich habe schon mehrere in gleicher Art modifizierte JTM45-Replikas in die Finger bekommen, die im Ton eben nicht besonders schick waren. Röhrentechnik halt, die Sound-Qualität ergibt sich aus dem Zusammenspiel bzw. der sachverständigen Abstimmung aller Komponenten.

Nun, Ulrich Belz hat offensichtlich alles richtig gemacht. Sein Animal setzt sich höchst elegant in Szene (hier angetreten u. a. gegen meinen gehegten 81er 2204 und einen weiteren im Full-Modded-Dress von Voodoo Amps, krass hochgezüchtetes Teil).

So erlebt der Spieler eine auf das Äußerste ausgereizte, in sich mittenfette JCM800-Charakteristik, die sich dadurch auszeichnet, dass die Röhrensättigungen feingliedrig(er) an- und abschwellen und bei höchster Transparenz lebendige, farbenreiche, besonders harmonisch gezeichnete Verzerrungen erzeugen. Geschmeidigkeit – das Wort fasst die Gegebenheiten zusammen. Das kann einem schon ein entrücktes Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn Tonformung so musikalisch wertvoll ans Ohr dringt.

Belz Animal(Bild: Dieter Stork)

Die Klangregelung der 2203/2204-Marshalls war nie auch nur annähernd irgendwelchen Superlativen nahe. Damals wie hier taugt sie zum klanglichen Auspegeln des Instruments, eine wahre Sound-Formung ist nur bedingt möglich. Doch mit der Möglichkeit, die Klangregelstufe zu deaktivieren, steht eine interessante anders geprägte Klangfarbe zur Verfügung. Erhebliche Verdichtung, fetter in den Tiefmitten, der Gain-Pegel steigt spürbar an. Solo-Passagen bzw. einzeln gespielte Noten profitieren nachhaltig davon.

Der technische Kniff ist indes keine neue schlaue Belz-Erfindung, sondern eine lang bekannte Modifikation. Wie auch die Option, die Gegenkoppelung der Endstufe zu verändern. Diese beeinflusst die Linearität des Signal. Hohe Gegenkoppelung gleich weniger Klirrfaktor und umgekehrt. Beim Animal ergeben sich durch die Umschaltung zwei klar voneinander abgegrenzte Charakteristiken. Die oben beschriebene sowie eine grober und rauer klingende, die bei hohen Aussteuerungen des Animal z. B. im Bassbereich unruhiger ist und – wie man es von JTM45 kennt – intermoduliert. Somit erzeugt sie die ursprünglicheren Retro-Klangfarben.

Belz Animal(Bild: Dieter Stork)

Der Einschleifweg arbeitet im Rahmen seiner technischen Möglichkeiten einwandfrei. Da die maximale Send-Signalstärke deutlich über dem 0dB-Referenzpegel liegt, ist der FX-Weg ohne Weiteres nicht universell nutzbar. Das kann man kurieren, mit der in diesem Falle üblichen Lösung, zwischen dem Ausgang des (letzten) Effektgeräts und dem FX-Return einen Line-Booster zu platzieren. Aber bitte nur absolut hochwertige Prozessoren benutzen, damit (zumindest annähernd) die Sound-Aura des Animal nicht leidet.

Belz Animal
Anschlüsse des FX-Weges an der Front (Bild: Dieter Stork)

resümee

Zwei klassische Marshall-Schaltungen treffen aufeinander, die Symbiose von JCM800 und JTM45 verhilft dem Animal zu einem eigenen Sound-Profil voller Markanz und Eleganz. Die Modifikationen – in ihrer Art übliche Eingriffe in der Tuner-Szene – verhelfen der Retro-Basis zu einem erweiterten Klangspektrum. Vintage-affine Gitarristen sollten den Animal insofern unbedingt in Betracht ziehen. Neben der tonalen Klasse liegen auch Substanz (z. B. NOS-Röhren) und Verarbeitung auf sehr hohem Niveau. Und das Schöne an alledem ist, dass die Einzelanfertigung „Made in Germany“ in Bezug auf den Preis als Standortvorteil wirksam wird.

Der Belz Animal kostet um einiges weniger als die Produkte vieler Mitbewerber. Also stehen Preis und Leistung in einem für den Kunden vorteilhaften Verhältnis. Prädikat uneingeschränkt empfehlenswert.

PLUS
• exzellente Sound-Formung
• Dynamik, Ansprache, sehr obertonfreundlich
• harmonisches Zerrverhalten
• Retro-Design mit Mods
• geringe Nebengeräusche
• sehr gute Verarbeitung, Qualität d. Bauteile, NOS-Röhren

Belz Animal

Hinweise zu den Soundfiles:

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T.

Clip 8 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Über Kopf-/Ohrhörer wird man die Sound-Qualitäten des Belz Animal kaum gebührend erleben. Deshalb gilt hier bei diesen Clips, noch mehr als sonst: bitte laut anhören, über vernünftige HiFi-Boxen o.ä. 😉

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie immer stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

 

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

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